Schaffhauser Nachrichten: Ostschweizer wollen sich wehren

In einer konzertierten Aktion stemmen sich Ostschweizer Parlamentarier gegen eine Benachteiligung bei Bahnprojekten.

VON BENI GAFNER

Bern. Die Absicht des Bundesrats, die Westschweiz bei der ersten Etappe des Anschlusses der Ost- und der Westschweiz an das europäische Eisenbahn-Hochleistungsnetz finanziell massiv zu bevorzugen, stösst auf Widerstand. Denn gut zwei Wochen, nachdem der Bundesrat das Vernehmlassungsverfahren zu den Bahnprojekten verabschiedet hat, wird klar, dass Ost- und Westschweiz nicht gleich behandelt werden. Am Rande einer Pressekonferenz vom 10. September erklärte der Chef des Bundesamts für Verkehr, Max Friedli, den «Schaffhauser Nachrichten», die Ostschweiz könne nun zufrieden sein. Ihre Wünsche würden erfüllt. Nun stellte sich aber heraus, dass von einem Rahmenkredit von 590 Mio. Franken für eine erste Phase von Bahninvestitionen nur gerade 140 Millionen in die Ostschweiz fliessen. Aus der ersten Etappe gestrichen wurde – entgegen früher gemachten Zusagen – etwa die Einführung des Halbstundentaktes Bülach-Schaffhausen und St. Margrethen-Sargans.

Interpellationen eingereicht 
Die Ernüchterung ob dieses Umstandes ist bei den Ostschweizer Vertretern im National- und Ständerat gross. FDP-Nationalrat Gerold Bührer (hat gestern eine Interpellation ein- gereicht, die vom Bundesrat Auskunft über die Verzögerungen bei den Bahnprojekten in der Ostschweiz verlangt. Ebenfalls gestern stellte im Ständerat Hermann Bürgi (SVP/TG) kritische Fragen. Insbesondere will Bürgi wissen, ob der Bundesrat bereit sei, «in Anbetracht der krassen Benachteiligung der Ostschweiz das Vorhaben Zürich-Schaffhausen (130 Millionen), den Beitrag von 75 Millionen zur Mitfinanzierung der Elektrifizierung der Strecke Lindau-München sowie 70Mio. Franken für den Ausbau der Strecke Sargans-St.Margrethen in die erste Etappe aufzunehmen, um so die Gleichbehandlung der Ostschweiz mit der Westschweiz sicherzustellen». Bührer erinnert demgegenüber an früher gemachte Zusagen des Bundesrats, wonach eine ausgewogene Aufteilung des Kredits für die Anbindung an das Hochleistungsnetz in Aussicht gestellt wurde. Er will nun wissen, ob der Bundesrat diesbezüglich keinen Widerspruch in der nun vorgesehenen, geografisch einseitigen Aufteilung sehe und weshalb der Bundesrat bei der Zurückversetzung des Doppelspurausbaus zwischen Bülach und Schaffhausen die starke Verkehrszunahme und längere Wachstumseffekte für die betroffenen Regionen nicht stärker in Betracht ziehe. Der Bundesrat muss sodann die Frage beantworten, ob aufgrund der Bauplanung gewährleistet sei, dass die vorgesehenen Mittel zugunsten eines Bahnausbaus auf französischem Territorium überhaupt rechtzeitig eingesetzt werden können.

Vertrauen belastet 
Signal für den Ärger der Ostschweizer Volks- und Standesvertreter ist die letzte Frage im Katalog Bührers: «Kann die Landesregierung nachvollziehen, dass durch die offenkundige Benachteiligung der Nord- und der Ostschweiz im Zusammenhang mit zentralen Bahnprojekten das Vertrauen dieser Region in die Bundespolitik zunehmend belastet wird?» Den beiden Vorstössen, die von zahlreichen Ostschweizer Politikern unterzeichnet sind (unter ihnen im Ständerat auch von den Schaffhausern Peter Briner und Hannes Germann), ging vorletzte Woche eine Aussprache zwischen Gerold Bührer, Peter Briner, und Hannes Germann mit Max Friedli, dem Chef des Bundesamts für Verkehr, voraus. Friedli gelang es dabei offenbar nicht, den Eindruck zu zerstreuen, wonach Einsparungen, die aufgrund des laufenden Entlastungsprogramms des Bundesrats vorgenommen werden mussten, einseitig zulasten der Ostschweiz erfolgten. Bührer: «Ich stehe aus einer finanzpolitischen Gesamtsicht hinter dem Entlastungsprogramm. Der noch vorhandene Inhalt des Topfes kann aber nicht derart einseitig verteilt werden, wie das der Bundesrat nun vorsieht.»
Mit den beiden Vorstössen bleibt die Sache also Thema im Parlament – vorerst im Ständerat, wo über Bürgis Vorstoss voraussichtlich in der nächsten Session diskutiert wird. Zu erwarten ist parallel dazu heftige Kritik aus der Ostschweiz im Rahmen des laufenden Vernehmlassungsverfahrens. Ziel: Der Bundesrat soll noch einmal über die Bücher gehen.