Doris Leuthard beweist im Bundesrat, dass sie auch eine seriöse Schafferin ist. Am besten ist sie aber nach wie vor dann, wenn es gilt, die eigene Politik in der Öffentlichkeit zu verkaufen.
von Michael Brunner
Dass Bundesräte mit Vorschusslorbeeren starten, ist zwar üblich. Aber nur wenige kamen als politische Superstars ins Amt. Bei Doris Leuhard war das vor fünfeinhalb Jahren der Fall. Als CVP-Präsidentin hatte sie die Leute schon fast verzaubert und die nicht einfach zu vermittelnde Mittepolitik für die Bevölkerung greifbar gemacht. «Wenige verstehen es so gut wie sie, die Stimmung in der Bevölkerung zu spüren und diese aufzunehmen», sagt ein politischer Gegner – halb bewundernd, halb verächtlich.
Charme und Kommunikationstalent kamen Leuthard auch als Bundesrätin nicht abhanden. Diese Stärke konnte sie vor allem auf dem internationalen Parket ausspielen. Nicht nur als Bundespräsidentin im Jahr 2010 hatte sie genügend Gelegenheit dazu. «Überall, wo wir auftauchten, löste sie Respekt, ja Bewunderung aus», sagt einer, der sie während dreier Tage in Deutschland begleitete. Sie war dabei eine ideale Werbeträgerin für die Schweiz. Gleichzeitig kamen die Auftritte auch zu Hause gut an. Denn Leuthard verströmte zwar einen gewissen Glamour, doch so wohldosiert, dass sie trotzdem irgendwie die nette Nachbarin aus dem aargauischen Merenschwand blieb.
«Atom-Doris» ist Geschichte
Natürlich blieben solche Auftritte trotzdem nicht von Spott verschont. Leuthard ergehe es wie vielen Bundespräsidenten, sagte etwa SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli: «Kaum schreiten sie über einen roten Teppich, schon halten sie sich für echte Staatspräsidenten.» Und ein Kabarettist schnödete, Leuthards Beliebtheit habe nichts mit ihrem politischen Leistungsausweis zu tun, sondern nur mit ihrem Aussehen. Verständlich, dass Leuthard solche Kritik nicht gerne hört. Und diese wird ihr auch nicht gerecht. Denn die Bundesrätin ist mehr als eine begnadete Kommunikatorin mit einem nettem Gesicht. Sie gilt im Bundeshaus als seriöse Schafferin, die ihre Dossiers kennt. Weiter werden ihr eine rasche Auffassungsgabe und Hartnäckigkeit attestiert. «Wenn man sie in der Politik gegen sich hat, ist das nicht lustig», sagte der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann einmal. Im linken Lager rechnet man ihr hoch an, dass sie, die früher als «Atom-Doris» verspottet worden war, nach Fukushima den Ausstieg aus der Nuklearenergie durchsetzte. Und das gegen massi-ven Widerstand des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse. Da habe die wirtschaftsnahe Politikerin viel Rückgrat bewiesen. Es gibt allerdings auch kritische Stimmen. «Sie hat nicht aus Einsicht so entschieden, sondern nur, weil neue Atomkraftwerke in der Bevölkerung nicht mehr mehrheitsfähig sind», sagt ein linker Parlamentarier. Insofern sei dem Atomausstieg auch nicht recht zu trauen.
Leuthard und die Bauern
Das viele Lob von verschiedener Seite kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch Leuthard im Bundesrat lange nicht alles gelang. Zunächst landete sie im wenig prestigereichen Wirtschaftsdepartement (EVD). Dort verschlief sie die Finanzmarktkrise. Noch im Oktober 2008 sagte sie, es gebe keine Anzeichen für eine Rezession. Diese krasse Fehleinschätzung wurde ihr von linker Seite immer wieder vorgeworfen. Für die Bundesrätin schwieriger als der Konflikt mit der Linken war das gespannte Verhältnis zu den Bauern. Schliesslich spielen diese in der CVP noch immer eine wichtige Rolle. Hansjörg Walter, Präsident des Bauernverbandes und SVP-Nationalrat, nimmt Leuthard zwar in Schutz: «Sie war nie die treibende Kraft hinter der Idee des Agrarfreihandels-Abkommens mit der EU.» Sie habe nur die Linie des Bundesrates korrekt vertreten. Das sieht ein anderer Bauernfunktionär kritischer, von der bäuerlichen Basis ganz zu schweigen. Der Tiefpunkt war vor gut zwei Jahren erreicht, als mili- tante Bauern die Bundesrätin bei einem Auftritt im Jura mit Stiefeln bewarfen. «Die Einbindung der Bauern ist ihr nicht gelungen», stellte die NZZ damals lapidar fest. Wohl nicht zuletzt wegen des Zwists in der Landwirtschaftspolitik und auf Wunsch der eigenen Partei wechselte Leuthard vor einem Jahr ins Umweltdepartement (Uvek). Gleichzeitig konnte sie damit ein Schlüsselressort übernehmen, was ihrem Ehrgeiz eher gerecht wird. In der steilen Karriere Leuthards geht es also weiter nach oben. Und auch wenn sie manchmal etwas verschnupft auf Kritik oder nur schon kritische Fragen reagiert, bleibt sie eine der beliebtesten Politikerinnen der Schweiz. Aber sie ragt nicht mehr so heraus wie einst. Sie wurde ein Stück weit auf Normalmass zurückgestutzt. Das spiegelt sich auch in den Wahlresultaten der kriselnden CVP. Noch 2007 profitierte die Partei stark vom «Leuthard-Effekt». 2011 konnte auch «Doris Superstar» die Partei nicht mehr vor einer herben Niederlage bewahren.
Zitat Hannes Germann: «Wenn man sie in der Politik gegen sich hat, ist das nicht lustig»