Schaffhauser Nachrichten: Schweiz soll nicht Hochpreisinsel bleiben

Basler Wirte kaufen billigeres Coca-Cola im Ausland ein – was der Getränkeriese zu verhindern versucht. Der Ständerat will die Position der Wirte und aller anderen betroffenen Händler mit einem gesetzlichen Lieferzwang für Unternehmen stärken. Nun ist der Nationalrat an der Reihe.

Von Marina Winder

Bern «In Coca-Cola steckt mehr Schweiz, als man denkt», verkündete die Coca-Cola Company im Frühling und lancierte eine grosse Werbekampagne. Ein Schweizer Kreuz prangte fortan auf den abgebildeten Colafläschchen in Zeitungsinseraten und Plakaten. 90 Prozent ihrer in der Schweiz verkauften Getränke würden hier hergestellt, 95 Prozent der Zutaten stammten von lokalen Lieferanten, liess der Getränkeriese verlautbaren.

Dieser jähe Anfall von Swissness kam nicht von ungefähr. Er war die Reaktion auf einen langen Streit mit Schweizer Wirten – und vor allem auf die jüngste politische Entwicklung.

100 000 Flaschen umetikettiert

Schon lange befindet sich die Coca-Cola Company im Clinch mit dem Basler Wirteverband. Dieser hatte im letzten Jahr 100 000 Flaschen Coca-Cola und Carlsberg-Bier im Ausland bestellt, umetikettiert und an die Wirte verteilt. Im Frühling dieses Jahres wollte der Wirteverband Verträge mit ausländischen Abfüllern abschliessen und das koffeinhaltige Getränk direkt importieren. Das Argument der Wirte: Sie wollen beim grenznahen Wettbewerb mithalten können. Der Kaufkraftabfluss aus der Schweizer Gastronomie nach Deutschland sei insbesondere im grenznahen Basel enorm, klagen sie. Als die angefragten Abfüller in Österreich und Frankreich nicht auf die Anfrage aus der Schweiz reagierten, zeigte der Wirteverband sie im April dieses Jahres bei der Wettbewerbskommission (Weko) an. Schon im Jahr zuvor hatte er aus demselben Grund den deutschen Abfüller angezeigt.

Ständerat will Lieferzwang

Im März dieses Jahres nahm sich der Ständerat im Rahmen der Kartellgesetzrevision dieses Problems an – und stellte sich überraschenderweise auf die Seite der Wirte. Mit deutlicher Mehrheit – 25 zu 12 Stimmen bei 3 Enthaltungen – verankerte er einen Artikel im Kartellgesetz, der dem Gebaren der Coca-Cola Company ein Ende setzen würde. Ein Unternehmen, das eine bestimmte Marktmacht hat und sich weigert, einem Schweizer Kunden ein Produkt zu liefern, das es im Ausland günstiger anbietet als in der Schweiz, soll sich nach dem Willen des Ständerates künftig strafbar machen. Er will damit verhindern, dass die Schweiz eine Hochpreisinsel bleibt. Dem Entscheid war eine emotionale Debatte vorausgegangen. «Weil Preisdifferenzierungen nach Kundengruppen zum täglichen Wirtschaftsleben gehören, wäre das ein Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit», sagte Konrad Graber (CVP/LU). Anita Fetz (SP/BS) widersprach ihm: «Ein Kartellgesetz hat nicht die Aufgabe, die Vertrags- und Wirtschaftsfreiheit zu schützen, sondern den Wettbewerb.» Schweizer Konsumenten dürften im Ausland billiger einkaufen, nicht aber die Detailhändler und die KMU. Diese Akteure seien vor den überhöhten Importpreisen zu schützen. Fetz: «Die Weko selber hat immer gesagt, sie könne nur gegen Preis- und Lieferabsprachen ausländischer Grosskonzerne vorgehen, wenn sie eine gesetzliche Grundlage bekomme.»

Weko mit Kavallerie ausrüsten

«Wie wollen Sie die Weko dazu bringen, dass sie das im Ausland – beispielsweise in Deutschland – durchsetzen kann? Wollen Sie sie mit einer Kavallerie ausrüsten? Das ist ein Ding der Unmöglichkeit», entgegnete Graber. Die Weko müsse sich vor allem gegen die Schweizer Alleinimporteure wenden, sagte Fetz. «Zur Not wäre diese Bestimmung aber auch im Ausland durchsetzbar. Das hat die Praxis der Weko in den Fällen von Volkswagen, Elmex und Nikon schon gezeigt.»

Druck auf die Löhne

Hannes Germann (SVP/SH) doppelte nach: «Parallelimporte zeitigen zwar durchaus Wirkung, aber es reicht eben nicht aus. Gerade internationale Konsumgüterhersteller halten den Graumarkt dank eigener Vertriebskanäle möglichst klein. Dann werden häufig faktische Knebelverträge wie im Fall der Basler Wirte angewendet.» Der Bundesrat ist gegen den Zwang für ausländische Unternehmen, nach ausländischen Konditionen liefern zu müssen. Das widerspreche der Verfassung und sei im Ausland nicht durchsetzbar, begründete Johann Schneider-Ammann seine Haltung vor der kleinen Kammer. Sorgen macht sich auch die St. Galler Ständerätin Karin Keller-Sutter (FDP). Die Lieferanten würden sich überlegen, ob sie sich dem Risiko der neuen Regel aussetzen möchten. Eine Ausweichmöglichkeit würde im Verzicht auf inländische Verteilstätten bestehen, warnt sie. Auch weist Keller-Sutter darauf hin, dass die hohen Preise in der Schweiz in direktem Zusammenhang mit den hohen Löhnen stünden. «Ich möchte eigentlich, dass das Lohnniveau in der Schweiz hoch bleibt.»

Offene Ohren im Nationalrat

Morgen Dienstag setzt sich die Wirtschaftskommission des Nationalrats mit dem Kartellgesetz auseinander. Der Nationalrat wird voraussichtlich in der Herbstsession über das Geschäft beraten. Das Anliegen der Wirte und anderer Detailhändler dürfte bei ihm auf offene Ohren stossen. Immerhin hatte er eine Motion angenommen, die dasselbe wollte wie das, was der Ständerat im März beschlossen hatte.