Die Aufhebung des Mindestkurses brachte der Nationalbank (SNB) nicht nur Kritik aus der Wirtschaft ein. Auch Politiker halten sich damit nicht zurück. Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer verlangt gar eine SNB-Reform.
Von Richard Clavadetscher
BERN Kritik am Mindestkursentscheid der SNB kommt dieser Tage insbesondere von linker Seite – dezidiert etwa von Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL), Vizepräsidentin der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) ihres Rates. Die Politikerin mahnt «eine Reform» insbesondere bei der Entscheidungsfindung der SNB an: «Es ist eine unmögliche Situation, dass drei Männer einsam im Hinterzimmer solch weitreichende Entscheide treffen.» Dies sei «ein überholtes Modell in einer immer komplexeren Wirtschaft».
Breitere Abstützung
Leutenegger Oberholzer sagt, sie habe zwar «auch keine pfannenfertige Lösung», aber es gehe nicht an, dass «ein personell so eng aufgestelltes Gremium» einsame Entscheide fälle, die derart weitreichende volkswirtschaft-liche Effekte hätten und die die Politik hernach auszubaden habe. Die notwendige Optimierung habe mindestens folgende vier Punkte zu berücksichtigen: Das Entscheidungsgremium der SNB müsse «höchst qualifiziert und genügend gross» sein, weil global so weitreichende Entscheidungen, wie sie mit der Aufhebung des Mindestkurses gefällt worden seien, «unter Einbezug verschiedener Meinungen und Beachtung auch der volkswirtschaftlichen Aspekte gefällt werden müssen». Zweitens sei zwingend zu beachten, dass der Bundesrat vor einem solchen Entscheid auch tatsächlich konsultiert werde – wie dies Artikel 7 Absatz 1 des SNB- Gesetzes eigentlich vorsehe. Zudem seien bei SNB-Entscheiden grundsätzlich auch die volkswirtschaftlichen Auswirkungen zu beachten – mehr, als dies heute geschehe. Und schliesslich müssten die Protokolle der massgebenden SNB-Sitzungen einsehbar sein, um die Entscheide nachvollziehen zu können.
«Vorbild Greenspan»
Weil eine Entscheidung der SNB «in einer global vernetzten Welt weltweite Konsequenzen» habe, sei eine Diskussion über die Entscheidungsfindung der SNB gerechtfertigt, so Leutenegger Oberholzer. Sie kritisiert zudem die Art, wie die SNB die Aufhebung des Mindestkurses kommuniziert hat. Diese halte sich immer noch an das Vorbild des früheren US-Zentralbankchefs Alan Greenspan: verwedelnde Desinformation vor einem Entscheid – statt die Kommunikation als Steuerungsinstrument einzusetzen wie heute allgemein üblich. Mindestens in diesem Punkt steht Leutenegger Oberholzer nicht allein. Auch Ständerat Hannes Germann (SVP/SH), Mitglied der WAK seines Rates, ist der Meinung, bei der Aufhebung des Mindestkurses sei «die Kommunikation suboptimal» verlaufen. Weiterer Kritik mag Germann aber nicht zustimmen. Die SNB sei unabhängig, und sie müsse es bleiben. Dies sei einer ihrer Erfolgspfeiler. Auch habe sie «ein ausgezeichnetes Direktorium», das sich auf sehr qualifizierte Mitarbeitende stützen könne. Es gehe insbesondere nicht an, die SNB zu verpolitisieren. Nationalrat Andrea Caroni (FDP/AR), WAK-Mitglied wie Leutenegger Oberholzer, zerpflückt gar ihre Forderungen: Kommunikation auf dieser Ebene sei nun mal schwierig. Dies merke man etwa dann, wenn der Schuss mal nach hinten losgehe. Caroni erinnert an die Pressekonferenz der DDR zur Reisefreiheit im Jahre 1989, wo sich nach Günter Schabowskis Ankündigung sogleich Heerscharen zum Westbesuch aufmachten. Als unabhängige Institution sei die SNB auch nicht zu verpflichten, den Bundesrat erst zu fragen, bevor sie handle. In der Kritik an der Grösse des Entscheidungsgremiums wiederum sieht Caroni «eine subtile Beleidigung der Amtsinhaber». Er sehe keinen Grund für eine Änderung, «wenn dies mit drei Personen zu bewältigen ist». Auch der Einsicht ins Protokoll von Sitzungen gewinnt Caroni nichts Positives ab: Das gehe auf Kosten der unbefangenen Äusserung. Nicht umsonst seien Sitzungsprotokolle des Bundesrates und der parlamentarischen Kommissionen nicht einsehbar. Kein Verständnis hat er ferner für die Forderung, die SNB müsse mehr auf volkswirtschaftliche Erfordernisse abstellen bei den Entscheiden: «Sie macht doch nichts anderes.»
«Keine Fesseln für die SNB»
Auf dieser Linie argumentiert auch Markus Ritter (CVP/SG), ebenfalls WAK-Kollege Leutenegger Oberholzers. Er spricht sich zudem «gegen jede Vermischung von SNB und Politik» aus: «Wir Politiker haben unsere Ziele, die SNB hat ihre. Es ist zu akzeptieren, dass sie nicht immer deckungsgleich sind.» Aus seiner Sicht wäre es falsch, «wenn der SNB politische Fesseln angelegt würden».