[Schaffhauser Nachrichten] Im Gespräch mit Hannes Germann: «Als Nummer eins trete ich nicht zurück»

Der Schaffhauser Ständerat Hannes Germann ist laut dem «Influence Index 2024» der einflussreichste Politiker im Bundeshaus. Was macht ihn so erfolgreich? Im SN-Interview verrät der SVP-Konsenspolitiker sein Geheimrezept.

Mahara Rösli

Der einflussreichste Parlamentarier gemäss Ranking ist der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann. BILD KEY
Der einflussreichste Parlamentarier gemäss Ranking ist der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann. BILD KEY

Ein neues Ranking misst, welche der 246 Mitglieder von National- und Ständerat am meisten Einfluss haben. Kommt es zum parlamentarischen Einfluss, setzt sich der Schaffhauser Ständerat Hannes Germann, der seit 2002 in der kleinen Kammer sitzt, vorne ab.

Herr Germann, wie bewerten Sie es persönlich, als einflussreichster Politiker im Bundeshaus bezeichnet zu werden?

Hannes Germann: Das ist natürlich eine tolle Sache. Ich habe aber ehrlich gesagt gar nie daran gedacht, diesen Titel zu erhalten. Aber tatsächlich war ich in früheren Ratings, beispielsweise jenem von der «Sonntags-Zeitung», bereits in den Top Ten. Letztendlich ist ein Rating aber nur ein Rating. Entscheidend ist, wie aussagekräftig dieses ist und welche Massstäbe angelegt worden sind.

Trotzdem verspüren Sie ein wenig Stolz, oder?

Germann: Ja, natürlich. Ich fühle mich sehr geehrt, auch im Namen des Kantons Schaffhausen. Es ist gut, dass die Leute realisieren, dass ihr Standesvertreter nicht einfach bloss existiert, sondern tatsächlich auch eine Wirkung hat. Aber dabei ist auch ein kleiner Wermutstropfen: Ich kann mich mit dem Maximalscore 100 ja gar nicht mehr steigern. Ich glaube, ich muss mir jetzt etwas Neues einfallen lassen. (lacht)

Weg von der Politik?

Germann: Nein, nein, ich bleibe bei dem, was ich ganz offensichtlich gut kann, gerne mache und womit ich möglichst vielen Leuten diene. Ausserdem bin ich für die nächsten vier Jahre gewählt. Wenn ich gesund bleibe, dann werde ich im Ständerat bleiben und die Legislaturperiode zu Ende bringen. Denn das habe ich der Wählerschaft versprochen. Und diese Topplatzierung ist natürlich ein zusätzlicher Motivationsschub. Es wäre komisch zurückzutreten, jetzt wo ich schon die Nummer eins im Bundeshaus bin. Roger Federer hätte das auch nicht gemacht (lacht). Hier in Bern habe ich einmal gesagt: Ich muss noch bis 2046 im Ständerat bleiben, um gleichviele Dienstjahre zu erreichen wie der ehemalige Nationalratspräsident Walther Bringolf.

Auch wenn Sie Walther Bringolf noch nicht geknackt haben, konnten Sie im Ranking sogar SVP-Nationalrat Thomas Aeschi (ZG) auf den zweiten Rang verdrängen. Wie haben Sie das geschafft? Was gelingt Ihnen besser als ihm?

Germann: Vielleicht bin ich der bessere Vermittler. Aeschi ist einer, der gerne die harte Position durchsetzt und weniger schnell zu einem Kompromiss kommt. Aber er ist unglaublich fleissig. Deshalb bin ich überrascht, dass ich es im Ranking vor ihn geschafft habe – wenn auch knapp. Überrascht haben mich indes die grossen Abstände nach hinten. Da ich die Studie aber selbst noch nicht im Detail analysiert habe, kann ich das Gesamtergebnis schlecht abschätzen.

Sie sind seit 2002 im Ständerat und feiern immer wieder politische Erfolge. Was ist Ihr Geheimrezept?

