[Schaffhauser Nachrichten] Keine Panik – Lösungen mit Augenmass

Hannes Germann Ständerat (SVP)

Der Kriegsausbruch in Europa belastet alle und drängt wichtige Geschäfte in den Hintergrund – so auch die Diskussion über unsere Neutralität und die Rolle der Schweiz im Uno-Sicherheitsrat.

Von Hannes Germann*

(KEYSTONE/Urs Flueeler)

Von einer schwer befrachteten Frühjahrssession zu reden, wäre ziemlich übertrieben. Die grossen und aufwendigen Dossiers wie etwa die Revision der beruflichen Vorsorge (BVG) sind noch nicht verhandlungsbereit; hier wird in den Kommissionen wohl noch bis zum Sommer weiterverhandelt. Der Ständerat leistet es sich deshalb, in dieser Woche auf zwei Sitzungstage zu verzichten. Persönlich nützt diese «Sparmassnahme» allerdings wenig, zumal die geplanten Meetings am Rande der beiden sessionsfreien Tage trotzdem stattfinden.

So leichtgewichtig das Programm sein mag. Die Umstände, unter denen die Eidgenössischen Räte in die erste Ratssession gestartet sind, wiegen dafür umso schwerer und belastender. Für uns alle ist der Kriegsausbruch in der Ukraine ein Schock; er macht betroffen, wütend und ohnmächtig zugleich. In Europa herrscht Krieg – wo doch gerade in der Politik der Glaube an den ewigen Frieden zum Nulltarif immer breitere Kreise erfasst hat. Doch eigentlich wüssten wir es, und die Geschichte lehrt es uns: Frieden, Freiheit und Wohlstand sind niemals gratis zu haben.

Das gilt auch für die Neutralität, die der Schweiz vom Wiener Kongress auferlegt worden ist. Sie hat nichts mit Feigheit zu tun, muss aber immer wieder neu erklärt und situativ ausgelegt werden. Das war immer so – und wird auch so bleiben. Kapriolen des Bundesrates und hitzige Diskussionen im Parlament werden daran so schnell nichts ändern. Besser wäre sicher gewesen, der Bundesrat wäre geeint aufgetreten und hätte von Anfang an Klartext gesprochen. Der missratene Salto übers Wochenende wäre ihm und uns erspart geblieben. Aber hinterher weiss man es immer besser.

Wichtiger ist nun, die richtigen Lehren aus der Tragödie zu ziehen. Unser Nachbar Deutschland will quasi aus dem Nichts die Rüstungsausgaben verdreifachen. Wie glaubwürdig diese Ankündigung ist, wird sich weisen müssen. Dies, nachdem die einst so stolze Bundeswehr in den letzten Jahren politisch geschwächt, ja fast schon an die Wand gefahren worden ist. Auch bei uns wird jetzt eine Aufstockung des Verteidigungsetats von jährlich 5 auf 7 Milliarden gefordert. Zentraler als dieser Geldsegen wäre für mich, mit der F-35-Beschaffung endlich vorwärts zu machen, damit wir wieder einen glaubwürdigen Luftschirm bekommen. Denn nur ein Haus mit intaktem Dach bietet Schutz vor dem Sturm.

Die bittere Realität des Krieges in Europa scheint bei gewissen Ideologen von SP und Grünen noch nicht wirklich angekommen zu sein. Man hält am Referendum gegen den F-35 fest, als ob nichts passiert wäre. Mehr noch. Gerade eben hat unser Parlament der Armee den Auftrag gegeben, für mehr Biodiversität zu sorgen nach dem Motto der letzten drei deutschen Verteidigungsministerinnen: grün, klimaneutral, genderkonform. Tönt alles trendy. Aber brauchen wir dafür wirklich eine Armee? Und wäre es nicht glaubwürdiger, diese Armee könnte im Ernstfall – wie er jetzt in der Ukraine eingetreten ist – ihren Auftrag erfüllen, nämlich die Neutralität durchsetzen und im Verteidigungsfall Land und Leute schützen!

Das eindrückliche landesweite Läuten der Kirchenglocken von gestern war ein starkes Zeichen gegen den Aggressionskrieg in der Ukraine und für Solidarität mit der leidgeprüften Bevölkerung. Aber vielleicht war das Glockengeläut auch ein Weckruf an uns alle, uns wieder vermehrt auf die wirklich wichtigen Werte wie Frieden, Freiheit, Unabhängigkeit, Wohlstand und soziale Gerechtigkeit zu konzentrieren. Das jedenfalls habe ich mir gestern während des (denk-)würdigen Aktes in Neuhausen am Rheinfall gewünscht.

* Hannes Germann ist Ständerat des Kantons Schaffhausen.