[Schaffhauser Nachrichten] Kommission fordert Meldestelle für Opfer im Sport

Nach wiederholten Berichten von Sportlerinnen über Misshandlungen und Mobbing in Magglingen greift die Politik durch und will eine unabhängige Meldestelle schaffen. Der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann sieht auch die Eltern in der Pflicht.

Andrea Tedeschi

BERN. Einschüchterungen, Erniedrigungen oder Misshandlungen von jungen Schweizer Gymnastinnen oder Kunstturnerinnen etwa durch ihre Trainerinnen und Trainer sollen aufhören. Die

«Das ist ein Indiz, dass die Zustände in den regionalen Leistungszentren nicht besser sind.» Hannes Germann Präsident der Sportkommission des Ständerats

Sportkommission des Ständerats (WPK) hat sich gestern mit 10 zu 3 Stimmen für eine unabhängige Meldestelle ausgesprochen für Männer und Frauen, die in Trainingslagern, in der Sportausbildung oder generell in Sportverbänden solche Missstände erfahren. Zu diesem Zweck hat die Kommission eine entsprechende Motion eingereicht. «Die jüngsten Vorwürfe haben den Ausschlag gegeben», sagte gestern Hannes Germann, Präsident der WPK und Schaffhauser Ständerat (SVP). «Denn in der Kommission mussten wir davon ausgehen, dass diese Missstände systembedingt sind.» Gestern mussten die Spitzen des Turnverbands (STV), von Swiss Olympic und des Sportdepartements (VBS) zu den schweren Vorwürfen Stellung nehmen. Germann hatte gehofft, dass auch Sportministerin Viola Amherd anwesend gewesen wäre. «Aber sie liess sich entschuldigen.»

Im System verankert

Im «Das Magazin» erzählten kürzlich acht Kunstturnerinnen und Gymnastinnen, wie sie von ihren Trainerinnen und Trainer über Jahre gedemütigt wurden – in Magglingen, wo der STV sein Leistungszentrum hat. Der Verband gehört zu den grössten Subventionsempfängern im Schweizer Sport. Die Sportlerinnen berichteten von Angst- und Essstörungen, von Depressionen und Suizidgedanken. Lisa Rusconi, 23 Jahre, Gymnastin: «Manchmal schlugen sie uns auf die Beine und Arme, kniffen uns so hart, dass ich blaue Flecken bekam.» Lynn Gerhart, 18 Jahre, Kunstturnerin: «Ich wurde fertiggemacht. Ich sei als Mensch unfähig, ich sei dumm. Man sagte mir, immer vor allen anderen: Was ich eigentlich das Gefühl hätte, wer ich sei, eine Topturnerin?!» Ariella Käslin, 33 Jahre, Kunstturnerin: «Die Ärzte wussten Bescheid, aber ich sagte immer: Sagt es nicht den Trainern, sonst krieg ich wieder auf den Deckel. Wenn es rauskam, dass ich geklagt hatte, wurde ich beschimpft.»

Bereits im Juni und zuvor hatten ehemalige Gymnastinnen in mehreren Schweizer Medien schwerwiegende Vorwürfe gegen die Cheftrainerin erhoben. Die Sportlerinnen berichteten von Schlägen, Drohungen und Trinkentzug. Daraufhin entliess der STV die Cheftrainerin und die Nationaltrainerin. «Der Lizenzentzug durch Magglingen war ein starkes Signal, aber es braucht weitergehende Massnahmen», sagte Germann. Eine der entlassenen Trainerinnen habe man daraufhin in einem regionalen Leistungszentrum wieder eingestellt. «Das ist ein Indiz dafür, dass die Zustände dort nicht besser sind.» Im Grunde seien die Verbände das Hauptproblem, also auch der STV. «Verbände haben eine hohe Autonomie und eine grosse Macht. Will eine Sportlerin an die Olympiade, kommt sie am Verband nicht vorbei», sagte Germann. Hätte das Bundesamt für Sport (Baspo) nicht früher und entschiedener intervenieren müssen? «Der Direktor Matthias Remund konnte glaubwürdig darlegen, dass sie in der Sache frühzeitig interveniert haben. Aber auch beim Baspo muss man die Lehre daraus ziehen und künftig rigoroser durchgreifen», sagte Germann. Die unabhängige Meldestelle ist ein erster Schritt. Im Auftrag des Baspo prüft Swiss Olympic seit einigen Monaten ebenfalls die Einrichtung einer nationalen und unabhängigen Meldestelle, damit Ethikverstösse angezeigt werden können. «Mit der Umsetzung der Motion werden wir die Sache weiterbegleiten, denn es braucht einen Systemwandel.» Und zwar nicht nur in den Verbänden. «Es braucht auch bei zu ehrgeizigen Eltern ein Umdenken», sagte Germann.