Ständerat Germann traf bei der Unterzeichnung des Freihandelsabkommens den starken Mann Chinas, Premierminister Li Keqiang.
Die Pressekonferenz zum frisch unterzeichneten Freihandelsabkommen (FHA) dauert länger als vorgesehen. Das Interesse ist gross, die Fragen sind zahlreich, die Antworten umfassend. So beginnt der offizielle Lunch im Beijing-Hotel mit Verspätung. Das ist für mich nicht weiter schlimm, da ich von überlangen Lunches oder Dinners ohnehin nicht besonders angetan bin. Das Personal ist blitzschnell, schon sind alle Gläser gefüllt. Der erste von sechs Gängen steht auf dem Tisch. Doch dann geschieht das Unvermeidliche. Der Reigen der in solchen Fällen obligaten Tischreden wird eröffnet. Niemand wagt es, etwas anzurühren. Handelsminister Gao erlöst die gut 100 Gäste fürs Erste, indem er das Glas auf die Freundschaft unserer Nationen erhebt.
Danach folgen jedoch drei weitere Guest-Speaker – und noch immer ist der erste von sechs Gängen nicht gegessen. Das Geklapper von Besteck und Stäbchen hätte wohl die Aufmerksamkeit schwinden lassen. Stattdessen kämpfen einige nach langem Flug und kurzem Schlaf gegen ein sanftes, aber unübersehbares Wegschlummern. Die Zeit wird langsam knapp, um halb zwei ist der Aufbruch zum nächsten Meeting angesagt. Doch kurz nach eins geht plötzlich alles Schlag auf Schlag. Es reicht bei jedem Gang die Zeit, wenigstens etwas davon zu kosten. Das liegt primär daran, dass wir Schweizer mit den Stäbchen nicht ganz so flink sind. Tatsächlich aber schafft es die Hotelcrew, das Essensprogramm just in time abzuschliessen. Chapeau! Es war dank Süppchen, Kräutern, Shrimps und Fisch gleichwohl eine leichte und bekömmliche Kost. Unter Geniessen verstehe ich freilich etwas anderes.
Treffen mit Chinas starkem Mann
Am späteren Nachmittag findet dann im kleinen Kreis das Treffen mit dem starken Mann Chinas, Premierminister Li Keqiang, statt. Die Begrüssung ist freundlich, ja geradezu herzlich. Li hat sich bei seiner ersten Auslandreise für die Schweiz als Destination ausgesprochen. Je länger er über die Schweiz spricht, desto mehr spürt man seine Bewunderung für unser eigenständiges Land im Herzen Europas. Dass man in der EU protektionistische Massnahmen gegen China verhängt hat, kommt hier gar nicht gut an. Auch wenn der Premier solches natürlich nicht direkt anspricht. Die Bewunderung der Chinesen für die Schweiz und unsere Hightechqualitätsprodukte ist überall spürbar. Genannt werden in erster Linie die Uhren aus dem Luxusgütersegment. Gemeint ist aber vor allem auch die Innovationskraft unseres Landes. Das heisst umgekehrt aber auch, dass Schweizer Technologieunternehmen auf der Hut sein müssen. Umso wichtiger ist die Stärkung von Patentschutz und Ursprungsbezeichnungen im Rahmen des Freihandelsabkommens.
Am Samstagabend schliesslich werden in verschiedenen Kategorien Swiss Awards verliehen. Hier schlägt die grosse Stunde für Ruth Metzler. Die ehemalige Bundesrätin würdigt die Leistungen von Schweizer Unternehmen in China. So beschäftigt die ABB in China rund 20 000 Menschen. Umgekehrt werden auch chinesische Unternehmen für ihre Verdienste in der Schweiz geehrt. Am Sonntag steht für mich ein eindrückliches Besuchsprogramm auf der Agenda. Der berühmte Tiananmen- Platz, Mao-Mausoleum, Halle des Volkskongresses und als Höhepunkt Besuch der Verbotenen Stadt sowie des Lama-Tempels. Während Bundesrat Schneider-Ammann mit seinem Tross nach Korea weiterfliegt, steht für uns am Abend ein Empfang zu Ehren des Vizepräsidenten des Ständerates an. So wird das genannt. Botschafter De Watteville hat nach Rücksprache mit mir eine kleine Runde von Schweizer China-Experten in seine Residenz geladen. Im vertrauten internen Kreis können wir Fragen und Probleme, die man an offiziellen Staatsanlässen nicht oder nur sehr verklausuliert anspricht, vertieft diskutiren. Ich erhalte einen ausgesprochen wertvollen Einblick in den Alltag von Schweizer Unternehmern sowie in das tägliche Leben in China. Für uns alle ist dieser Abend im kleinen Rahmen inspirierend und eine echte Bereicherung. Merci beaucoup, Monsieur l’Ambassadeur!
Überhaupt kommt dem Botschafter in einem Land eine Schlüsselrolle zu. Ich bin überzeugt, dass dieses hoch qualifizierte Netz von Diplomaten, das die Schweiz rund um den Globus hat, generell ein wichtiger Trumpf ist. Das hat auch bei der Aushandlung des FHA mit China gestochen. Der Abend ist schnell vorüber. Am Montag heisst es um kurz vor vier Uhr Tagwache, halb fünf Transfer zum Flughafen, zwei Stunden später erfolgt der Abflug. Es wird ein perfekter Flug, die Betreuung durch die Swiss lässt keine Wünsche offen. Nun bleibt zu hoffen, dass auch unser in China verschiedentlich geäusserter Wunsch, den Slot für die Swiss zwischen Ankunft und Abflug zu erweitern, auf offene Ohren stösst. Auch hier dürfen wir gespannt sein.