Interview: Michael Brunner
Der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann hofft, dass das Parlament die Agrarpolitik 2011 zu Gunsten der Bauern verändert.
Herr Germann, die WTO-Verhandlungen sind im Sommer gescheitert. Was ändert das nun an der Ausgangslage für die Behandlung der Agrarpolitik 2011 im Parlament?
Hannes Germann: Die Bundesratsbotschaft zur Agrarpolitik 2011 nimmt in typisch schweizerischer Manier die weit reichenden Vorgaben der Welthandelsorganisation WTO in vorauseilendem Gehorsam vorweg. Die wichtigsten Forderungen der WTO sind allgemein weniger staatliche Beihilfe für die Landwirtschaft, und wenn schon, dann Direktzahlungen statt Marktstützung. Nun ist klar geworden, dass im Agrarbereich ein Welthandel nach dem Geschmack der WTO kaum Tatsache wird, weil ihn weltweit zu viele gar nicht wollen. Diese neue Ausgangslage erhöht unseren Spielraum bei der Ausgestaltung der Agrarpolitik 2011.
In welchen Bereichen der Agrarpolitik 2011 sehen Sie nun Spielraum?
Germann: Neu beurteilen können wir, ob die Landwirtschaft wirklich so einseitig auf Direktzahlungen ausgerichtet werden soll. Der Abbau von Marktstützungen ist als eine zentrale WTO-Forderung in die Agrarpolitik 2011 eingeflossen. Ich glaube aber nicht, dass es in einem hoch entwickelten, dicht besiedelten Land ohne weitere flankierende Massnahmen möglich ist, Landwirtschaft zu Weltmarktbedingungen zu betreiben. Denken Sie an die vielseitigen Ansprüche an die Bauern. Sie sollen auf dem teuersten Boden mit dem strengsten Tierschutzgesetz auf extensive Weise im stark zersiedelten Mittelland, in den Voralpen und Alpen zu Weltmarktpreisen produzieren und erst noch die Landschaft und die Wege für die Touristen unterhalten. Wenn wir diese multifunktionale Landwirtschaft weiterhin wollen, geht es nicht ohne Stützungsmassnahmen.
Sie sind seit rund acht Monaten Präsident der ständerätlichen Kommission für Wirtschaft und Abgaben. Ist die Agrarpolitik 2011 das komplizierteste und umstrittenste Geschäft in Ihrer Zeit als Kommissionspräsident?
Germann: Das ist im Voraus schwierig zu beurteilen. Sicher ist die Materie komplex. Aber ich denke, die Unternehmenssteuerreform II war ebenso anspruchsvoll. Um es positiv auszudrücken: Die Agrarpolitik 2011 ist ein wichtiges Geschäft – und damit eine grosse Herausforderung für die Kommission im Allgemeinen und für mich als Präsident im Speziellen.