Nächste Woche debattiert der Ständerat über die Rolle der Lobbyisten im Bundeshaus. Wir zeigen, worum es dabei geht.
Von Eveline Rutz
Martin Schläpfer, Leiter der Direktion Wirtschaftspolitik bei der Migros, und Ständerat Pirmin Bischof (CVP/SO) diskutieren im Café Valloton im Bundeshaus. Thema ist das Kartellrecht. Schläpfer weibelt für eine Motion von Konsumentenschützerin Prisca Birrer-Heimo (SP/LU), die am 24. April in der Wirtschaftskommission behandelt wird. Diese will verhindern, dass Verteiler von Markenprodukten Währungsgewinne abschöpfen. Der Detailhandel, der nicht selber importieren dürfe, brauche sofort eine Lösung und nicht erst 2016, sagt Schläpfer. Bischof ist dagegen. «Wir sollten das Gesetz als Paket verabschieden», sagt er und erkundigt sich nach einzelnen Zahlen. «Die werde ich dir mailen», verspricht Schläpfer und leert seinen Espresso. Es ist nicht der erste an diesem Morgen.
Rund 260 Interessenvertreter haben derzeit Zugang zum Parlamentsgebäude. Darunter sind Verbandsvertreter, Gewerkschafter sowie Lobbyisten, die von mehreren Auftraggebern Mandate übernehmen. Ihre genau Zahl lässt sich nicht eruieren. Im Internet ist zwar einsehbar, welcher Parlamentarier wem seine beiden Gästekarten überlässt. Ob jemand tatsächlich Lobbyist oder bloss persönlicher Mitarbeiter eines Parlamentariers ist, lässt sich in der Praxis aber nur schwer feststellen.
Register verlangt
«Es herrscht zu wenig Transparenz», kritisiert Ständerat Didier Berberat (SP/NE). In einer parlamentarischen Initiative fordert er, für die Akkreditierung von Lobbyisten eigene Kriterien festzulegen und ein öffentliches Register zu führen. Dieses soll über Mandate sowie Arbeitgeber Auskunft geben. «Ich will wissen, in wessen Auftrag jemand unterwegs ist», sagt Edith Graf-Litscher (SP/TG). 2009 war sie mit einem ähnlichen Vorstoss gescheitert. Von einem «Gemauschel sondergleichen» spricht der Publizist Viktor Parma. Die Lobbyisten schrieben sich in ihren Standesregeln zwar vor, offen zu arbeiten, sagt Parma. Tatsächlich sei jedoch häufig unklar, wer sich in wessen Auftrag in der Wandelhalle bewege. «Man muss sie dazu zwingen, Transparenz herzustellen», findet er und unterstützt die Idee Berberats. Dass es für einen Parlamentarier unangenehm sein kann, mit seinen Gästen in Verbindung gebracht zu werden, hat Ständeratspräsident Hans Altherr erfahren. In der letzten Legislatur hatte er seine Badges einer Menschenrechtlerin und einem Pharmavertreter vergeben. «Prompt wurde mir Nähe zur Pharmabranche unterstellt.» Er war es bald leid, sich dauernd rechtfertigen zu müssen. Heute gewährt er nur noch seiner Partnerin Zutritt.
Lobbyisten für eine klare Lösung
«Wir möchten offiziell als Informationsvermittler anerkannt werden», sagt Fredy Müller, Präsident der Schweizerischen Public-Affairs-Gesellschaft (SPAG). Ein eigene Akkreditierung sei seit Jahren ein Ziel; Berberat nähme ein berechtigtes Anliegen auf. «Wir müssen uns legitimieren, dazu gehören Rechte und Pflichten.» Lobbyisten seien bei der Informationsbeschaffung eine Hilfe, sagt Bischof. Er höre sich die verschiedenen Argumente an und wäge schliesslich sorgfältig ab, wie er das auch als Anwalt mache. Auf sein Abstimmungsverhalten hätten Interessenvertreter aber keinen Einfluss. «Ich bin ausschliesslich meiner Wählerschaft verpflichtet.» Hannes Germann (SVP/SH) stimmt dem zu. Sich mit Lobbyisten auszutauschen, sei gerade bei fachlich anspruchsvollen Fragen hilfreich. «Doch die richtige Dosis ist entscheidend.»
«Kein Strippenzieher»
Er verstehe sich nicht als Einflüsterer oder Strippenzieher, sagt Schläpfer, der seit 2003 für die Migros arbeitet. In einer komplexer gewordenen Welt sensibilisiere er für einzelne Themen und vermittle Wissen. «Das ist bei vielen Lobbyisten ein vorgeschobenes Argument», sagt Parma. Die sogenannten Fachleute von Finanz- und Atomindustrie zum Beispiel hätten gerade in jüngster Zeit in entscheidenden Fragen versagt. «Sie wissen nicht, was sie verkaufen.»
Steigender Druck auf Politiker
Es werde immer aggressiver lobbyiert, stellt Parma fest, der seit den Achtzigerjahren als Journalist in Bern arbeitet. Parlamentarier würden zunehmend unter Druck gesetzt. Das geht offenbar so weit, dass einzelne Agenturen kurz vor Abstimmungen gezielt SMS verschicken. «Das ist eines Milizparlamentes unwürdig. Jeder Parlamentarier könne selbst entscheiden, ob er sich mit einem Lobbyisten unterhalten wolle oder nicht, hält SPAG-Präsident Müller dagegen. «Im Prozess der Entscheidungsfindung sind wir nur ein Element.» Zu einem konträren Schluss kommt Thomas Minder (parteilos/SH). «Die Lobbyisten tragen wesentlich dazu bei, dass das Parlament derart träge ist», sagt er. Sie nähmen sehr stark Einfluss, weshalb beispielsweise seine Abzocker-Initiative mehrfach verzögert worden sei. «Diese Leute sind aus dem Bundeshaus zu verbannen», findet Minder und hat kürzlich einen entsprechenden Vorstoss eingereicht. «Das bringt doch nichts», entgegnet CVP-Politiker Bischof. Lobbyismus finde dann einfach im Verborgenen statt. Eine Einschätzung, die Müller teilt. «Unsere Arbeit würde damit nicht beseitigt, sondern bloss vors Bundeshaus verlegt.»