Auf dem Fussballplatz zeigt Hannes Germann vollen Einsatz. Wie in der Politik müsse man aber auch mal einen Pass spielen können, findet der Schaffhauser Ständerat.
Von Vanessa Buff
BERNAuf der Sportanlage Hubelgut riecht es nach Frittierfett und Perskindol. Dabei ist es für beides eigentlich noch zu früh: Das Spiel des FC Nationalrat hat noch nicht einmal begonnen, gerade eben sind erst die letzten Parlamentarier auf dem Platz im Berner Vorort Ittigen angekommen. Nun heisst es umziehen, Brillen durch Kontaktlinsen ersetzen, nochmals kurz das Handy checken – schliesslich ist ja Session und damit Hochsaison in Bundesbern – und dann ab auf den Platz, wo der Gegner bereits am Einlaufen ist.
Vom Goal in den Sturm
Auch Hannes Germann ist an diesem Dienstagabend im September wieder mit von der Partie. Der SVP-Politiker vertritt seit 13 Jahren den Kanton Schaffhausen im Ständerat und spielt seit immerhin neun Jahren für den Fussballclub des Par-
laments. Mittlerweile wird er mehrheitlich im Sturm eingesetzt, obwohl er früher als hinterster Mann aktiv war. «Das soll nun schön der Geri Müller machen. Als Torhüter kann ich ja nicht mehr so dreingehen wie früher», sagt Germann. Es klingt wie eine selbst auferlegte Einschränkung, die primär der Vernunft geschuldet ist. So, als ob er ziemlich genau wüsste, dass er im Eifer des Gefechts eben doch etwas zu sehr «dreingehen» und sich dabei vielleicht gar eine Verletzung holen würde.
So aber spielt Germann nun schon seit Jahren ohne grössere Blessuren. Den Einsatz allerdings, den zeigt er auch im Sturm. «Wenn er auf dem Platz steht, will er gewinnen», sagt ein Mitspieler über ihn. «Während des Spiels packt ihn der Eifer, aber danach ist er wieder ganz sanft», meint ein anderer. Und auch der ehemalige NLA-Spieler Roger Hegi, der den FC Nationalrat trainiert, stösst ins gleiche Horn: «Er ist sehr verlässlich und zeigt auf dem Platz vollen Einsatz. Ausserdem hat er ein gutes Näschen: Normalerweise macht er pro Spiel ein bis zwei Tore.»
Und was sagt Germann selbst? «Es stimmt, ich möchte gewinnen – aber sicher nicht um jeden Preis.» Auch zieht Germann Parallelen zwischen dem Fussball und der Politik: «In der Politik muss man ebenfalls hin und wieder einen Pass spielen können. Im Team erreicht man eben mehr.»
Gegen Extremforderungen
Tatsächlich ist dieser Satz für Germanns Politisieren typisch: Er ist kein Hardliner, sondern gilt als einer, der auch einmal einen Kompromiss eingeht, wenn dafür am Ende eine pragmatische Lösung herausschaut. Statt zu poltern, argumentiert er differenziert – mitunter so differenziert, dass man ganz genau nachhaken muss, um die tatsächliche Meinung zu erkennen. Extremforderungen – auch aus seiner eigenen Partei – erteilt Germann zudem meist eine Absage. Etwa als die SVP vergangenen Sommer laut über eine neue Initiative nachdachte, wonach nur noch Asylbewerber, die per Flugzeug in die Schweiz einreisten,
ein Asylgesuch hätten stellen können. Das sei «geradezu absurd» und «ein absoluter Tabubruch», sagte Germann damals gegen-
über den «Schaffhauser Nachrichten». Auch die Masseneinwanderungs-Initiative der SVP unterstützte er zwar klar – was ihm als damaligem Ständeratspräsidenten einige Kritik einbrachte –, doch sprach er sich stets für deren «massvolle Umsetzung» aus.
