Schaffhauser Nachrichten: Mehr als nur eine Lex Shop-Ville

Heute entscheidet der Ständerat über den Sonntagsverkauf in Bahnhöfen. Die Gewerkschaften wehren sich.

von Michael Brunner

Es ist paradox: Wenn die Stimmbürger darüber abstimmen können, ob Läden auch am Sonntag offen haben sollen, dann lehnen sie dies meist ab. Umgekehrt werden die Einkaufgeschäfte an Bahnhöfen an Sonntagen rege genutzt. Bezüglich Frequentierung unerreicht ist das Shop-Ville im Zürcher Hauptbahnhof. Entsprechend gross war der Schock in Zürich, als das Bundesgericht 2002 den Betrieb empfindlich einschränkte. Ein Teil der Geschäfte im Shop-Ville, aber auch etwa am Bahnhof Winterthur, sollte am Sonntag kein Verkaufspersonal mehr anstellen dürfen. Faktisch läuft dies auf ein Ladenöffnungsverbot am Sonntag hinaus. Grund für das Verbot: Die betroffenen Geschäfte verkaufen Artikel, die keinem täglichen Bedürfnis, insbesondere der Reisenden, entsprechen. Schliesslich wurde eine Übergangsregelung geschaffen, die aber Ende 2004 ausläuft.

Erlaubnis für Zentren
Darauf wurde der Zürcher FDP-Nationalrat Rolf Hegetschweiler aktiv. Er forderte mit einer parlamentarischen Initiative, dass in Zentren des öffentlichen Verkehrs Sonntagsarbeit zu erlauben sei. Auch wenn Hegetschweiler dabei primär das Shop-Ville im Blickfeld gehabt haben dürfte, wäre diese Regelung auch für die anderen grossen Bahnhöfe gültig geworden. Es sind dies konkret Genf, Lausanne, Basel, Bern, Luzern und Winterthur. Der Vorschlag von Hegetschweiler passierte den Nationalrat.
Rasch formierte sich Widerstand gegen diese Regelung, vor allem in den Randregionen. «Es kann doch nicht sein, dass Reisende nur in grossen Zentren wie Bern oder Zürich Bedürfnisse haben dürfen», sagt dazu der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann. Vielmehr sollten Angebote auch an kleineren Bahnhöfen möglich sein, zumindest dort, wo sie bereits bestehen. Ein Beispiel dafür ist Neuhausen mit seinem Avec-Shop. Zwar ist dieser nach Meinung der meisten Juristen auch nach der aktuellen Regelung nicht gefährdet, es bleibt aber eine gewisse Rechtsunsicherheit.
Als Vertreter einer Randregion brachte Germann zusammen mit anderen diese Bedenken in die Wirtschaftskommission des Ständerats ein. Darauf wurde der Kreis der Bahnhöfe mit Verkaufsmöglichkeiten in zwei Schritten ausgeweitet: Einmal wurden die Kriterien herabgesetzt, sodass statt sieben nun rund 25 Bahnhöfe in den Genuss der neuen Bestimmung kommen dürften. Dazugehören sollte auch der Bahnhof Schaffhausen, wie Germann erklärt. Im zweiten Schritt sollen mittelgrosse Bahnhöfe wie Neuhausen wegen ihrer regionalen Bedeutung ebenfalls zum Zuge kommen. Dies allerdings nur, wenn dies die entsprechende Region wünscht. «Der betroffene Kanton und das Bahnunternehmen, also meist die SBB, müssen ein Gesuch stellen», erläutert Germann.

Details in Verordnung
Die Mehrheit der Ständeratskommission, zu der auch Germann gehört, schlägt heute dem Plenum vor, die Details auf dem Verordnungsweg regeln zu lassen. Insgesamt ist damit aus der Lex Shop-Ville eine Vorlage geworden, mit der auch die Randregionen gut leben können. Ein gut schweizerischer Kompromiss also. Trotzdem ist der Vorschlag noch lange nicht über den Berg. Die Gewerkschaften fürchten, dass via Bahnhöfe die Sonntagsarbeit generell eingeführt werden könnte. Sie haben daher bereits das Referendum angekündigt und führen heute Morgen auf dem Bundesplatz eine Kundgebung durch. Und das Stimmvolk ist, wie bereits erwähnt, Liberalisierungen bei den Ladenöffnungszeiten gegenüber eher kritisch eingestellt.