Germann: Das ist schwierig zu sagen. Ich denke, das Dienstalter spielt hier sicher eine grosse Rolle. Bei mir hat es immerhin 20 Jahre gedauert, bis ich auf dem ersten Platz im Ranking gelandet bin. Die Erfahrung hat mich schon oft weitergebracht. Beispielsweise habe ich im Rat schon einen Rückkommensantrag gemacht, weil zwei Gesetzpassagen sich widersprochen haben. Und das ist im Ständerat verpönt. Trotzdem ist der Rat mir gefolgt. Und schlussendlich sind Ratsmitglieder auf mich zugekommen und haben gemeint, man merke schon, dass ich viel Erfahrung habe. Zudem gibt es viele Politiker, die sich gerne selbst reden hören. Meiner Meinung nach ist eine gewisse Glaubwürdigkeit in der Politik aber viel wichtiger.

Sie sind nicht derjenige, der mit scharfen Analysen auf sich aufmerksam macht. Sie sind auch kein begnadeter Rhetoriker, der durch Reden die Leute mitreisst. Wieso setzen Sie sich doch immer wieder durch?

Germann: Fundierte Dossierkenntnis, gepaart mit ein paar emotionalen Elementen, kommt eigentlich immer gut an. Und vielleicht, weil ich primär dort rede, wo ich etwas bewegen kann.

Sie hören also lieber zu?

Germann: Zuhören zu können, ist eine ganz wichtige Voraussetzung in der Politik und gehört für mich zum Respekt. Es gibt genügend Leute, die nur zuhören, wenn sie etwas von einem wollen, ansonsten aber lieber andere zutexten.

Sie sind aber auch gut darin, Allianzen zu schmieden.

Germann: Auch das kommt mit der Erfahrung. Irgendwann kennt man die Leute und weiss, wer wie tickt. Zudem bin ich bestens vernetzt, mit dem Parlamentsdienst gut vertraut und kenne die Köpfe hinter der Verwaltung. Das hilft immer.

Networking funktioniert heute immer mehr über die sozialen Medien. Trotzdem sind Sie dort nicht wirklich aktiv.

Germann: Die sozialen Medien sind definitiv nicht mein Ding (lacht) . Ausserdem finde ich, wenn man es macht, dann muss es richtig sein. Und dafür fehlt mir einfach die Zeit. Man muss sich zu oft mit Leuten herumschlagen, die einem nicht gutgesinnt sind oder ihren persönlichen Frust loswerden wollen. Deshalb betreibe ich meinen Twitter-Account oder X, wie es jetzt ja heisst, lieber auf Sparflamme. Auf jeden Fall wäre hier zweifellos noch Steigerungspotenzial.

Zum Abschluss: Gibt es einen Geheimtipp, den Sie anderen Politikern auf den Weg geben, um ebenfalls irgendwann den Titel «einflussreichster Politiker im Bundeshaus» zu erhalten?

Germann: Das ist jetzt schwer zu definieren. Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man eigenständig bleibt, sich nicht verstellt und trotz den hohen Erwartungen in der Politik immer sich selbst, also authentisch bleibt. Ich glaube, das habe ich geschafft. Und immer schön am Boden zu bleiben. Ich rede gerne mit einfachen Leuten, den Kolleginnen und Kollegen, schätze aber auch den Dialog mit Diplomaten, ausländischen Politgrössen bis hin zu einem Staatschef.

Das ist der «Influence Index 2024»

Die Public-Affairs-Firma Burson hat mit ihrem «Influence Index 2024» versucht, den Einfluss der Politikerinnen und Politiker im Stände- und Nationalrat zu vermessen. Das Ranking zum parlamentarischen Einfluss stützt sich auf Indikatoren wie Führungspositionen innerhalb der Fraktion und den Kommissionen, die Netzwerkarbeit sowie die Anzahl der Dienstjahre im Parlament.