Schaffhauser Nachrichten: Schlappe für Dubach und die FDP

Bei den Ständeratswahlen wurden die beiden Bisherigen, Hannes Germann (SVP) und Thomas Minder (parteilos), im ersten Wahlgang wiedergewählt. Reto Dubach (FDP) landete auf dem letzten Platz hinter Walter Vogelsanger (SP).

Von Saskia Baumgartner

Regen prasselt auf die Pflastersteine, dunkle Wolken hängen am Himmel. Am Schaffhauser Regierungsgebäude ist im zweiten Stock ein Fenster geöffnet, das hinausscheinende Licht ist ein gelber Farbklecks im grauen Schaffhausen am gestrigen Wahlsonntag.

Im Saal selbst herrscht um die Mittagszeit bereits grosse Verblüffung über die sich abzeichnende Entscheidung im ersten Wahlgang – und zwar vor allem unter den rund ein Dutzend Journalisten. Kandidaten sind noch keine vor Ort, einzelne Parteimitglieder schauen gebannt auf die Leinwand.

Die Zwischenergebnisse, die um 12.23 Uhr auf dieser abzulesen sind, zeichnen eine eindeutige Tendenz ab. 13 von 26 Gemeinden sind bereits ausgezählt, die bisherigen Ständeräte liegen dabei vorne: Hannes Germann (SVP) mit deutlichem Vorsprung auf Platz eins, gefolgt von Thomas Minder (parteilos). Abgeschlagen dahinter auf Platz drei landet Walter Vogelsanger (SP), die wenigsten Stimmen hat Reto Dubach (FDP). Das absolute Mehr wäre zu diesem Zeitpunkt von beiden amtierenden Ständeräten erreicht, ein zweiter Wahlgang hinfällig.

12.25 Uhr: Das Telefon klingelt. Eine weitere Gemeinde gibt ihre Ergebnisse durch. Heinz Forster von der Staatskanzlei nimmt sie entgegen und tippt sie in den Computer.

Stadtrat Daniel Preisig (SVP) betritt den Raum und gesellt sich zu weiteren, gut gelaunten SVP-Politikern. Ein «Spannend, gell?» ist zu hören. Claudio Kuster, Thomas Minders Wahlkampfleiter, setzt sich auf einen der Stühle vor der Leinwand und lehnt sich entspannt zurück.

Derweil geht Beat Hedinger, Direktor von Schaffhauserland Tourismus, im hinteren Teil des Regierungsratssaals auf und ab. Die Ergebnisse des Tourismusgesetzes werden zeitgleich mit der Ständeratswahl erwartet. Anders als beim Ständerat ist hier das Ergebnis bis zuletzt offen.

«Ah, Schaffhausen», tönt es im Saal. Um 12.47 Uhr liegen die Ergebnisse der Kantonshauptstadt vor. Die 22 661 Stimmen verteilen sich nach dem Muster der anderen, bereits ausgezählten Gemeinden. Einzig auffällig: Minder erreicht in Schaffhausen das absolute Mehr nicht. In den meisten anderen Gemeinden ist dies jedoch der Fall.

Um 13.14 sind 25 der 26 Gemeinden ausgezählt, nur Stein am Rhein fehlt noch. Der Raum hat sich inzwischen etwas mit Politikern gefüllt. Als Reto Dubach erscheint, wird es ruhiger im Saal. Kameramänner umringen den FDP-Regierungsrat, der leise mit Wahlkampfleiter Thomas Hauser und Stadtrat Raphaël Rohner spricht.

Wenige Minuten später ist auch Stein am Rhein ausgezählt und das Ergebnis amtlich: Hannes Germann und Thomas Minder werden mit 20 747 und 13 733 Stimmen wiedergewählt. Walter Vogelsanger erreicht 7952 Stimmen, Reto Dubach 7731.

Um 13.39 Uhr kommt Hannes Germann ins Gebäude, lächelt, nimmt Glückwünsche entgegen. Wenig später erscheint auch Walter Vogelsanger, ebenfalls mit einem Lächeln im Gesicht. Wo bleibt Thomas Minder? Es heisst, er sei am Brunchen mit Freunden. Um 14 Uhr hat es aufgehört zu regnen, am Himmel reissen die Wolken langsam auf.

Als Reto Dubach erscheint, wird es ruhiger im Saal. Kameramänner umringen den FDP-Regierungsrat.

Reaktionen Germann spricht von historischem Ergebnis, Dubach zeigt sich überrascht

«Dass es schwierig wird, war mir klar, aber das Ausmass dieser Niederlage überrascht mich trotzdem», sagt der geschlagene FDP-Ständeratskandidat Reto Dubach. Es sei traditionell nicht einfach, einen bisherigen Ständerat abzulösen, wenn dieser wieder zur Wahl antrete, so Dubach weiter. Er vermutet denn auch, dass sich die Wähler der SVP vor allem um ihren eigenen Kandidaten gekümmert haben. Die Hoffnung, dass er bis ins linke Lager hinein würde Stimmen holen können, habe sich aber auch zerschlagen. Er gratuliert Thomas Minder trotzdem zu seiner Wiederwahl und hält fest, dass viele Wählerinnen und Wähler ganz bewusst einen Politiker im Amt bestätigt hätten, der gerne sage, gegen das Etablishment zu kämpfen. «Dieses Image des Volkshelden scheint dazu zu führen, dass er viele Stimmen erhält und gut mobilisieren kann», so Dubach. Konsequenzen aus dieser Niederlage werde er mit Blick auf sein Amt als Regierungsrat vorerst keine ziehen, meint Dubach weiter.(fr)

