Zwei Sitze, vier Parteien, fünf Kandidaten und drei Verlierer. Dies ist, in aller Kürze, die Ausgangslage für die Ständeratswahlen im Kanton Schaffhausen am 23. Oktober. Wer zu den Gewinnern gehören wird, wer zu den Verlierern, war gestern Abend am Wahlauftakt der «Schaffhauser Nachrichten» nicht leicht zu eruieren.
von Zeno Geisseler
Bei allen Unterschieden zeigten die Kandidaten doch viele Gemeinsamkeiten. Das Niveau der Diskussion war hoch, bei keinem Kandidaten hatte man den Eindruck, dass er der Aufgabe nicht gewachsen wäre. Und: Alle zeigten eine hohe Bereitschaft, sich für die Gemeinschaft und den Kanton in Bern einzusetzen, auch wenn es in der konkreten Ausgestaltung und im Selbstverständnis der Aufgabe selbstverständlich grosse Unterschiede gab. Der Gesprächsleiter, SN-Chefredaktor Norbert Neininger, gab zu Beginn der Debatte jedem Kandidaten kurz Zeit, seine Motivation für das Amt vorzustellen. Den Anfang machte SVP-Ständerat Hannes Germann, der seit neun Jahren in Bern sitzt. «Ich spüre ein breites Vertrauen in der Bevölkerung. Das trägt mich», sagte er. In den vielen Jahren in Bern habe er sich ein breites Netzwerk erarbeitet. Dieses komme immer zum Zug, wenn es gelte, die Interessen des Kantons in Bern anzubringen. SP-Kandidat und Kantonsrat Matthias Freivogel betonte, dass er sich seit zwanzig Jahren für den Kanton Schaffhausen einsetze. «Dieser Kanton liegt mir am Herzen», sagte er. Er habe zum Beispiel bei Themen wie der Steuergesetzrevision (also der steuerlichen Attraktivierung des Kantons) und der Stärkung der Wirtschaftsförderung bewiesen, dass er sich für den Kanton starkmache. FDP-Kandidat (und Kantonsratspräsident) Christian Heydecker sagte, dass er seit 15 Jahren politisch tätig sei, zuerst auf Gemeindeebene (als Gemeinderat in Barzheim), seit über zehn Jahren auch im Kantonsparlament. «Ich bin ein Homo poli-ticus.» Als Ständerat müsse man einen guten Draht zur Kantonsregierung haben, was bei ihm der Fall sei. Dann war die Reihe an Thomas Minder. Der Neuhauser Unternehmer und Vater der Abzocker-Initiative hatte erst am letzten Samstag seine Kandidatur bekannt gegeben. Er unterstrich, dass er als Parteiloser ins Rennen gehe. «Ich habe keine Interessenverbindungen, keine Mandate», sagte er. Zudem sei er, als Unternehmer mit einem KMU-Betrieb, der einzige wirkliche Vertreter der Wirtschaft. Mit seiner Abzocker-Initiative habe er bewiesen, dass man in Bern auch ohne Partei im Rücken viel erreichen könne. Herbert Bühl von der ÖBS machte den Schluss. «Als ehemaliger Regierungsrat und heutiger Präsident der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission kenne ich den Politbetrieb in Bern sehr gut», sagte er. Er könne insbesondere bei Themen wie der Entsorgung radioaktiver Abfälle wichtige Beiträge leisten. Mit kritischen Bemerkungen lockte Neininger die Bewerber aus der Defensive und zwang sie immer wieder, Farbe zu bekennen. Zu Thomas Minder etwa sagte er, er habe sich doch zuerst gegen eine Kandidatur entschieden, jetzt komme er aber doch. «Es war kein einfacher Entscheid», sagte Minder. «Es ist schwierig, beide Seiten, das Unternehmertum und die Politik, unter einen Hut zu bringen.» Was er sich vornehme, das mache er mit Leidenschaft, es gebe keine Halbbatzigkeiten. Die Kandidatur Minders mochten nicht alle Teilnehmer auf dem Podium kommentieren. FDP-Kandidat Heydecker etwa meinte, der Kandidat müsse für sich selbst sprechen. Wesentlich sei aus seiner Sicht aber, dass die beiden Ständeräte am gleichen Strick zögen – zum Wohle des Kantons. Er implizierte, dass dies mit Minder nicht möglich sei.
Die Atomfrage
Das zweite grosse Thema der Debatte war die Atomfrage. Einerseits, ob und wann die Schweiz aus der Atomenergie aussteigen soll, und andererseits, was mit den radioaktiven Abfällen geschehen soll. Im Grundsatz waren sich alle Kandidaten einig, dass sich die Schweiz früher oder später von der Kernenergie verabschieden müsse. Doch über das Wann und Wie gab es grosse Unterschiede. FDP-Mann Heydecker etwa meinte, entscheidend sei eine sichere und günstige Stromversorgung – das sei ohne Kernkraftwerke heute einfach nicht möglich. «Ich habe grosse Hoffnungen in die Geothermie», sagte Heydecker, «aber die Technik ist einfach noch nicht ausgereift.» Das gehe noch einige Jahrzehnte. Grosse Unterschiede gab es beim Problem der Entsorgung radioaktiver Abfälle. Thomas Minder und Hannes Germann machten sich für eine Lösung im Ausland stark, auch wenn das heute gesetzlich noch nicht erlaubt sei. «Aber Gesetze kann man ändern», sagte Germann. Bühl entgegnete aber, dass niemand im Ausland auf den Schweizer Abfall gewartet habe: «Auch im Ausland haben sie Gesetze gegen den Import von radioaktiven Abfällen», sagte er. Vorstellbar sei höchstens ein exterritoriales Gebiet unter der Aufsicht der UNO.
Wer mit wem gut kann
Interessant war schliesslich, mit wem sich die Kandidaten vorstellen könnten, gemeinsam nach Bern zu fahren. Christian Heydecker meinte, am liebsten wäre ihm Hannes Germann. Dieser antwortete in gleichem Sinne, betonte aber, dass auf dem Podium fünf valable Kandidaten seien. Zusammenarbeit sei in jeder Kombination das Gebot der Stunde. «Gerade für einen kleinen Kanton gibt es nichts Schlimmeres, als wenn sich die Delegation nicht verträgt.» Einen interessanten Blickwinkel brachte SP-Mann Freivogel in die Diskussion: Er würde es zwar mit jedem gut können. «Aber es ist doch erstaunlich, wie die Bürgerlichen ihre Doppelvertretung immer mit der ungeteilten Standesstimme begründen.» Dieser Anspruch sei eigentlich nicht berechtigt, denn fast die Hälfte des Kantons wähle gar nicht bürgerlich. Bühl wiederum meinte, die Hauptsache sei, dass beide lösungsorientiert seien. Thomas Minder hingegen wollte zu seinen Präferenzen gar keine Aussage machen. Es sei eigentlich irrelevant, wen er bevorzuge. Es sei einzig Sache des Volks, die Zweierdelegation zu bestimmen.