
Andreas Glarner, der polarisierende Aargauer SVP-Nationalrat, hat ein Video zum Schaffhauser Impfzentrum verbreitet und damit für heftige Kritik gesorgt. Jetzt fordert ein Schaffhauser Parteikollege Glarners Rücktritt.
Andrea Tedeschi

SCHAFFHAUSEN. War das jetzt die eine Provokation zuviel?
Eine Woche ist es her, seit Andreas Glarner wieder polterte und provozierte. Der Aargauer SVP-Nationalrat teilt gerne aus und teilte diesmal ein Video mit einer Fotomontage, die über dem
Eingangstor des Impfzentrums Schaffhausen die Überschrift «Impfen macht frei» enthält – eine Anspielung auf den Satz «Arbeit macht frei», wie sie im Dritten Reich über den Eingangstoren der Konzentrationslager standen. Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund und die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus verurteilten den Vergleich. Er sei nicht nur falsch, sondern auch moralisch verwerflich.
Als zynisch und deplatziert, kritisieren den Facebookeintrag auch Parteikollegen – vom Aargau bis nach Schaffhausen. Er halte nichts davon, sagte der Schaffhauser Ständerat Hannes Germann gegenüber «Radio Munot». Parteiintern werde das aber wohl keine Diskussion auslösen. Es kam jedoch anders.
Inzwischen fordert Walter Hotz, SVP-Parlamentarier der Stadt und im Kanton Schaffhausen, indirekt den Rücktritt von Glarner aus der Parteileitung. Gegenüber den SN schreibt er, die Fotomontage sei «primitiv». Der eigentliche Skandal aber sei, dass er weiterhin ohne Konsequenzen in der Parteileitung der SVP sitze. «Was braucht es eigentlich noch für verhöhnende Parolen des Aargauer-Nationalrats, bis der SVP-Parteivorstand ein Machtwort spricht und dem Mitglied den Rücktritt aus der Parteileitung nahelegt?»
Was also ist passiert?
Glarner schadet SVP schweizweit
Nur ein paar Tage nach dem Face-bookeintrag kam Glarner die heftige Niederlage in seinem Kanton in die Quere. Der Aargau ist eine Hochburg der Volkspartei. Am vergangenen Sonntag jedoch wurden zahlreiche SVP-Gemeinderäte abgewählt, und auch in den Parlamenten der Aargauer Kleinstädte hat die Partei flächendeckend Sitze verloren. Zwar haben alle bürgerlichen Parteien an die Grünen und die Grünliberalen verloren, die SVP aber am meisten.
In der Partei ist nun ein offener Streit ausgebrochen. Hans-Ulrich Mathys, der frühere Präsident der SVP Aargau macht Andreas Glarner, der Parteichef Aargau, für die Wahlniederlage verantwortlich. In der «Aargauer Zeitung» sagte er: «Glarner zerstört unsere Partei.» Die Parteileitung gebärde sich auf eine Art und Weise, «dass sich viele Wähler von uns abwenden.» Er sei sich sicher, dass sich der Glarner-Kurs langfristig negativ auswirken werde. «Der Ton passt den Wählern nicht mehr und das dokumentieren sie an der Urne.»
Dasselbe befürchtet Walter Hotz, aber nicht nur für den Kanton Schaffhausen: «In erster Linie ist es Sache der Leute im Kanton Aargau, die Andreas Glarner gewählt haben. Er aber schadet mit seinen unwürdigen Aktionen der SVP in der ganzen Schweiz.»
Glarner ist national für seine extremen Aussagen und Handlungen bekannt. So veröffentlichte er über die sozialen Medien zum Beispiel die Telefonnummer einer Lehrerin, die einem muslimischen Kind für das Fastenbrechen freigegeben hatte. Sein Aufruf: Vielleicht «möchte jemand der Lehrerin mitteilen, was man davon hält.» Die Lehrerin musste ihre Telefonnummer sperren lassen.
Für Hotz müssen die Provokationen von Glarner aufhören. Er sagt: «Ich bin von einigen aus der Schaffhauser Bevölkerung angesprochen worden, die mit der SVP sympathisieren und die sich jetzt überlegen, eine andere Partei zu wählen.»
Weniger drastisch sehen das andere Parteimitglieder. Andrea Müller, Präsidentin der Schaffhauser SVP, sagt: «Andreas Glarner ist Vertreter der Aargauer SVP. Das Polemisieren ist nicht unser Stil.» Das findet auch der Ständerat Hannes Germann: «Glarner ist Glarner. Wir aber sind Schaffhauser. Bei uns ist das kein Thema. Wir machen Politik auf unsere Weise – mit beachtlichem Erfolg.» Sein Parteikollege, Nationalrat Thomas Hurter, möchte die Provokationen von Andreas Glarner nicht kommentieren. Er sagt lediglich: «Wenn sie im Kanton Aargau streiten, ist das ihr Problem. Ich bedaure, dass man jetzt den Fokus auf andere Kantone legt und suggeriert, dass die SVP ein Problem habe.»
Selbstkritik von Glarner
Und was sagt Andreas Glarner? Er gibt sich ungewöhnlich kleinlaut. Wenn sich bei der Analyse herausstellen sollte, dass sein Kurs die harte Arbeit der SVP-Politiker torpediere, müsse er über die Bücher, sagte er gestern in der «Aargauer Zeitung». Wenn er das Problem sei, müsse er etwas ändern, oder er müsse als Aargauer Parteipräsident gehen.
Zuerst will Glarner die Sache aber mit der Partei klären.