[Schaffhauser Nachrichten] «Gopferdami, geben wir hier Geld aus»

Der Ständerat fordert vom Bundesrat raschere Lockerungen und spricht 10 Milliarden Franken für Härtefälle. Jedoch dürfte es wohl nicht der letzte Kredit gewesen sein.

Lucien Fluri

«Wir verteilen zum ersten Mal in der Geschichte der Schweiz einfach so Geld»: Finanzminister Ueli Maurer. BILD KEY
«Wir verteilen zum ersten Mal in der Geschichte der Schweiz einfach so Geld»: Finanzminister Ueli Maurer. BILD KEY

BERN. Der Ständerat ist unzufrieden mit dem Coronamanagement des Bundesrates – und will raschere Lockerungen. Dies wurde gestern deutlich, als der Rat das Covid-Gesetz diskutierte. Als deutliches Zeichen an die Regierung schrieb der Ständerat ins Gesetz, dass die vom Bundesrat verhängten Covid-Einschränkungen nicht nur verhältnismässig, sondern «mildest- und kürzestmöglich» sein müssen. Bevor es zu Einschränkungen komme, müssten zuerst sämt­liche Möglichkeiten von Schutzkonzepten, Test- und Impfstrategien ausgeschöpft werden. Zudem müssen die Kantone besser einbezogen werden. So weit wie der Nationalrat will die kleine Kammer aber nicht gehen: Ein verbindliches Öffnungsdatum soll dem Bundesrat nicht vorgegeben werden.

Mangelhafte Begründung

Insbesondere Die Mitte setzte sich für diese Lösung ein: Ihre Vertreter Heidi Z’graggen, Andrea Gmür und Benedikt Würth hatten die entsprechenden Anträge eingebracht. In Krisensituationen müsse der Bundesrat zwar Freiheiten einschränken, sagte Pirmin Bischof, Solothurner Ständerat und Gruppenchef der Mitte. «Aber er muss in jeder Situation und zu jedem Zeitpunkt begründen können, warum er eine bestimmte Massnahme trifft.» In den vergangenen Wochen habe der Bundesrat die Massnahmen nicht mehr genügend begründen können.

Keine grosse Widerrede gab es da von Bundesrat Ueli Maurer. Der Bundesrat spüre auch, dass die Bereitschaft der Bevölkerung, die Massnahmen mitzutragen, sinke. Es sei nötig gewesen, den Fokus zuerst auf die Gesundheit zu legen, sagte Maurer, um dann anzukündigen, dass nun die wirtschaftlichen Folgen stärker gewichtet werden sollen.

Im Fokus der Debatte standen jedoch die Härtefallmassnahmen. Der Ständerat genehmigte dazu einen Kredit über maximal 10 Milliarden Franken. Davon sind 6 Milliarden für À-fonds-perdu-Beiträge für Firmen mit einem Jahresumsatz von bis zu fünf Millionen Franken vorgesehen. Drei Milliarden sind für grössere Firmen vorgesehen, die mehr als 70 Prozent Umsatzeinbusse haben. Eine Milliarde Franken bleibt als Reserve beim Bund, etwa für den Tourismusbereich, so Finanzminister Maurer. Der Bund schätzt, dass insgesamt rund 70 000 Betriebe unterstützt werden. ­Davon könnten 2500 Betriebe Beträge zwischen 5 und 10 Millionen Franken erhalten.

Weiteres Paket für Bürgschaften

Irgendwann, als eine Abstimmung anstand, blieb ein Mikrofon offen und ein Ständerat fluchte: «Gopferdami, geben wir hier Geld aus.» Finanzminister Ueli Maurer bekräftigte: Erstmals in der Geschichte verteile die Schweiz «einfach so» Geld. Dies sei nun aber nötig, es werde zudem genau kontrolliert und nur bei Härtefällen gebe es Unterstützung. «Für alles und jedes können wir die Mittel nicht bereitstellen.»

Es dürfte nicht der letzte hohe Kredit gewesen sein: Es werde vielleicht nochmals ein Programm für Covid-Bürgschaften des Bundes nötig werden, sagte Maurer, um nach der Krise Investitionen zu ermöglichen.

Die ersten Entscheide

Noch ist nicht alles klar, denn am Montag wird noch der Nationalrat über das Covid-Gesetz beraten. Hier die ersten Entscheide, wie sie der Ständerat umsetzen möchte: Keine Sonntagsverkäufe: Die stände­rätliche Wirtschafts­kommission wollte vorübergehend zwölf statt vier Sonntagsverkäufe pro Jahr erlauben. Der Antrag fiel durch; mit 23 zu 18 Stimmen bei einer Enthaltung. Wer geimpft ist, soll Erleichterungen bei der Quarantäne erhalten. Dies hat der Ständerat mit 19:18 Stimmen beschlossen; auf einen Antrag von Thomas Minder (SH) hin. Kantone, die gute Zahlen vorweisen, sollen stärker lockern dürfen. Der Antrag geht auf Martin Schmid (FDP/GR) zurück. Gegner warnten vor einem kantonalen ­Flickenteppich.  Fussball- und Hockeyclubs können wie andere Firmen von Härtefallmassnahmen profitieren. Die bisher nötigen Lohnsenkungen sollen wegfallen. Die Kantone sollen 600 Mio. Franken weniger an die Massnahmen bezahlen müssen als bisher vorgesehen. Der Bund soll diese Kosten tragen. Machen Unternehmen im selben Jahr, in dem sie einen À-fonds-perdu-Beitrag erhalten, Gewinn, müssen sie diesen dem Staat abgeben. Ein Kommissionsveto gegen Covid-Entscheide des Bundesrates lehnte der Ständerat deutlich ab. (lfh/rwa)

Engagierte Schaffhauser Ständeräte in der Debatte

Aktiv waren gestern die beiden Schaffhauser Ständeräte Hannes Germann (SVP) und Thomas Minder (parteilos). So kritisierte Germann gleich das Bundesamt für Gesundheit heftig. Unzufrieden ist er auch mit dem Krisenmanagement. Er zeigte aber auch Verständnis für den Bundesrat. Anstelle von Krisenstäben hätten sieben Krisenmanager versucht, ihr Bestes zu machen. «Doch sieben Krisenmanager, die noch viele andere Dossiers zu betreuen haben, können eben noch keine Führung in der Krise ersetzen», sagte Germann.

Doch aus Schaffhauser Warte blieb es nicht bei Kritik. Minder stellte in der gestrigen Ratsdebatte drei Anträge, die er in den SN von gestern angekündigt hatte. Knapp angenommen wurde der Antrag, dass Geimpfte künftig nicht mehr in Quarantäne müssen. Gelten soll dies, sobald klar sei, dass geimpfte Personen das Virus nicht weiter übertragen können.

Minders andere Anträge sind klar gescheitert. Weder wollte das Parlament ein Veto-Recht bei Lockdown-Entscheiden noch, dass die Freiwilligkeit der Covid-19-Impfung ins Gesetz geschrieben wird. «Ich glaube, dass wir materiell keine Differenz zu Herrn Minder haben. Wir sehen keine Impfpflicht vor; das wurde noch nie diskutiert», sagte Bundesrat Ueli Maurer dazu. (dmu)