[Schaffhauser Nachrichten] Rückweisung als Rettung vor dem Absturz

Hannes Germann, Staenderat SVP-SH, portraitiert am 9. Dezember 2019 in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)

Bei der Revision der beruflichen Vorsorge (BVG), unserer zweiten Säule, ist Augenmass gefragt. Darum ist die Rückweisung an die Kommission ein unschöner, aber wohl weiser Entscheid.

Von Hannes Germann*

Forum Reform der beruflichen Vorsorge
Ein Kameramann filmt waehrend der Debatte um die BVG-Reform, waehrend der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 7. Dezember 2021, im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)

Das Ergebnis der gestrigen Debatte um das BVG führte zu ziemlich grosser Ernüchterung im Ständerat. Die Kommission für soziale Vorsorge und Gesundheit (SGK-S) hat nämlich einen Vorschlag in den Rat gebracht, der selbst nach Ansicht eines Grossteils dieser Mehrheit viel zu teuer war. Das hat sich allerdings erst nach den Beratungen in der SGK-S gezeigt. Also hat ein Kommissionsmitglied in letzter Minute einen offensichtlich günstigeren Konzeptvorschlag vorgelegt. Die Krux: Er ist in der SGK-S nicht vorberaten worden.

Aufgrund dieser Tatsachen hat dann die Ratsmehrheit aus absolut nachvollzieh­baren Gründen einem Rückweisungs­antrag zugestimmt. Damit hat die SGK-S zwar einen Denkzettel bekommen. Immerhin hat sie aber auch die Chance, die notwendigen Schwerpunkte zu verschieben.

Das Ziel der BVG-Revision ist unbestrittenermassen die Sicherung der zweiten Säule, die gefährdet ist. Einerseits wegen der Demografie. Die Menschen werden immer älter. Mehr Altersjahre ergeben längere Renten, was wiederum den Druck auf das Sparkapital erhöht. Im Jahr 2019 hatten Männer bei der Geburt eine Lebenserwartung von 81,9 Jahren, die Frauen von 85,6 Jahren. Allein seit 2009 erhöhte sich die Lebenserwartung um 2,1 Jahre bei den Männern bzw. um 1,2 Jahre bei den Frauen. Was grundsätzlich positiv ist, bedeutet für die Vorsorgewerke einen längeren Rentenbezug ab Pensionsalter 64 bei Frauen und 65 bei Männern.

Andererseits wegen der Verzinsung. Wir haben heute im Obligatorium einen Umwandlungssatz von 6,8 Prozent. Das heisst, für 100 000 Franken Alterskapital gibt es eine BVG-Rente von 6800 Franken pro Jahr. Dieser Satz beinhaltet bei der heutigen Lebenserwartung eine Verzinsung von 4,8 Prozent. Das heisst: Langfristig müssen die Kassen eine Verzinsung, eine Rendite von 4,8 Prozent erreichen. Wird das Renditeziel nicht erreicht, kommt es zur Umverteilung.

Nach neusten offiziellen Zahlen sind zwischen 2014 und 2021 insgesamt 45,3 Milliarden Franken von den aktiven Ver­sicherten zu den Rentenbeziehenden umverteilt wurden. Das sind durchschnittlich 5,7 Milliarden Franken pro Jahr. Hier tickt eine sozialpolitische Zeitbombe. Es muss gelingen, die Generationengerechtigkeit wiederherzustellen.

Die Senkung des Umwandlungssatzes im Obligatorium soll von der Wirkung her hinterfragt werden. Sie reduziert die jährlichen Pensionierungsverluste der Pensionskassen um lediglich 400 Millionen Franken pro Jahr. Das bedeutet im Endeffekt, dass der Reduktion der Umverteilung pro Jahr nun viel höhere Rentenzuschläge gegenübergestellt werden, nämlich beim Bundesrat 29,7 Milliarden, nach Version der SGK-S-Mehrheit 25,2 Milliarden, beim Nationalrat 9,1 Milliarden. Die Höhe der Rentenzuschläge ist völlig ausser Pro­portion verglichen mit der Höhe der Rentenverluste durch die Umwandlungs­satz­senkung. Denn von der Senkung des Umwandlungssatzes sind weniger als 14 Prozent der BVG-Versicherten betroffen, also nur jeder siebte Neurentner, aber 80 Prozent sollen von Rentenzuschlägen profitieren. Damit wird die Umverteilung noch grösser.

Statt viel Zeit zu versäumen, müssen wir uns im nächsten Quartal auf Verbesserungen für Menschen im Tieflohnbereich ­sowie mit Mehrfachbeschäftigungen, oftmals Frauen, konzentrieren. Auch sie sollen im Alter zusätzlich zur AHV eine existenzsichernde Rente erhalten. Aber die ­Reform muss auch für Wirtschaft und Gewerbe verkraftbar sein.

* Hannes Germann ist Schaffhauser SVP-Ständerat.