[Schaffhauser Nachrichten] Neues Parlament, alte Grabenkämpfe

Die Schaffhauser Parlamentarier in Bern ziehen insgesamt eine positive Bilanz der ersten Hälfte der laufenden Legislaturperiode. Ob sie in zwei Jahren erneut zur Wahl ­antreten, lassen sie aber offen.

Rico Steinemann

SCHAFFHAUSEN. Die Herbstsession ist vorbei, die Hälfte der Legislaturperiode somit auch. Trotzdem sind die hiesigen Parlamentarier weiterhin in ihren Kommissionen beschäftigt, man erreicht sie jeweils am Telefon zwischen den Sitzungen. Rund zwei Jahre ist es her, als die grüne Welle während der Parlamentswahlen über die Schweiz schwappte. Das Parlament wurde grüner, jünger und weiblicher.

Der Schaffhauser SVP-Nationalrat Thomas Hurter sagt dazu: «Einerseits ist es so massiv schwieriger geworden, bürgerliche Anliegen durchzubringen. Andererseits hat sich auch gezeigt, dass die jungen Neuen gar nicht so offen sind, wie sie sagten.» Die alten Gräben würden weiterhin bestehen, was er schade finde. «Die politische Arbeit ist schwieriger geworden, auch weil die Neuen die Abläufe und die föderalistischen Strukturen zu wenig kennen.» Es sei gut und recht, dass jüngere Par­lamentarierinnen und Parlamentarier nach­rücken. Aber am Schluss komme es auf die Leistung an. «Meines Erachtens wird diese nicht überall erbracht», sagt Hurter.

Corona verdrängt viele Themen

Auf der linken Ratsseite ist die Freude über den neuen Nationalrat selbstredend etwas grösser. Martina Munz, SP-Nationalrätin aus Schaffhausen, sieht ebenfalls einige Veränderungen im Vergleich zur vorangegangenen Legislaturperiode. «Der Nationalrat ist offener und fortschrittlicher geworden. Die Debattenkultur hat sich etwas verändert. Es hat mehr Frauen, weniger Platzhirsche.» Die Unterschiede seien spürbar, aber klein, betont Munz. «Im Nationalrat gibt es gewisse Entscheide, die in der letzten Legislatur so nicht möglich gewesen wären. Zum Beispiel die restriktivere Regulierung der Rüstungsexporte. Das sind aber Nuancen.»

Was die politischen Grabenkämpfe betrifft, die ihr Ratskollege Hurter moniert, sagt Munz: «Ach, je nach Thema und Sache wird es immer Graben- oder Machtkämpfe geben. Man ist sich auch in der Sache nicht immer einig, das liegt in der Natur der Politik.» Die SP-Politikerin spricht von einem Schritt in eine nachhaltigere und sozialere Zukunft. Bremspotenzial auf dem Weg dahin orte sie momentan eher in der kleinen Kammer.

Die beiden Schaffhauser Nationalräte ziehen durchaus zufrieden Bilanz der ersten Hälfte der Legislaturperiode. Auch wenn, wie SVP-Mann Hurter betont, Corona viele Geschäfte überlagert und verzögert habe. «Das Thema ist omnipräsent.» In diesem Zusammenhang habe er zum Beispiel erreicht, dass sich der Bundesrat für eine Übergangsfrist für die bereits geimpften eingereisten Touristen ausgesprochen hat. Im Bereich Sicherheitspolitik habe er seine Ziele ebenfalls erreicht, sagt Hurter, der Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission im Nationalrat ist.

Er spricht die Erneuerung der Luftwaffe an, die Stärkung des Grenzwachtkorps und die gewonnene Abstimmung über die polizeilichen Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus. Verkehrspolitisch habe er sich beim Thema Bahnfinanzierung stark engagiert. ­Dabei seien die Fragen, ob und wie man den Bahnausbau in Zukunft finanzieren könne, im Zentrum gestanden. Ebenfalls sei es gelungen, den Nationalstrassenausbau in der Region Schaffhausen voranzutreiben.

