Die Ständeräte sind sich einig: Der Bundesrat konnte nicht mehr anders, als das Bankgeheimnis zu lockern. Die Schuldfrage beurteilen sie kontrovers.
von Michael Brunner
Für einmal war der Ständerat schneller als der Nationalrat: Bereits gestern führte er eine Debatte zum Bankgeheimnis, die grosse Kammer ist erst heute an der Reihe. Zu entscheiden gab es im Ständerat dabei zwar nichts. Der Bundesrat beschloss alleine, dass künftig gegenüber dem Ausland nicht mehr zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung unterschieden werden soll. Aber die Ratsmitglieder nützten die Debatte, um zu diskutieren, wer schuld daran ist, dass die Schweiz in den letzten Wochen zusammen mit anderen Finanzplätzen in eine ungemütliche Situation geraten ist. Dabei standen folgende Akteure in der Kritik: Der Bundesrat: Die Hauptschuld, da waren sich viele Ständeräte einig, trifft die Landesregierung. «Der Bundesrat hätte mehr als zehn Jahre Zeit gehabt, einen solchen Entscheid sorgfältig vorzubereiten», sagte die Berner SP-Ständerätin Simonetta Sommaruga. Andere Ständeräte verteidigten das Zuwarten der Regierung. Der Zuger FDP-Ständerat Rolf Schweiger erinnerte in Anspielung an den Indianervergleich des deutschen Finanzministers Peer Steinbrück an Westernfilme: «Wer sich zuerst bewegt, wird getötet.»
Die Parteien: «Auch wir haben es verpasst, eine geeinte Front gegen die diversen Angriffe auf das Bankgeheimnis aufzubauen», sagte der Luzerner CVP-Ständerat Konrad Graber. Anstatt geeint aufzutreten, habe praktisch jede Partei ihr eigenes Süppchen gekocht. Die Gerichte: Kritisiert wurde auch, dass das Amtshilfeverfahren im Fall USA-UBS zu lange gedauert habe. Damit stehen indirekt auch die Schweizer Gerichte am Pranger. Der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann zeigte sich enttäuscht. Damit habe kein Tatbeweis der Schweizer Kooperationsbereitschaft erbracht werden können. Die UBS: Die Schweizer Grossbank habe mit ihren Machenschaften in den USA die Schweiz in grösste Schwierigkeiten gebracht. «Die Bank hat durch ihr Vorgehen in Amerika einen Hasen aufgescheucht, der in der Folge nicht mehr einzufangen war», sagte der Schaffhauser FDP-Ständerat Peter Briner. Die OECD: Wenig Begeisterung herrschte im Ständerat darüber, dass sich die OECD von Mitgliedsländern habe einspannen lassen und eine Liste mit Steueroasen verfasst habe. Der Thurgauer CVP-Ständerat Philipp Stähelin will daher die Sistierung der Schweizer Mitgliedschaft prüfen. Die «befreundeten» Staaten: Empört zeigten sich verschiedene Ständeräte darüber, dass die Schweiz von Ländern angegriffen werde, die sich sonst gerne als Freunde bezeichneten. Der Aargauer SVP-Ständerat Maximilian Reimann kritisierte den deutschen Finanzminister Steinbrück als «ungehobelten Kerl». Darüber hinaus war von einem «Wirtschaftskrieg» oder sogar einem «Kreuzzug unter dem Vorwand der Moral» (Bruno Frick CVP/SZ) die Rede. Relativ wenig war hingegen zur Zukunft des Schweizer Finanzplatzes zu erfahren. Als Minimalkonsens kristallisierte sich lediglich heraus, dass sich auch andere bisherige Steueroasen wie die Kanalinseln an die Spielregeln halten müssten. Und der Freiburger CVP-Ständerat Urs Schwaller dürfte allen aus dem Herzen gesprochen haben. Er forderte den Bundesrat auf, dafür zu sorgen, «dass die Schweiz nicht mehr wie ein Tanzbär vorgeführt wird».