Schaffhauser Nachrichten: Schweiz auf der Seite der Ja-Sager

Bis jetzt hat sich die offizielle Schweiz im Nahostkonflikt um eine klare Haltung gedrückt. Nun will sich der Bundesrat bei den Vereinten Nationen für die Palästinenser einsetzen – und gleich-zeitig neutral bleiben.

Von Andri Rostetter

Nun also doch: Der Bundesrat will der Aufwertung des Status der Palästinenser zum UNO-Beobachterstaat definitiv zustimmen. Das gab Aussenminister Didier Burkhalter gestern bekannt. Den Beschluss gefasst hatte der Bundesrat zwar bereits an seiner Sitzung vom 21. November. Weil aber der Entscheid der Aussenpolitischen Kommission des Ständerats noch ausstand, gab der Bundesrat seine Position erst gestern bekannt.

Die Kommission hatte Burkhalter empfohlen, sich bei der Abstimmung in der UNO-Generalversammlung der Stimme zu enthalten. Begründung: Eine Enthaltung erlaube es der Schweiz, im Nahostkonflikt ihre «aktive Vermittlerrolle besser und zielgerichteter» wahrzunehmen. «Auf keinen Fall soll der Anschein erweckt werden, die Schweiz stehe einer Partei näher», sagte Kommissionspräsident Hannes Germann (SVP/SH) gestern vor den Medien in Bern.

Weiter vorgewagt

Der Bundesrat zeigt sich in dieser Frage deutlich weniger besorgt. Die Schweiz werde sowohl von den Palästinensern als auch von den Israeli als unabhängige Akteurin wahrgenommen. Ein Ja zur Aufwertung des Status der Palästinenser in der UNO habe darauf keine Auswirkung. Zudem dürfe man den Einfluss der Schweiz im Nahostkonflikt nicht überschätzen, sagte Burkhalter. Was die Neutralitätspolitik betrifft, kann sich Burkhalter auf die offizielle Definition des Bundes berufen: Gemäss Neutralitätsbericht von 1993 bezieht sich die Neutralität der Schweiz nicht auf die Anerkennung von Staaten – und damit auch nicht auf die Aufwertung der palästinensischen Vertretung zum UNO-Beobachterstaat. Tatsächlich hat sich der Bundesrat mit seiner gestrigen Ankündigung in der Nahost-Politik deutlich weiter vorgewagt als in der jüngsten Vergangenheit. Vor einem Jahr wollten die Palästinenser Vollmitglied der UNO werden. Weil die USA ihr Veto ankündigten, musste die Schweiz damals gar keine Stellung beziehen. Und als Palästinenserpräsident Mahmud Abbas im vergangenen September ankündigte, einen Antrag auf eine Aufnahme als Beobachterstaat einzureichen, schwieg der Bundesrat eisern.

«Politik der Kolonisierung»

Umso überraschender waren Burkhalters deutliche Worte beim gestrigen Auftritt. Er sprach von einer fortschreitenden «Politik der Kolonisierung» in Nahost sowie einer Zwei- staatenlösung «auf der Intensivstation». Inhaltlich folgt der Bundesrat allerdings seiner bisherigen Linie – oder konkreter: der Genfer Initiative, die 2003 unter der Schirmherrschaft der Schweiz ausgearbeitet wurde. Die Initiative schlägt ein Abkommen zwischen Israel und den Palästinensern vor mit gegenseitiger Anerkennung des Rechts auf zwei getrennte Staaten. Der Bundesrat erhofft sich von einer Aufwertung der Palästinenser zum Beobachterstaat «neue Impulse» für die Friedensverhandlung und damit für die Zweistaatenlösung. Die Abstimmung in der UNO-Vollversammlung in New York findet voraussichtlich in der Nacht auf morgen statt. Aus Sicht des Bundesrates würde ein Ja zur Aufwertung der Palästinenser die beiden Konfliktparteien gleichstellen.

20 Millionen für Palästinenser

Die Schweiz pflegt bereits heute bilaterale Beziehungen mit der Palästinensischen Autonomiebehörde. Sie unterstützt die Palästinenser über diverse Organisationen jährlich mit 20 Millionen Franken. Weitere 5 Millionen fliessen in die Friedensförderung in der Region. 2006 hatte sich die Schweiz mit Erfolg für die Aufnahme der palästinensischen Roten Halbmondgesellschaft in die Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung starkgemacht.