[Schaffhauser Nachrichten] Höchste Priorität

Nebst Wahlgeschäften stehen in der Wintersession wichtige Weichenstellungen in Energie- und Gesundheitspolitik sowie bei der beruflichen Vorsorge an.

Von Hannes Germann*

Sessionsforum Stromversorgung

Den Auftakt zur Wintersession ­machen jeweils die Wahlen ins Präsidium beider Räte. Es sind für 2023 zwei Persönlichkeiten aus der politischen Mitte. Ich gratuliere dem Bündner Nationalratspräsidenten Martin Candinas und der Thurgauer Kollegin Brigitte Häberli zur ehrenvollen Wahl. Gleichzeitig danke ich unseren Kantonsnachbarn für die schöne Wahlfeier von gestern Mittwoch. Im Gegensatz zu Bundesratswahlen bleiben Überraschungen bei den Ratspräsidien aus. Und das ist gut so.

Im Zentrum der materiellen Debatten stehen in der dreiwöchigen Session vor ­allem Geschäfte aus dem Bereich der Umwelt- und Energiepolitik (Stichwort «Strommangellage»). Erste Entscheide sind bei der beruflichen Vorsorge (BVG) gefallen. In der zweiten Säule sollen in Zukunft Leistungen im Tieflohnbereich besser versichert werden. Gleiches gilt für Leute mit Mehrfachbeschäftigungen. In beiden Bereichen sind davon die Frauen überdurchschnittlich betroffen. Diese Verbesserungen für Frauen und Geringverdienende sind überfällig, wenn auch in den betroffenen Branchen umstritten. Noch schwieriger wird es mit der zwar demografisch gut begründeten, aber politisch umstrittenen Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent. Der Entscheid steht noch bevor. Ohnehin droht ein Referendum.

Die Strommangellage, steigende Preise, Massnahmen und die damit verbundenen Geschäfte dominieren die politische Agenda. Gründe hört man viele. Tatsache ist, dass die Strommangellage hausgemacht ist. Mit der nach Fukushima verabschiedeten Energiestrategie 2050 ist eine Weichenstellung vorgenommen worden, die 2019 in der vorschnellen Abschaltung von Mühleberg gipfelte. Somit fehlen immerhin jährlich 3,7 Terrawattstunden CO2-freier Strom. Immerhin rund 6 Prozent des schweizerischen Strombedarfs.

Sinnvolle Projekte im Bereich von Wasserkraft, Solarenergie und Wind sind derweil durch Einsprachen und andere Verhinderungstaktiken blockiert. Diese Tatsachen und der zuletzt fehlende Investitionswille der einheimischen Energieversorger erschweren den Ausbau von CO2-freien Produktionsanlagen. Im Herbst haben wir zwar im Ständerat den Weg frei gemacht für die rasche Realisierung von Projekten im Bereich der Wasserkraft (Grimsel usw.) sowie von hochalpinen Solar-Grosskraftwerken.

Doch schon kommen Einwände aus allen Ecken des Landes. Die Rede ist von Aushebelung der Verfassung bis hin zur Verschandelung der Alpen. Nicht alle Einwände sind unbegründet. Aber als politischer Verantwortungsträger fragt man sich manchmal, ob sich die Bedenkenträger der Bedeutung einer funktionierenden Energieversorgung und namentlich Stromversorgung wirklich bewusst sind. Denn weil sauberer Strom fehlt, wird nun in aller Eile ein fossiles Notkraftwerk (Birr) gebaut. ­Allein daraus wird klar: Es braucht dringend Korrekturen an unserer Energiestrategie.

Dessen ungeachtet haben Vorstösse zur E-Mobilität politisch quasi freie Fahrt, nicht nur in Bundesbern. Der Kanton Zürich hat im letzten Sommer ein millionenschweres Subventionsprogramm zur Förderung der E-Mobilität gestartet. Nur wenige Wochen später wird nun die Bevölkerung zum Stromsparen resp. zum Masshalten, Frieren und Verzicht auf die Weihnachtsbeleuchtung aufgefordert. Dazu kommt eine unsägliche Verordnung darüber, wem bei einer Mangellage der Strom abgedreht werden darf – und wem nicht. Für mich ist klar: Die sichere Versorgung unseres Landes mit CO2-freiem Strom muss Vorrang haben.

Viele der Vorschläge zum Stromsparen sind eher zum Kopfschütteln oder Schmunzeln und muten an wie eine Aufwärmung von Dölf Ogis Eierkocher vor dreissig Jahren. Ein gutes Omen für Rösti? Wie auch immer: Ich wünsche Ihnen eine frohe Adventszeit mit vielen Lichtblicken.

* Hannes Germann (SVP) ist Ständerat des Kantons Schaffhausen