Schaffhauser Nachrichten: Schaffhauser Banken fühlen sich sicher

Von Jan Hudec und Rolf Fehlmann

Im Steuerstreit mit den USA haben die Schaffhauser Banken nach eigenen Angaben nichts zu befürchten. Derweil macht der Nationalrat Druck auf den Bundesrat.

Schaffhausen/Bern Die Finanzmarktaufsicht geht von 100 Banken aus, die von den USA bestraft werden könnten. Darunter sind längst nicht nur grosse Institute. Wie aber sieht es mit den Banken in Schaffhausen aus? Müssen sie die US-Justiz fürchten? «Für unsere Bank besteht null Gefährdungspotenzial», sagt der Präsident der Ersparniskasse Schaffhausen und Ständerat Hannes Germann. Sie betreuten zwar US-Kunden, hätten dabei aber besondere Vorsicht walten lassen. «Und wir haben definitiv keine US-Kunden der UBS übernommen.» Auch die Raiffeisenbank Schaffhausen habe keine Kunden von anderen Banken angenommen, versichert Daniel Brüschweiler, Vorsitzender der Geschäftsleitung. Von den rund «zwei Handvoll» Kunden, die als «US Persons» gälten, habe man nach sorgfältiger Abklärung lediglich die Inhaber eines BVG-Freizügigkeitskontos oder einer Hypothek auf einer Liegenschaft in unserer Region behalten. Die Clientis BS Bank Schaffhausen habe sich nicht nur von den wenigen Kunden in den USA getrennt, sondern sich auch von externen Vermögensverwaltern verabschiedet, die mit «US Persons» arbeiteten, sagt Hansjörg Diller, Vorsitzender der Geschäftsleitung. In Schaffhausen scheint man den Steuerstreit also aus sicherer Warte zu verfolgen.

Nationalrat will mehr Informationen

Derweil hat der Nationalrat gestern beschlossen, das Gesetz zur Lösung des Steuerstreits mit den USA nur zu behandeln, wenn er zusätzliche Informationen vom Bundesrat erhält. SP und SVP hatten ihre Kräfte vereint, um diese Forderung durchzusetzen. Die Mitteparteien hatten davor gewarnt, das Geschäft zu verzögern. Bis heute Donnerstag haben die Fraktionen Zeit, ihre Fragen zum Steuerstreitgesetz zu formulieren. Diese will die Wirtschaftskommission des Nationalrats dann an den Bundesrat weiterleiten. Das Finanzdepartement teilte mit, man werde alles daran se

«Druck auf Bundesrat»

Vergeblich wetterte der Zuger SVP-Nationalrat Thomas Aeschi gestern über den Bundesrat, der sich von den Amerikanern vorschreiben lasse, was er den Parlamentariern vorlegen dürfe und was nicht: Das Gesetz zur Lösung des Steuerstreits mit den USA bleibt vorläufig auf der Traktandenliste des Parlaments. Der Nationalrat lehnte Aeschis Ordnungsantrag auf Verschiebung mit 64 zu 57 Stimmen ab.

Das Resultat kam zustande, weil sich die Grünliberalen im Unterschied zu CVP und FDP nicht der Stimme enthielten, sondern den SVP-Antrag ablehnten – und so der Alternative aus den Reihen der SP zu einem Etappensieg verhalfen. Überraschend schaffte dieser Antrag von Susanne Leuten- egger Oberholzer (SP/BL) dank der geschlossenen Unterstützung der SVP sowie Abweichlern bei CVP und Grünen den Zieleinlauf: Mit 100 zu 90 Stimmen bei 4 Enthaltungen sprach sich der Rat dafür aus, das Geschäft so lange auf Eis zu legen, bis mehr Informationen über das US-Programm für die Schweizer Banken bekannt sind. Geht es nach Leutenegger Oberholzer, entscheidet die nationalrätliche Wirtschaftskommission (WAK), ob die Dringlichkeit des Geschäfts gegeben ist. «Wir wollen Druck auf den Bundesrat machen, damit er uns mehr Informationen gibt.» Die US-Justiz bietet den Schweizer Banken ein Programm zur Selbstanzeige an, informiert über dessen Inhalt aber erst, wenn das eidgenössische Parlament das dafür nötige Spezialgesetz gutgeheissen hat. Mit ihrem Informationsbedürfnis ist Leutenegger Oberholzer nicht allein. Bloss: Der Bundesrat hat bisher klar gesagt, dass er nicht mehr Informationen liefern kann. Die Tragweite des Entscheids wurde gestern denn weitherum belächelt. Er sei «für die Füchse», sagte FDP-Chef Philipp Müller. CVP-Fraktionschef Urs Schwaller griff zu einem Vergleich aus dem Sport: Der Ball sei in die Ecke geschossen worden, konkret ändere sich nichts. Leutenegger Oberholzer erteile der zuständigen Kommission den Auftrag, ein Geschäft detailliert abzuklären und die notwendigen Fragen zu stellen. «Das aber ist doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit für eine Kommission.» In diesem Sinne äussert sich auch Mark Stucki, der Sprecher der Parlamentsdienste. Der Antrag habe keinen Einfluss auf den Ablauf im Parlament. Leutenegger-Oberholzer verteidigt das Vorgehen als Verstärkung des Auftrags; die Kommission müsse nun materiell abklären, was mit den USA abgemacht sei, welche Fristen gälten und welches die Konsequenzen für den Schweizer Finanzplatz seien. Gleich im Anschluss an die Ratsdebatte hielten die Dossierverantwortlichen gestern Mittag eine Kommissionssitzung ab. Die Fraktionen fassten dabei den Auftrag, bis heute Donnerstag ihre Fragen an den Bundesrat zu formulieren, die dieser bis nächsten Montag schriftlich beantworten soll. WAK-Präsident und CVP-Chef Christophe Darbellay sagte nach der Sitzung, man werde nun schauen, welche Zusatzinformationen zu erhalten seien. Allerdings hätte die Kommission dies so oder so gemacht. Anhören will Darbellay vor allem auch die Kantone, vorab die Finanzdirektoren von Zürich und Basel, deren Kantonalbanken im Fokus der US-Justiz sind, sowie den Präsidenten der Finanzdirektorenkonferenz, Peter Hegglin (ZG). Zudem verlangt Darbellay «endlich Klarheit» von den sich widersprechenden Banken, ob sie «diesen Deal nun wollen oder nicht». Schliesslich gehöre er nicht zu jenen, die andere «zum Glück zwingen».

