Schaffhauser Nachrichten: Keine Hilfe für die Grenzregionen

Der Ständerat will dem Bundesrat keine weiteren Aufträge geben, um auf die Frankenstärke zu reagieren. Zudem sollen Grenzregionen nicht explizit unterstützt werden.

von Raphaela Birrer

Steuern, Abgaben und Gebühren senken, die Emissionsabgabe abschaffen und auf die Erhöhungen der Transport- und Energiepreise verzichten: Diese und weitere Forderungen hatte die Finanzkommission des Nationalrats als Revitalisierungsprogramm für die Schweizer Wirtschaft in einer Motion zusammengefasst. Vom Nationalrat angenommen, wurde sie gestern im Rahmen einer ausserordentlichen Session zum starken Franken von der kleinen Kammer mit 24 zu 13 Stimmen abgelehnt.

«Dieser Vorstoss stellt Forderungen, die sich entweder bereits erfüllt haben oder sich in Bearbeitung befinden», begründete Sprecher Konrad Graber (CVP/LU) die Ablehnungsempfehlung seiner Kommission. Zudem stehe die Forderung nach tieferen Energiekosten im Widerspruch zur aktuellen Energiepolitik. Der Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements, Bundesrat Johann Schneider-Ammann, bekräftigte diese Bedenken. Die wesentlichen Anliegen würden bereits «mit Nachdruck» verfolgt. Hannes Germann (SVP/SH) plädierte dennoch für eine Annahme des Revitalisierungsprogramms: «Die Richtung der bundesrätlichen Massnahmen stimmt zwar, das Tempo ist aber zu langsam.»

Keine Erhöhung der Kurzarbeit
Mit 21 zu 16 Stimmen abgelehnt wurde auch eine Motion von Didier Berberat (SP/NE), die dem Bundesrat die Möglichkeit geben wollte, die Kurzarbeit auf 24 Monate zu erhöhen. Anfang 2012 wird die Maximalfrist bereits von 12 auf 18 Monate ausgedehnt. «24 Monate sind zu lang, denn Unternehmen, die sich in 18 Monaten nicht auffangen können, haben grössere strukturelle Probleme», sagte This Jenny (SVP/GL). Und Schneider-Ammann wies darauf hin, dass nur wenige Firmen in der letzten Krise auf die Kurzarbeit zurückgegriffen hatten. «Mit Worten kann man den drohenden Flächenbrand nicht löschen», begründete Roberto Zanetti (SP/SO) seine Motion, die einen Fonds zum Erhalt von exportorientierten Arbeitsplätzen forderte. Mit einem Volumen von 1,2 Milliarden Franken würde ein solcher Fonds dem Bundesrat die Möglichkeit geben, rasch zu reagieren, so Zanetti. Man habe diese Idee geprüft, sagte Schneider-Ammann, halte deren Umsetzung aber nicht für praktikabel: So sei etwa die Definition exportorientierter Unternehmen schwierig. Der Ständerat lehnte auch diesen Vorstoss mit 24 zu 10 Stimmen ab.

Massnahmen für Grenzregionen
Um den Fokus auf die Schwierigkeiten des grenznahen Gewerbes zu richten, hatte Germann im Vorfeld der Debatte eine Interpellation eingereicht, die einen Massnahmenplan für Grenzregionen forderte (siehe SN vom 20.10.2011). Sie seien von der Frankenstärke doppelt betroffen: Einerseits sei der Einkaufstourismus in Nachbarländer stark angestiegen, andererseits konkurrenzierten ausländische Unternehmen einheimische Gewerbetreibende im grenznahen Raum stark, so Germann. In seiner Antwort auf die Interpellation hält der Bundesrat fest, dass er sich der schwierigen Situation bewusst sei. Günstiger gewordene Güter aus dem Ausland sollten die Konsumenten in der Schweiz nicht über den Einkaufstourismus erreichen, sondern über den hiesigen Handel. Er verweist dabei auf die eingeleitete Kartellgesetzrevision, die dem inländischen Handel helfen soll, Querlieferungen in Händlernetzen durchzusetzen. Die Schweizer Detaillisten müssten jedoch auch bereit sein, auf andere, günstigere Marken auszuweichen.

Schwierige Definition
Gleichzeitig führte Schneider-Ammann gestern aber aus, warum nach Ansicht des Bundesrats ein Massnahmenplan explizit für das grenznahe Gewerbe kaum umzusetzen sei: «Eine Grenzregion ist schwierig zu definieren. Über 70 Prozent der Schweizer Bevölkerung können in weniger als einer Stunde im billigeren Ausland einkaufen.» Germann zeigte sich enttäuscht: «Der Bundesrat unterschätzt den Einkaufstourismus.» Sein Anliegen unterstützt hat der Tessiner CVPler Filippo Lombardi. «Im Tessin kennen wir die Problematik schon lange. Nun hat sich die Lage jüngst noch einmal verschärft», sagte er. Das Argument, wonach Grenzregionen nur schwer zu definieren seien, lässt er nicht gelten: «Eine gewisse Willkür lässt sich bei jeder Definition nicht vermeiden.» Dennoch sei er optimistisch, mit der Debatte etwas angestossen zu haben. «Ich gehe davon aus, dass sich die Situation in den Grenzgebieten Anfang 2012 weiter verschlechtert. Dann wird der Bundesrat im Zugzwang sein.» Als Standesvertreterin einer anderen Grenzregion teilt Anita Fetz (SP/BS) diese Meinung nicht: «Der Staat kann in dieser Hinsicht ausser der Kartellrechtverschärfung nicht viel machen.» Stattdessen sei der Detailhandel am Zug; er solle zu teure Marken aus dem Sortiment nehmen. Wie der Bundesrat findet auch sie die Grenzgebietsdefinition schwierig: «In einem kleinen Land wie der Schweiz ist ja fast jede Region eine Grenzregion.»

«Die Richtung der bundesrätlichen Massnahmen stimmt zwar, das Tempo ist aber zu langsam» Hannes Germann Schaffhauser SVP-Ständerat