Schaffhauser Nachrichten: Integrieren – doch wer, wie, wo

von Marcello Odermatt

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Schulen sind überfordert, weil sie mit ausländischen Jugendlichen nicht klarkommen. Im Arbeitsmarkt sind gewisse Ausländer schlecht ausgebildet und häufiger arbeitslos. Im Alltag fehlen ihnen Kenntnisse einer Landessprache. In Vororten leben ausländische Frauen oft abgeschnitten in einer Parallelwelt. Andererseits: Ausländer bringen Ideen, machen den Alltag multikulturell und halten den wirtschaftlichen Motor der Schweiz auf Trab. Und zwar zunehmend als hoch qualifizierte Arbeitskräfte. Waren Ende der 1990er-Jahre viele Ausländer, vorab aus den Balkanstaaten, unterqualifiziert, trifft wegen der Personenfreizügigkeit mit der EU heute das Gegenteil zu.

Doch ob so oder so: Integrationspolitisch bedeutet das für das Land eine grosse Herausforderung. Darüber diskutieren Bund, Kantone und Gemeinden mit Vertretern von Wirtschaft und Zivilgesellschaft morgen in Solothurn an der nationalen Integrationskonferenz, die nach sechs Jahren zum zweiten Mal tagt. Der Diskussionsbedarf ist nicht nur wegen der aktuellen Zuwanderungsdebatte gegeben. Denn die Schweiz schnitt kürzlich in einer Studie zur Integration schlecht ab. Im Vergleich belegte sie den 23. Rang von 31 Ländern (EU, USA, Kanada).

Wirtschaft wird gefordert 
Wie also können 1,8 Millionen Ausländer, 22 Prozent der Einwohner, reibungslos integriert werden respektive bleiben? Für Guy Morin, Regierungspräsident des Kantons Basel-Stadt und Präsident des Organisationsgremiums, ist klar, dass zwar Bund, Kantone und Gemeinden eine Verantwortung haben. Letztlich aber finde Integration am Arbeitsplatz, im Quartier, auf dem Sportplatz, im Verein statt. Ohne Support von Zivilgesellschaft und Wirtschaft liefen die «Bemühungen des Staates ins Leere», so Morin gestern vor den Medien. Ein Ziel der Konferenz ist es daher, nicht staatliche Akteure enger anzubinden. Für Morin besteht die Aufgabe der Arbeitgeber etwa darin, ihren ausländischen Arbeitern Sprachkurse zu ermöglichen.

Nicht alle gleich zu behandeln 
Denn die Sprache, dies brachte Justizministerin Simonetta Sommaruga zum Ausdruck, ist die Grundvoraussetzung für die Integration. Dabei seien die Ausländer ebenso gefordert, sich mit den schweizerischen Institutionen und Werten auseinanderzusetzen. «Das ist keine Schikane», sagte die Bundesrätin. «Nur so können sie am Alltag überhaupt teilnehmen.» Sommaruga kann sich vorstellen, eine Landessprache als obligatorisch zu erklären – für Neuankömmlinge wie für alteingesessene Ausländer, da sich oft Menschen der ersten Generation in der Schweiz kaum richtig verständigen können. Schwieriger wird die Forderung bei EU-Bürgern, die im Rahmen der bilateralen Verträge einreisen. Diesen kann die Schweiz keine Kurse vorschreiben. Für Sommaruga käme aber in Frage, diese zumindest zu einem Gespräch «einzuladen».

Der Bund will mehr Regeln 
Während für die Umsetzung solcher Angebote Kantone und Gemeinden zuständig sind, obliegt dem Bund die Aufgabe, Rahmenbedingungen zu setzen. Diese wurden in den letzten Jahren bereits mehrmals verdichtet. Doch Sommaruga reicht das nicht. Noch in diesem Jahr will sie eine Revision des Integrationskapitels im Ausländergesetz vorlegen. Ein eigentliches Integrationsgesetz hingegen, das in den letzten Jahren gefordert wurde, wird schubladisiert. Die Widerstände von Kantonen und Gemeinden, die darin eine «Zwangsjacke» für Gemeinden sehen, waren zu gross. Von einer vollständigen nationalen Integrationspolitik wollen die Akteure nichts wissen. Sommaruga will die bisherigen Gesetze daher nur «optimieren». Dazu gehört die Revision des Einbürgerungsrechts, wonach die Einbürgerung verstärkt an Integrationsleistungen geknüpft wird. Zudem will sie bald einen Integrationsplan vorlegen, der aufzeigen soll, wie Integration eingefordert werden kann. Dabei stehen Integrationsvereinbarungen oder standardisierte Sprachnachweise zur Diskussion. Nicht zuletzt geht es aber auch ums Geld. Auch darüber wird an der Konferenz morgen gestritten werden. Denn die Kosten der künftigen Integration werden von den Verantwortlichen des Gremiums auf 175 Millionen Franken pro Jahr geschätzt, was 130 Millionen mehr sind als bisher. Wer das bezahlen soll, ist offen.