Die SP-Politikerin Munz blickt mit Freude auf die erste Hälfte der Legislaturperiode zurück. Erstmals nimmt sie Einsitz in der Umweltkommission, was eines ihrer Ziele war. «Das ist wichtig für mich und nicht selbstverständlich. Die Warteliste innerhalb der Partei ist lang.» In der Umweltkommission gehe derzeit die Post ab. «Wir haben sehr viele Geschäfte und helfen mit, die Massnahmen zu ergreifen, die für unsere Zukunft wichtig sind.» Sie befasse sich unter anderen mit den dem neuen CO2-Gesetz, der Biodiversität und dem Gewässerschutz.

Bis zum Ende der Legislaturperiode müssen in diesen Dossiers wichtige Entscheide gefällt werden. Zurzeit sei der Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative in der Beratung, als Meilenstein auf dem Weg zum CO2-Ziel. Kernanliegen der SP sei dabei der Ersatz von fossilen Heizungen durch finanzielle Anreize, sagt Munz.

Wahlen 2023 noch kein Thema

Auf die Frage, ob sie mit einem Auge schon wieder auf die kommenden Wahlen schielen und wieder antreten, reagieren beide Politiker ausweichend. SVP-Mann Hurter sagt: «So richtig beschäftige ich mich noch nicht mit den Wahlen. Aktuell ist es wichtiger, wie wir aus der Covidkrise rauskommen und wieder ein normales Leben führen können.» Ratskollegin Munz hingegen räumt ein, dass «nach den Wahlen immer auch vor den Wahlen ist. Das ist in der Politik schon so.» Ob sie wieder antrete, sei aber noch nicht entschieden.

Der Schaffhauser Parlamentarier in der kleinen Kammer, Ständerat Hannes Germann (SVP), zieht grundsätzlich eine positive Bilanz der ersten Legislaturperiode. Seine Befürchtung, dass es nach den Wahlen aus bürgerlicher Sicht schwieriger werden könnte, Mehrheiten zu finden, habe sich nicht bestätigt. «Natürlich zeigt sich der links-grüne Einfluss im Ständerat weniger stark als im Nationalrat», räumt Germann ein.

«Aber auch im Ständerat sind die Grünen erstmals in Gruppenstärke vertreten. Vorher gab es das nicht.» Es habe sich aber ge- zeigt, dass mit konstruktiver Arbeit nach wie vor Mehrheiten gefunden werden können, die auch vom Volk akzeptiert werden, sagt Germann.

Bei der erfolgreichen Steuerreform und AHV-Finanzierung hätte damals eine starke Allianz von SP bis SVP gespielt. Sein Auftritt in der «Arena» mit SP-Frau Jacqueline Badran habe gezeigt, dass es sich lohne, Lösungen quer über die Parteigrenzen anzustreben. «Das ist auch bei der laufenden AHV-Revision notwendig. Könnte man die Negativzinsen der SNB in die AHV fliessen lassen, wäre diese Erfolgsallianz auch beim laufenden Schlüs­seldossier möglich», sagt Germann. Als Erfolge werte er die Versenkung des EU-Rahmenabkommens, den gelungenen Gegen­entwurf zu den Agrar-Initiativen oder das klare Volks­verdikt zur 99-Prozent-Initiative, so der Ständerat.

Verkehrsprojekte vorantreiben

Wie sein Parteikollege Hurter will auch Germann regionale Verkehrsprojekte weiter vorantreiben. «Das ist für die Region Schaff­hausen von grosser Bedeutung.» Sei es der Halbstundentakt nach Zürich oder an den Flughafen. Sei es der Ausbau der Verbindung nach Stuttgart oder Basel, der weiterhin nicht befriedigend sei.

Bald 20 Jahre sitzt Germann schon im Ständerat. Amtsmüde sei er noch nicht, antwortet er lachend auf die entsprechende Frage. Tritt er 2023 also wieder an? Er weicht aus: «Ich mache meine Arbeit für vier Jahre, wie ich es versprochen habe. Es ist noch zu früh, darüber zu sprechen, was danach kommt.»

Der parteilose Nationalrat Thomas Minder war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.