Furcht vor unheiliger Allianz

SVP-Chef Toni Brunner interpretierte das Ja zum SP-Antrag gestern faktisch als «Abtraktandierungsentscheid» im Sinne der SVP, und FDP-Fraktionschefin Gabi Huber befürchtet eine unheilige Allianz von SVP und SP, die das Geschäft zum Absturz bringt. Bei der CVP und den Grünen erkennt man darin gerade umgekehrt ein Einschwenken der SP auf ein Ja zum Steuerdeal. Leutenegger Oberholzer selbst schloss gestern ein Ja der SP «zum heutigen Zeitpunkt» aus, aber nicht, «wenn der Untergang der ‹Titanic› für die Schweiz ein reelles Szenario ist». Mit dieser Frage befasst sich schon heute die WAK des Ständerats. Am Abend ist ein Treffen mit Eveline Widmer-Schlumpf traktandiert.

Bern/Schaffhausen «Alle Kantonal- und wohl auch fast alle regionalen Banken haben US-Kunden, schliesslich arbeiten allein in den internationalen Firmen viele sogenannte ‹US-Persons›, gerade auch in unserer Region», sagt Hannes Germann, Präsident der Ersparniskasse Schaffhausen. Sie alle haben ein Anrecht auf eine reguläre Bankverbindung. «Natürlich sind wir aber bei US-Kunden besonders vorsichtig.» Jeder Kunde müsse ein sogenanntes W9-Formular ausfüllen, das via Finma an die US-Steuerbehörden geht. Damit legt der Kunde seine Bankbeziehung gegenüber dem US-Fiskus offen. «Dieses Verfahren haben wir bei allen unseren US-Kunden eingehalten. Für uns gibt es deshalb null Gefährdungspotenzial», so Germann, «den fragwürdigen Steuerdeal mit den USA brauchen wir nicht.» Ohnehin entspreche er einem einseitigen Diktat der US-Behörden und sei unseres souveränen Rechtsstaates unwürdig.

Und hat die Ersparniskasse Kunden von UBS übernommen? «Wir haben definitiv keine US-Kunden der UBS übernommen», sagt Germann. Wir haben aber in jedem Fall unsere Sorgfaltspflicht wahrgenommen und halten alle Vorgaben der Finma strikt ein – und das ist für uns entscheidend.» Eine absolute Sicherheit könne es aber für keine Bank geben, da gerade vermögende Kunden oftmals über mehrere Bankkonten in verschiedenen Ländern verfügten. Die Raiffeisenbank Schaffhausen habe rund «zwei Handvoll» Kunden gehabt, die als «US Persons» gelten, so Daniel Brüschweiler, Vorsitzender der Bankleitung. «Das waren alles ausgewanderte Schweizer.» Von diesen Kunden habe man «lediglich diejenigen Personen behalten, die bei uns entweder ein Freizügigkeitskonto für ihre berufliche Vorsorge oder eine Hypothek auf einer Liegenschaft in unserer Region» hätten. Von allen anderen Kunden habe man sich vor gut einem Jahr getrennt. Expats in der Schweiz, die als «US Persons» gelten, könne Raiffeisen nicht mehr als Kunden akzeptieren. Ganz so weit geht die Clientis BS Bank Schaffhausen nicht, wie Hansjörg Diller, Vorsitzender der Geschäftsleitung, sagt: «‹US-Persons› mit Schweizer Domizil können bei der Clientis BS Bank für die Dauer ihres Aufenthaltes ein Konto mit eingeschränkten Dienstleistungen eröffnen. Wir prüfen jeden einzelnen Fall genau, und die Geschäftsleitung muss zustimmen.» Von den wenigen Kunden der Bank in den USA habe man sich getrennt: «Aktuell haben wir noch einen Festhypothekenkunden, für den wir bis Ende des Jahres eine Lösung finden müssen.» (jhu./rf.)

Ob eine natürliche Person in den USA steuerpflichtig ist und damit gegenüber den US-Steuerbehörden als «US Person» gilt, hängt nicht nur davon ab, ob diese Person in den USA wohnt oder den amerikanischen Pass besitzt. Als «US Persons» können zum Beispiel auch Personen mit doppelter oder mehrfacher Staatsbürgerschaft gelten, Besitzer einer Green Card oder Erben eines US-Nachlasses. Hinzu kommt die komplizierte Bedingung der «Substanziellen Anwesenheit» in den USA, die im Wesentlichen rund 183 Tage im Jahr betragen muss – wobei es auch hier Ausnahmen gibt  (rf.)