[Schaffhauser Nachrichten] Möglichst am totalen Stillstand vorbei

Der Bundesrat hat gestern die Massnahmen im Kampf gegen die Verbreitung des Coronavirus in der Schweiz nochmals drastisch verschärft. Wie beurteilen die Schaffhauser National- und Ständeräte die Situation?

Andrea Tedeschi

BERN/SCHAFFHAUSEN. Der Entscheid kam schneller als erwartet. Das Parlament teilte am Sonntagabend mit, dass die letzte Woche der Frühlingssession abgebrochen wird. Mit dem sprunghaften Anstieg übers Wochenende auf gestern 2330 Infizierte ist die Lage in der Schweiz jedoch nochmals ernster geworden. Noch am Freitagabend wollte das Parlament die letzte Sessionswoche trotz der zunehmenden Verbreitung des Coronavirus weiterführen. «Bis zum heutigen Entscheid des Bundesrates war ich der Meinung, dass die Session abgehalten werden sollte», sagt der Schaffhauser SVP-Nationalrat Thomas Hurter.

Das Parlament habe eine Vorbildfunktion und sollte zeigen, dass die Parlamentsarbeit weitergehe. «Genauso wie Ärzte und Krankenschwestern in den Spitälern auch die Stellung halten.» Ihn stört, dass das Parlament in der Krise auf Panik mache statt einen kühlen Kopf zu bewahren. Die Geschäfte des Parlaments werden nun bis auf Weiteres eingefroren und auf unbestimmte Zeit aufgeschoben. Betroffen von dieser Massnahme ist zum Beispiel der Gegenvorschlag der Konzerninitiative, aber auch der Beschluss über die Überbrückungsleistungen. «Wir haben eine Ausnahmesituation und könnten die Fristen auch verlängern», sagt die SP-Nationalrätin Martina Munz. Für sie ist auch denkbar, dass die Parlamentsmitglieder, wenn nötig, an gewissen Tagen zusammenkommen. Dies kann dann der Fall sein, wenn der Bundesrat von Notmassnahmen Gebrauch machen muss und dafür die Zustimmung des Parlaments bräuchte. Auch Hurter sagt: «Das Parlament bleibt handlungsfähig.»

Gestern hat der Bundesrat die Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung drastisch verschärft und die Lage in der Schweiz als «ausserordentlich» eingestuft. Der Appell war deutlich. «Wir brauchen eine Bevölkerung, die sich jetzt an die Massnahmen hält», sagte die Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga. Jetzt müsse ein Ruck durch unser Land gehen, um die Verbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Nur so könnten Spitäler auch weiterhin die Pflege von Schwerkranken gewährleisten, also auch die Pflege von Verletzten nach schweren Verkehrsunfällen oder die Operation von Hirntumoren. So müssen alle Läden, Restaurants, Bars, Freizeit- oder Kulturbetriebe bis zum 19. April geschlossen werden – mit Ausnahme der Lebensmittelläden, Apotheken oder Take-aways. Zur Unterstützung der Spitäler hat der Bundesrat für die Kantone ausserdem den Einsatz von bis zu 8000 Armeeangehörigen bewilligt. «Der totale Shutdown ist derzeit nicht nötig, vorausgesetzt, dass sich die Bevölkerung an die Massnahmen hält», sagte Sommaruga weiter.

Germann würde Börse schliessen

«In der aktuellen Situation ist das die richtige Entscheidung», sagt Munz. Obwohl die Krisenbewältigung des Bundes gut funktioniere und die Kommunikation angepasst erfolge, sei der Ernst der Lage bei Jugendlichen offenbar noch nicht angekommen. Sie begrüsst die Soforthilfe von 10 Milliarden des Bundes für die Wirtschaft, fordert jedoch, dass der Kanton Schaffhausen ebenfalls handelt: für die Kleinstbetriebe und Selbstständigerwerbende, die nicht profitieren. «Der Kanton muss dort einschreiten, wo die Massnahme des Bundes nicht greift.» Der Schaffhauser Regierungsrat hat sich bis gestern Montagabend noch nicht dazu geäussert. Für Hurter kommt zuerst die Gesundheit. Dann sind für ihn zwei Punkte entscheidend: «Dass wir die Krise mit einem möglichst tiefen Schaden meistern und bereits den Blick auf den Aufbau zu legen.» Die Schweiz werde das Virus irgendwann ganz bewältigen, doch der die Wirtschaft dürfe in der Krise nicht ganz runtergefahren werden. «Sonst wird es schwierig, dass sie sich wieder rasch erholt.»

Dass die Wirtschaft handlungsfähig bleibt, ist auch ein Anliegen von SVP-Ständerat Hannes Germann. «Die Börse sollte man darum schliessen, weil Spekulanten ihr Unwesen treiben», sagt er. Was jetzt abgehe sei irrational und schädlich für Unternehmen und seriöse Anleger wie auch für die Pensionskassen – und somit für uns alle. Nicht nur die wirtschaftlichen Massnahmen des Bundesrates begrüsst Germann. «Die Sicherheit der Bevölkerung hat oberste Priorität.» Jetzt sei es entscheidend, dass durch die Einschränkung der Bewegungsfreiheit das Virus eingedämmt wird. «Ich bin auch froh, dass die Armee Ressourcen bereitstellt.»

Hurter sieht in der Krise auch eine Chance für die Armee. «Auf harte Weise sehen wir einmal mehr, dass die Schweizer Armee die letzte Reserve ist für die Bevölkerung und dass es sich lohnt, dass wir diese Reserve auch behalten.» Mit dieser Krise werde die Schweiz auch geprüft, ob sie in der Lage ist, sie zu bewältigen. «Denn seit dem 2. Weltkrieg hatten wir eine solche Situation nicht mehr.»

Im Hinblick auf die eidgenössische Abstimmung vom 17. Mai sind sich die Parlamentsmitglieder einig, dass sie durchgeführt werden sollte. «Wir haben die Möglichkeit, schriftlich abzustimmen», sagt Munz. Und Hurter ergänzt: «Wir sollten versuchen, das Leben so gut wie möglich aufrechtzuhalten.»

Der parteilose Schaffhauser Ständerat Thomas Minder hat auf die schriftliche Anfrage der SN nicht reagiert.