Schaffhauser Nachrichten: Post-Konzernchef Ulrich Gygi im Interview

Post-Konzernchef Ulrich Gygi beantwortete gestern Fragen der Schaffhauser Bevölkerung. Gleichzeitig warb er für eine rasche Liberalisierung des Postmarkts.

von Adrian Schumacher

Unter dem Titel «Die Post am Puls der Bevölkerung» führte die Schweizerische Post gestern abend in der Stahlgiesserei zum drittenmal eine regionale Impulsveranstaltung durch. Ulrich Gygi stellte sich während rund zwei Stunden den Fragen der Bevölkerung. «Uns interessiert, was Sie von der Post erwarten und wie Sie über uns denken», so Gygi. Der Post-Konzernchef war sich durchaus bewusst, dass sich unter den rund 120 Gästen nicht nur «eingefleischte Postfans» befanden. Daher nutzte er die Chance, bei der Bevölkerung aktiv für mehr Verständnis für «Anpassungen im Angebot» zu werben. «Die Post von heute ist nicht mehr die PTT von gestern», sagte Gygi zu Beginn seiner Ausführungen. «Phänomene wie Globalisierung und Liberalisierung machen auch vor uns nicht halt. Und es kommen ständig neue Kommunikationstechniken dazu, was wiederum mit einem Wandel bei den Arbeits-, Konsum- und Freizeitgewohnheiten einhergeht.» Diese Entwick- lungen hätten für die Post Konsequenzen. «Die Zahl der Briefe, Pakete und Einzahlungen sind seit Jahren rückläufig. Allein der Zahlungsverkehr hat als Folge des E-Bankings seit dem Jahr 2000 um rund 16 Prozent abgenommen.» Die schwindenden Umsätze führten letztlich dazu, dass die Post auch ihr dichtes Netz den Gegebenheiten anpassen müsse. «Die Schweizer lieben ihre Poststelle und kämpfen dafür. Gleichzeitig geben sie dort immer weniger Geld aus.» Mit einer Geschäftsstelle auf 3000 Einwohner verfüge die Schweizerische Post auch heute noch über das dichteste Netz weltweit. Das solle auch so bleiben. Zwar erziele die Post rund 80 Prozent ihres Konzernumsatzes mit Grossunternehmen und KMU, doch seien es die Privatkunden, die das Image des gelben Riesen massgeblich bestimmten. «Tragen wir ihnen nicht Sorge, wandern auch die Firmen zur Konkurrenz ab.» Das heisse indes nicht, dass die Post keine weiteren Reorganisationen durchführe. «Wir haben den politischen Auftrag, die Grundversorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Wir wollen diese Versorgung aber elastisch behalten und unser Angebot an den realen Bedürfnissen ausrichten.» Dazu gehöre es, dass gewisse Poststellen durch Agenturen in anderen Läden ersetzt würden. Die Kunden würden so auch von längeren Öffnungszeiten profitieren. Man müsse wettbewerbsfähig bleiben, sagte Gygi und warb gleichzeitig auch für eine rasche Liberalisierung des Postmarkts. «Ein ausgewogenes Postgesetz hilft, eine ausgewogene Grundversorgung sicherzustellen.» Der Konzernchef wünscht sich dabei gleich lange Spiesse für alle Mitbewerber. «Man darf die Post nicht mit einem Klumpfuss belasten.» Nebst unliebsamen regionalen Auflagen sprach Gygi damit das Bankgeschäft an. Heute werde die Post künstlich daran gehindert, ins Bankgeschäft einzusteigen. «Da wir keine Banklizenz haben, können wir heute auch keine Kredite vergeben. Das ist ein schwerer Nachteil im Finanzgeschäft.» Das kommende Jahr sei in der Frage des neuen Postgesetzes zentral, da das Monopol der Post für Briefe auf Sendungen bis 50 Gramm gesenkt werde. Er hoffe auf eine totale Liberalisierung bis zum Jahr 2011. Die Politik ihrerseits hegt ebenfalls klare Erwartungen an die Post. Regierungsrat Reto Dubach zählt das Angebot zum Service public, der entsprechend flächendeckend angeboten werden müsse. Diese Meinung teilt auch der Ständerat und Präsident des Schweizerischen Gemeindeverbandes, Hannes Germann. «Wir müssen kämpfen, damit die Post den Leistungsdruck der Kunden auch weiterhin spürt.» Angesichts der Pro-bleme bei der Liberalisierung des Strommarkts müsse man aus den Fehlern lernen. Bei der Post seien flankierende Massnahmen nötig, findet Dubach, der den Bankgelüsten skeptisch gegenübersteht. Das Publikum sah es ähnlich. In einer TED-Abstimmung beurteilte es eine rasche Liberalisierung mit 57 Prozent Nein-Stimmen eher skeptisch.