Morgen geht die erste Session der Legislatur 2019–2023 zu Ende. Die erste persönliche Bilanz nach der Wahl des «jüngeren und grüneren» Parlaments stimmt zuversichtlich.
Von Hannes Germann*
Gross war die Spannung im Vorfeld der Legislatur: Würde das jüngere und grünere Parlament die Mehrheitsverhältnisse und damit die Politik in Bern auf den Kopf stellen? Die Antwort nach den ersten Wochen fällt deutlich aus. Nein, mitnichten. Der grüne Sturm auf den Bundesratssitz war nicht viel mehr als ein laues Lüftchen. Statt von der legendären «Nacht der langen Messer» war in den Medien die Rede von der «Nacht der toten Hose».
Vor Sessionsbeginn herrschte grosse Spannung und emsiges Treiben. Denn be-reits früh kam – nebst dem medial inszenierten Hype um Rytz – das Gerangel um die Verteilung der begehrten Kommissionssitze in Gang. Als Chef der «Gruppe V» im Ständerat kam mir dabei eine eigentliche Vermittlerrolle zu. Anders als im Nationalrat, wo die Sitze eher nach autoritärem Muster zugeteilt werden, konnten wir auf dem Verhandlungsweg sinnvolle und letztlich für alle akzeptable Lösungen finden. So eben, wie es den Gepflogenheiten im Ständerat entspricht.
Es ist aus Sicht unserer SVP-Gruppe gelungen, mit dem Pendant SP, Ständerat Daniel Jositsch, und im Einverständnis mit den Gruppenchefs von FDP und CVP einen Deal abzuschliessen, der den gegenseitigen Interessen gleichermassen Rechnung trägt. Ohne auf die Details einzugehen: Dies führt nun dazu, dass mein Schaffhauser Kollege Thomas Minder für die nächsten zwei Jahre Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission (SiK-S) wird. Mir wird die Ehre zuteil, nach dem Präsidium der Finanzkommission (FK-S) nun jenes der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur inklusive Sport (WBK-S) zu übernehmen. So kommt es zur wohl einmaligen Konstellation, dass gleich zwei Schaffhauser Ständeräte in den nächsten beiden Jahren wichtige Kommissionen präsidieren.
Die Wahlen ins Büro des Ständerates sind ohne jegliche Störmanöver verlaufen. Hans Stöckli (SP/BE) krönt mit dem Ratspräsidium seine politische Karriere im «Stöckli». Die «jungen Wilden» haben sich bisher als eher zahm erwiesen. Sie fügen sich mit Respekt und der gebotenen Zurückhaltung ein ins austarierte Gefüge des Ständerates mit all seinen speziellen Gepflogenheiten. Das ist gut so – und stärkt ihre Position längerfristig.
Bei den politischen Entscheiden stelle ich fest, dass der Ständerat eher wieder bürgerlicher tickt als auch schon. Einerseits weil es innerhalb der politischen Linken lediglich eine Verschiebung von SP zu Grünen gegeben hat. Andererseits sind einige nach links tendierende Vertreter aus den Mitteparteien durch eher bürgerlich orientierte Kräfte ersetzt worden. Damit ergibt sich zwischen Ständerat und Nationalrat eher eine Umkehr der Verhältnisse.
Das stimmt mich zuversichtlich, dass die Blockadepolitik der letzten vier Jahre wieder durch eine mehrheitsfähige Kompromisskultur ersetzt werden kann. Dies nach dem Motto: Lösungen statt Blockaden. Genau das ist es, was wir in den nächsten vier Jahren brauchen. Die Sanierung der Sozialwerke (AHV, IV, EO) sowie der beruflichen Vorsorge (Pensionskassen) wird nur gelingen, wenn man sich auf einen breiten Kompromiss von links bis rechts abstützen kann.
Das Gleiche gilt für Energie- und Umweltfragen (Klimapolitik), steigende Krankenkassenprämien, den Altersbetreuungs- und Pflegebereich. Und erst recht für die Europapolitik, wo es beim Freizügigkeitsabkommen und beim völlig inakzeptablen Rahmenabkommen einen Ausweg zu finden gilt. In diesem Sinne sind also nicht Alles-oder-nichts-Politiker oder «Abrissbirnen» gefragt, sondern Konstrukteure und Brückenbauer – was mir doch sehr entgegenkommt.
* Hannes Germann (SVP) ist Ständerat des Kantons Schaffhausen