von as
Überrascht haben die vier Schaffhauser Bundesparlamentarier gestern vom Rücktritt Moritz Leuenbergers Kenntnis genommen. «Insgeheim gingen im Bundeshaus wohl alle davon aus, dass Leuenberger 2011 noch ein drittes Mal als Bundespräsident amtieren wird», bringt es Ständerat Hannes Germann (SVP) auf den Punkt. Der Zeitpunkt sei indes richtig gewählt, findet Germanns Parteikollege und Nationalrat Thomas Hurter. «Zum einen ist Leuenberger schon viel zu lange im Amt, zum anderen stehen in seinem Departement in naher Zukunft bedeutende Entscheidungen an.» Ständerat Peter Briner (FDP) findet am Rücktrittstermin keinen Gefallen. «Ein gewählter Magistrat sollte bis zum Ende der Legislatur im Amt bleiben, falls nicht gesundheitliche oder familiäre Probleme auftreten.»
Gelassenheit ausgestrahlt
Briner zieht trotzdem ein wohlwollendes Fazit aus Leuenbergers Wirken. «Er hat der Hektik des Politalltags getrotzt und die grossen Linien der Politik nicht aus den Augen verloren. Mit seiner philosophischen Sicht der Dinge hob er sich deutlich vom Rest der Regierung ab. Im Tagesgeschäft seines Departements wies Leuenberger bisweilen Kenntnislücken auf.» Weniger gnädig fällt das Urteil von Thomas Hurter aus. «Man hatte das Gefühl, dass Leuenberger in letzter Zeit amtsmüde geworden ist. Witze zu reissen schien ihm wichtiger als das Lösen von politischen Problemen.» Dieser Sicht widerspricht SP-Nationalrat Hans-Jürg Fehr vehement. «Leuenbergers Leistungsausweis ist beeindruckend. Man denke nur an die Neat. Zudem steht sein Name für den Einstieg in eine ökologische Steuerreform. In den letzten Jahren hat sich Leuenberger zudem in Fragen der Energiepolitik äusserst verdient gemacht.»
Hans-Jürg Fehr erwägt Kandidatur
Es sei nun an der SP, mögliche Namen für die Leuenberger-Nachfolge im Bundesrat zu präsentieren. Die Regeln der Konkordanz stellt keiner der Schaffhauser Bundesparlamentarier in Frage. Der Anspruch der SVP auf eine Doppelvertretung im Bundesrat sei zwar legitim, findet Hannes Germann. Dennoch sei es nicht angebracht, der zweitstärksten Partei einen Sitz abjagen zu wollen. Hans-Jürg Fehr sieht im frühen Rücktritt Leuenbergers eine Chance für mögliche Nachfolger. «So erhält jedermann ausreichend Zeit, sich über allfällige eigene Ambitionen Gedanken zu machen.» Es liege in erster Linie an den Kantonalparteien, Kandidaten zu portieren. Gestern Abend bestätigte der 62-Jährige, dass er in den kommenden Wochen beim Velofahren in Deutschland über eine eigene Kandidatur nachdenken werde. «Ein Sitz im Bundesrat war bis anhin nie mein erklärtes Ziel», so Fehr gegenüber den SN. «Ernsthafte Gedanken darüber macht man sich ohnehin erst, wenn sich die Möglichkeit ergibt. Alles andere sind Sandkastenspiele.» Hinter Fehrs möglicher Kandidatur steht SP-Kantonalpräsidentin Martina Munz. Sie hatte den Nationalrat gestern per Mail angefragt.