Es ist dieses Image als Konsenspolitiker, das Germann immer wieder als möglichen Bundesrat ins Spiel bringt. Er selbst jedoch hält sich diesbezüglich bedeckt. Als das Thema während seiner Zeit als Ständeratspräsident besonders oft aufs Tapet kam, sagte er nur, er wolle zuerst das Jahr «auf dem Bock» zu einem guten Abschluss bringen. Und jetzt, wo er wieder unten im Saal Platz genommen hat, meint er: «Dazu gibt es nichts zu sagen. Ausser, dass ich sachorientiert und ohne politische Scheuklappen politisiere und beim Parlament wohl mehrheitsfähig wäre.»
Germann, der Wirtschaftspolitiker
Etwas deutlicher ist Hannes Germann jüngst im Zusammenhang mit der Swissness-Vorlage geworden. Von einem «veritablen Bürokratiemonster» ist da die Rede, und von Arbeitsplätzen, die «so gut wie weg» sind, weil Unternehmen ihre Produktionsstätten ins Ausland zu verlegen drohten. Hier zeigt sich der Wirtschaftspolitiker Germann, der immer «neue Belastungen durch Sozialversicherungen und Auflagen im administrativen Bereich» klar ablehnt, wie er selber auf seiner Homepage schreibt. Stattdessen wünscht er sich gesunde KMU, zukunftsorientierte Landwirtschaftsbetriebe und einen starken Finanzplatz.
Das spiegelt sich auch in seinen Mandaten wider: Germann ist unter anderem Präsident des Verbandes Schweizer Gemüseproduzenten, Verwaltungsratspräsident der Ersparniskasse Schaffhausen AG und Vorstandsmitglied der Industrie-Vereinigung Schaffhausen (IVS) sowie des Hauseigentümerverbandes (HEV). Nur das Mandat als Stiftungspräsident der Behindertenorganisation Diheiplus in Neuhausen fällt da ein wenig aus dem Rahmen. «In meinem Leben habe ich viel erreicht, und ich bin kerngesund
– und da wollte ich den Menschen
etwas zurückgeben, die nicht so viel Glück gehabt haben», sagt er über dieses Amt.
Neben all diesen verschiedenen Tätigkeiten bleibt Germann nicht immer so viel Zeit für den Sport, wie er es gerne hätte. Da kommen die Spiele des FC Nationalrat während der Session gerade recht. «Rennen macht einfach mehr Spass, wenn noch ein Ball im Spiel ist», sagt Germann dazu. Und das ist ihm an diesem Abend auf der Sportanlage Hubelgut anzumerken: Der Schaffhauser erarbeitet Chance um Chance, auch wenn es mit dem Abschluss dieses Mal nicht so ganz klappen will. In der 13. Minute pfeffert er einen Schuss übers Tor, kurz darauf einen Kopfball und noch ein wenig später eine Flanke, die sich aber noch gefährlich senkt. Nach zweimal 35 Minuten endet das Spiel des FC Nationalrat gegen den FC Erfrischungsgetränke schliesslich mit einem konsensorientierten 1:1. «Ein angemessenes Resultat», findet Hannes Germann.
Zur Person
Geburtstag1. Juli 1956.
Schulen:Primar- und Sekundarschule in Merishausen, Kantonsschule in Schaffhausen.
Ausbildung:Ausgebildeter Primarlehrer, später Weiterbildung zum Betriebsökonom dipl. oec.
Berufliche Tätigkeit – ein Auszug:Seit 2002 Ständerat, im Jahr 2014 Ständeratspräsident. Vorher Gemeindepräsident von Opferts-hofen (1997–2008) sowie Kantonsrat (1997–2000). Redaktor der «Schaffhauser Nachrichten»
(1990–2002) und Lehrer (1979–1990).
Weitere Tätigkeiten – ein Auszug:Verwaltungsratspräsident der Ersparniskasse Schaffhausen AG, Vizepräsident des Verwaltungsrates der Elektrizitätswerke des Kantons Schaffhausen AG, Präsident des Schweizerischen Gemeindeverbandes und des Verbandes Schweizerischer Gemüseproduzenten.
Familie:Verheiratet mit Karin Germann; zwei Töchter im Teenageralter.