Obwohl auch Walter Vogelsanger den Sprung ins Stöckli nicht geschafft hat, fühlt er sich nach Bekanntgabe des Wahlresultats nicht als Verlierer. Immerhin galt der SP-Ständeratskandidat als Aussenseiter, am Ende aber konnte er gar mehr Stimmen holen als Minders schärfster Herausforderer Reto Dubach. In Feierlaune war Vogelsanger aber trotzdem nicht: «Ich habe gehofft, es in den zweiten Wahlgang zu schaffen – das derart gute Abschneiden von Thomas Minder hat mich überrascht», sagt Vogelsanger. Er vermutet vor allem Minders Bisherigen-Bonus als Grund für dessen Wiederwahl im ersten Wahlgang. «Ich bin nicht der Meinung, dass er starke Positionen vertreten hat», so Vogelsanger. Gerade für SP-Wähler sei es wichtig gewesen, nebst Germann, Minder und Dubach auch noch eine linke Alternative zu haben. «Und mit knapp 8000 Stimmen konnte meine Partei bei den Ständeratswahlen klar einen Achtungserfolg erzielen», so Vogelsanger.(fr)

Seine Wiederwahl ist nicht überraschend, sehr wohl aber das überaus deutliche Ergebnis des SVP-Magistraten. So konnte Hannes Germann 20 747 Stimmen holen und damit den zweitplatzierten Thomas Minder weit hinter sich lassen. Darauf angesprochen, zeigt sich Germann überrascht: «Ich wäre schon zufrieden gewesen, wenn ich die 15 000 Stimmen von der letzten Wahl hätte bestätigen können. Mit diesem Ergebnis habe ich hingegen überhaupt nicht gerechnet.» Hinter dem fast schon historischen Erfolg, wie er seine deutliche Wiederwahl bezeichnet, vermutet Germann sein Jahr als Präsident des Ständerates. «Ich konnte unseren Kanton sowohl national als auch international gut repräsentieren – das hat mir sicher geholfen», so Germann. Ob dieses Ergebnis seine Partei davon überzeugen kann, ihn als Bundesrat vorzuschlagen, weiss er nicht: «Das ist am Ende eine Frage, welche die Parteistrategen beantworten werden», soGermann.(fr)

«Ich habe auch mit einem zweiten Wahlgang gerechnet», sagte Thomas Minder gestern Nachmittag im Radio-Munot-Interview. Schliesslich, so Minder, habe er starke Kontrahenten gehabt – mit Dubach und Vogelsanger immerhin einen Regierungsrat und einen Kantonsrat. Dass er bereits im ersten Wahlgang die Wiederwahl geschafft habe, freue ihn umso mehr. 13 733 Stimmen erreichte der parteilose Unternehmer und lag somit mehr als 500 Stimmen über dem absoluten Mehr von 13 195. Seinen Erfolg erklärt sich Minder folgendermassen: «Ich habe einen transparenten Wahlkampf gemacht.» Nicht zuletzt durch seine halbseitigen Wahlkampfinserate hätten sich die Wähler ein Bild davon machen können, wie er über Europapolitik, Asylpolitik oder ökologische Themen denke. «Dieses Mal konnte der Bürger mich sehr gut einordnen», so Minder. Vor vier Jahren sei das noch nicht der Fall gewesen. 2011 wurde Minder im zweiten Wahlgang in den Ständerat gewählt.(sba)

Kommentar

Minder macht in der ersten Runde alles klar

Thomas Minder stehe vor einem «Mega-Flop», orakelte der «Blick» vor der Wahl; sein «Glanz sei etwas verblasst», schrieb zurückhaltender die NZZ. Das Gegenteil ist wahr: Bereits im ersten Wahlgang hat der parteilose Schaffhauser Ständerat sehr souverän die Wiederwahl geschafft, zusammen mit dem – vollkommen zu Recht – überaus deutlich bestätigten Hannes Germann von der SVP. Kein Zweifel: Das Schaffhauservolk setzt im Ständerat auf Kontinuität statt auf Erneuerung. Minder, der von keiner Partei und keinem Verband offiziell getragen wurde, hat in den Augen der Mehrheit der Wähler nichts von seiner Strahlkraft eingebüsst. Die Vorwürfe seiner Gegner, dass er in Bern zu wenig für Schaffhausen bewirke und vor allem für sich selbst schaue, haben beim Volk offensichtlich nicht verfangen.

Der Mann mit dem «Mega-Flop» ist denn auch ein anderer: FDP-Regierungsrat Reto Dubach. Er kassierte an seinem 59. Geburtstag eine Ohrfeige und landete auf dem letzten Platz. Dubach holte sogar noch weniger Stimmen als vor vier Jahren der umstrittene FDP-Kandidat Christian Heydecker, dabei waren es in dieser Runde nur vier Kandidierende und nicht fünf wie im Jahr 2011. Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn es einen zweiten Wahlgang gegeben hätte, SP-Mann Walter Vogelsanger nicht mehr angetreten wäre und die linken Stimmen an Dubach gegangen wären. Aber solche Überlegungen sind Makulatur. Dubachs Berner Karriere ist vorbei, bevor sie angefangen hat. Aussenseiter Vogelsanger hingegen ist im Aufwind: Er hat zwar die Ständeratswahl verloren, aber dass er sich noch vor Dubach einreihen konnte, macht ihn in der SP zu einem der «Papabili» für die Regierungsratswahlen im kommenden Jahr.

Ständeratswahlen Resultate auf einen Blick

Gewählt

Hannes Germann (SVP): 20 747

Thomas Minder (parteilos): 13 733

Nicht gewählt

Walter Vogelsanger (SP): 7952

Reto Dubach (FDP): 7731

Vereinzelte: 2 616

Total der Stimmen: 52 779

Absolutes Mehr: 13 195

Stimmbeteiligung: 68 %