[Schaffhauser Nachrichten] Sessionsforum: Zum Rahmenabkommen mit der EU

ARCHIV -- ZUM TAGESGESCHAEFT DER FRUEHJAHRSSESSION AM MITTWOCH, 13. MAERZ 2019, STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES THEMENBILD ZUR VERFUEGUNG -- A hoisted EU and Swiss flag fly in the wind in Zuerich, Switzerland, on May 18, 2015. (KEYSTONE/Gaetan Bally) Eine gehisste EU und Schweizer Fahne flattern im Wind, aufgenommen am 18. Mai 2015 in Zuerich. (KEYSTONE/Gaetan Bally)

Nicht einknicken, nicht die Tür zuschlagen

Der Schatten des Institutionellen Abkommens Schweiz-EU (InstA) war in der Frühjahrssession omnipräsent. Meine klare Forderung: Es braucht Nachverhandlungen mit der EU.

Von Hannes Germann*

Hüben wie drüben ist man sich in den Eidgenössischen Räten mit Blick auf das sogenannte Institutionelle Abkommen zwischen der Schweiz und der EU nur in einem einig: Das InstA ist ein Akronym, das eher an Instantkaffee erinnert, die sofort lösliche Alternative zur früheren Filterkaffeebrühe … Derartige Abkürzungen haben es in sich: Alle wissen zwar, wofür Marken wie «Unimog» (geländegängige Fahrzeuge) oder «Aldi» (Harddiscounter) stehen, nicht aber unbedingt, was sie bedeuten. Beim ­InstA ist es gerade umgekehrt. Wofür es steht, ist klar: nämlich für die Übernahme künftiger Rechtsentwicklungen der EU durch die Schweiz im Bereich der fünf Marktzugangsabkommen zur EU – und bei allen weiteren (Strom, Dienstleistungen oder Erneuerung des Freihandelsabkommens von 1972).

Im Gegensatz dazu stehen die Interpretation des Inhalts und dessen Auswirkungen auf unser Land. So haben verschiedene Kommissionen vor und während der Session Hearings mit Professoren und anderen Experten durchgeführt, zuletzt die Wirtschaftskommission des Ständerats (WAK-S), der ich angehöre. Dabei drehen sich die Auslegungsfragen im Wesentlichen um die folgenden Bereiche: flankierende Massnahmen zum Lohnschutz, die drohende Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie, die staatlichen Beihilfen und die Streitbeilegung.

Inzwischen ist allen klar, dass die Auslegung von EU-Recht letztlich nur durch den EuGH erfolgen kann. Dessen Rechtsaus­legung ist für das paritätisch zusammengesetzte Schiedsgericht bindend. Das Schiedsgericht ist damit nicht der erwünschte Hoffnungsträger für die Schweiz.

Richtig teuer kämen Kantonen und Gemeinden die Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie der EU (UBEU) zu stehen. Sie steht zwar im Raum, wird aber im InstA nicht erwähnt, weil man sich offensichtlich nicht einigen konnte. Die UBEU würde ­indes zu einer massiven Ausdehnung des Anspruchs auf Sozialhilfe führen. Zum Glück verlangt hier die Konferenz der Kantonsregierungen eine Klarstellung respektive einen expliziten Ausschluss der Unionsbürgerrechtslinie.

Weitere Fragezeichen gibt es bei den staatlichen Beihilfen (Wirtschaftsförderung, kantonale Steuerhoheit, Staatsgarantie für Kantonalbanken usw.). Hier gilt es in einem Katalog festzuhalten, was aus unserer Sicht ausgeschlossen bleiben muss. Das Pièce de résistance sind die im Entsendegesetz verankerten flankierenden Massnahmen, die sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmende vor Lohndumping schützen. Baumeisterverband wie Gewerkschaften fordern hier explizit, keine Zugeständnisse zu machen. Wird die bewährte ­Sozialpartnerschaft in unserem Land ausgehebelt und bleibt der Lohnschutz nicht gewährleistet, hat das InstA beim Volk nicht den Hauch einer Chance.

Darum steht für mich fest: Wir müssen nachverhandeln. Als Befürworter eines vernünftigen bilateralen Wegs sowie Vertreter des Erfolgsmodells Schweiz und vor allem des exportorientierten Kantons Schaffhausen ist klar: Wir dürfen jetzt weder einknicken noch der EU die Türe zuschlagen, sondern wir müssen uns nochmals an den Tisch setzen. Persönlich bin ich vom Erfolg von Nachverhandlungen überzeugt.

Übrigens: Das Akronym des inzwischen auch im Schweizer Markt sehr erfolgreichen «Aldi» geht auf die jeweils ersten Buchstaben der Gründerfamilie Albrecht und den Begriff Discount zurück. Der Name «Unimog» kommt von «Universal-Motor-Gerät». Das Vehikel erinnert an ein schwerfälliges und kaum steuerbares Ungetüm und somit an Brüssel und die rund 140 bilateralen Verträge mit der EU.

* Hannes Germann ist Schaffhauser Ständerat (SVP)

«Das Schieds­gericht ist nicht der erwünschte Hoffnungsträger für die Schweiz.»