[Schaffhauser Nachrichten] Migrationspakt soll ins Parlament

Hannes Germann (SVP/SH) forderte, dass der Migrationspakt nicht unterzeichnet wird. Obwohl er mit seiner Motion scheiterte, begrüsst er, dass das Parlament über das Abkommen entscheiden soll.

Clarissa Rohrbach

Ständerat Hannes Germann (SVP/SH, rechts) scheiterte gestern mit seiner Motion zum Migrationspakt. BILD KEY
Ständerat Hannes Germann (SVP/SH, rechts) scheiterte gestern mit seiner Motion zum Migrationspakt. BILD KEY

BERN. Skepsis und eine gute Portion Unmut herrschten gestern im Ständerat. Den Grund dafür benennt Hannes Germann (SVP/SH) klipp und klar: «Der Bundesrat wollte den Migrationspakt am Parlament vorbeischmuggeln.» Es ist die Rede vom Dokument, das zurzeit in diversen Ländern heiss diskutiert wird. 23 Ziele, die für eine «sichere, geordnete und reguläre» Migration sorgen sollen. Viele Länder haben das Abkommen bereits abgelehnt, andere, wie die Schweiz, hadern damit. Eigentlich würde die Unterzeichnung in der Kompetenz des Bundesrats liegen, doch nach heftigen Diskussionen entschied sich dieser, die parlamentarische Debatte abzuwarten. Und diese verlief gestern absehbar hitzig. Schliesslich entschied sich der Ständerat mit 25 zu 15 Stimmen, beide Motionen der Aussenpolitischen sowie der Staatspolitischen Kommission anzunehmen. Diese fordern, dass die Zustimmung zum Pakt dem Parlament unterbreitet wird.

Germann, hingegen, zog den Kürzeren. In seiner Motion, die mit 22 zu 14 Stimmen bei 4 Enthaltungen abgelehnt wurde, verlangte er, dass die Schweiz bereits jetzt von einer Unterzeichnung absieht. «Ich kann mit dieser Zwischenlösung leben», sagt Germann. Das Wichtigste sei, dass über den Migra­tionspakt diskutiert werde. Der Schaffhauser sieht darin auch seinen Verdienst: Ohne seinen Vorstoss wären die beiden Motionen der Kommissionen nicht zustande gekommen. Für ihn fördert der Pakt eine uneingeschränkte, globale Migration. Besonders störend findet er den «weltfremden Geist», der hinter dem Abkommen stehe: «Migration wird als etwas ausschliesslich Positives dargestellt, dabei wissen wir alle, dass diese auch Probleme mit sich bringt.»

«Da kann ich nur den Kopf schütteln»

Germann hält den Pakt für einseitig: Es würden Forderungen an die Zielländer gestellt, etwa Ansprüche an das Gesundheitswesen und Schulungen in kultureller Sensibilität, während die Migranten zu keinerlei Pflichten angehalten seien. «Da kann ich nur den Kopf schütteln», meint Germann. Befürworter würden betonen, es handle sich beim Migrationspakt um nicht rechtlich bindende Vereinbarungen, doch schliesslich würden solche Abkommen auf politischer Ebene eben doch verpflichtend sein. Germann nennt als Beispiel der Umgang der OECD mit Steuerparadiesen. Auch hier drohe der Schweiz einen Platz auf der Schwarzen Liste, wenn sie sich nicht an die Vorgaben hält. «Natürlich soll die Schweiz international eine führende Rolle spielen, doch das kann sie auch, wenn sie nicht unterzeichnet.»

Sorgen um die internationale Reputation der Schweiz äusserten die Befürworter des Migrationspakts. So erinnerte Liliane Maury Pasquier (SP/GE) daran, dass die Schweiz sich immer in der internationalen Zusammenarbeit engagiert hat. Nicht zuletzt hat die UNO aus diesem Grund auch Missionschef Jürg Lauber als Vermittler eingesetzt. Die Schweiz, mit Genf als Sitz der UNO-Generalversammlung, müsse den Pakt unterzeichnen, um ihre Werte nicht zu verleugnen. Es waren vor allem die Vertreter der SP, die sich über die Haltung der Skeptiker ärgerten. Christian Levrat (SP/FR) erinnerte daran, dass die Kampagne gegen den Pakt europaweit von Ultrarechten organisiert wurde, auf die man jetzt auch in der Schweiz hereingefallen sei. «Schert die Schweiz aus, gibt sie ein fragwürdiges Bild ab.» Sie stelle sich damit in eine Reihe mit Trump, Orban und der AfD. Anita Fetz (SP/BS) sprach gar von einer «Dämonisierung» des Paktes, der die Gesellschaften spaltet. «Die opportunistische Mitte macht einfach mit, das ist ein grosser politischer Schaden.» Nicht nur beinhalte der Pakt Selbstverständlichkeiten, die in unserem Interesse seien, sondern es gehe auch um Menschen, die ausgebeutet würden. «Es geht nicht immer nur um uns», sagt Fetz.

Doch es ging gestern weniger um Inhalte als um Kompetenzen. Es herrschte Uneinigkeit darüber, wer genau über «Soft Law» wie der Migrationspakt entscheiden soll. Da das Abkommen nicht bindend ist, wollte der Bundesrat im Alleingang darüber beraten. Doch das gestrige Resultat zeigt: Das Parlament will mitreden. Deswegen hat der Ständerat den Bundesrat nun beauftragt, einen Bericht über die wachsende Bedeutung von «Soft Law» vorzulegen.

Nicht alle Punkte umsetzen

Schliesslich nahm Aussenminister Ignazio Cassis Stellung. Dieser betonte das Ziel des Paktes: Die irreguläre Migration zugunsten der regulären zu reduzieren. Doch obwohl der Bundesrat hinter dem Abkommen steht, habe sich dieser entschieden, nicht alle Ziele lückenlos umzusetzen. Damit ist Germann besonders zufrieden. «Der Bundesrat kann nicht einfach Punkte unterzeichnen, die nicht mit unserer Verfassung im Einklang sind.» Damit meint er vor allem die Streichung von Beiträgen für Zeitungen, die kritisch über Migration berichten. «Das steht im Widerspruch zu unserer Meinungs- und Informationsfreiheit.» Nun wird der Nationalrat am 6. Dezember seinerseits über die Vorstösse zum Migrationspakt entscheiden.