[Schaffhauser Nachrichten] Heiratsstrafe – ein Trauerspiel ohne Ende?

A wedding cake at the wedding exhibition in Zurich, Switzerland, pictured on January 9, 2016. (KEYSTONE/Christian Beutler) Hochzeitstorten an der Hochzeits- und Festmesse in Zuerich am 09. Januar 2016. (KEYSTONE/Christian Beutler)

Das Trauerspiel um die steuerliche Diskriminierung von 1,5 Millionen Verheirateten geht weiter. Eine unheilige Allianz sorgt dafür, dass Ehepaare bis auf Weiteres zu viel Steuern bezahlen.

Von Hannes Germann*

Es war zu befürchten, dass der Ständerat das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer auf eine Zusatzrunde schicken würde. Denn es war eine hauchdünne Mehrheit, die in der ständerätlichen Wirtschafts- und Abgabenkommission (WAK) für die möglichst rasche Abschaffung der sogenannten «Heiratsstrafe» plädierte. Die Fronten verliefen für einmal strikte entlang der Parteigrenzen, was im Ständerat doch eher selten vorkommt. Aber diesmal ging es um Grundsätzliches: SP und FDP tendieren zu einem Systemwechsel in Richtung Individualbesteuerung (zwei Steuererklärungen pro Ehepaar). Die CVP und die SVP wollen am heutigen Splittingsystem für Ehepaare festhalten – wie übrigens auch die Kantone. Dieser Philosophie folgend, plädierten die fünf CVP- und die beiden SVP-Vertreter (darunter meine Wenigkeit) für Zustimmung zur bundesrät­lichen Vorlage, jene aus FDP und SP (je drei) zwar ebenfalls für Eintreten, allerdings auch für Rückweisung an den Bundesrat. Und weil Letztere die Mehrheit im Rat stellen, haben sie sich nach intensiver Debatte durchgesetzt.

Eine verpasste Chance

Konkret bedeutet das, dass der Bundesrat noch einmal über die Bücher gehen muss. Der Auftrag an die Exekutive lautet wörtlich, «alternative Modelle vorzulegen, namentlich das im Kanton Waadt geltende Modell, die Individualbesteuerung oder ­allenfalls weitere Modelle, die der Bundesrat als geeignet erachten würde». Alles klar – oder eben auch nicht. Denn das alles hat der Bundesrat bereits mehrmals getan, um dann in der Kommission oder im Rat zu scheitern. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Der Rückweisungsentscheid wiegt umso schwerer, als damit die vor sage und schreibe 35 Jahren vom Bundesgericht monierte Diskriminierung bestehen bleibt. Bundespräsident Maurer geht von gut vier Jahren Verzögerung aus. Dies zum Schaden von 1,5 Millionen verheirateten Steuerpflichtigen, denen Jahr für Jahr gegen 1,5 Milliarden Franken zu viel Steuern abgeknöpft wird. Laut neuster Statistik bezahlen über 700 000 Ehepaare (450 000 Zweiverdiener- und 250 000 Rentner-Ehepaare) heute eine um mehr als zehn Prozent höhere Bundessteuer, als wenn sie im Konkubinat lebten. Diese Schlechterstellung ist gemäss Bundesgericht diskriminierend. Dazu kommen 45 000 Ehepaare, bei denen die Heiratsstrafe weniger als 10 Prozent ausmacht. Die steuerlichen Nachteile fallen primär an, weil die steuerbaren Einkommen der beiden Eheleute addiert werden, was zu einer Verschärfung der Progression führt.

Konkubinatspaare mit Kindern erhalten heute zudem einen verfassungswidrigen Vorteil. Bei ihnen wird, je nach Konstel­lation, bei einer oder bei beiden Personen der Elterntarif angewendet, obwohl die Einkommen nicht zusammengezählt werden. Allein dadurch werden geschätzte 185 000 Zweiverdiener-Ehepaare mit Kindern zusätzlich von einer verfassungswidrigen Mehr­belastung erfasst.

Die Vorlage des Bundesrates sieht ein austariertes System vor. So sollten die Steuer­behörden künftig bei Ehepaaren zwei Varianten durchrechnen: eine Besteuerung nach gemeinsamer Veranlagung und eine in Anlehnung an die Besteuerung von Konku­binatspaaren. In Rechnung gestellt würde dann automatisch der tiefere Betrag. Dadurch wären die Steuerzahler um 1,5 Milliarden pro Jahr entlastet worden.

Bei allem Ärger über die verpasste Chance ist einzuräumen, dass das vorgesehene System mit den Korrekturinstrumenten (Einverdienerabzug, Alleinerziehendenabzug usw.) wohl nicht einfacher geworden wäre. Aber mindestens verfassungskonform und vor allem gerechter.

*Hannes Germann ist Schaffhauser SVP-Ständerat