Wie verhindert man Misshandlungen im Sport? Für die ständerätliche Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur und ihren Präsidenten, den Schaffhauser Hannes Germann, ist klar: mit einer unabhängigen Meldestelle. Ein Teil des Rats bezweifelt den Nutzen aber.
Dario Muffler
BERN. Die Wellen, welche die Magglingen-Protokolle schlugen, waren gross. Ende Oktober veröffentlichte das «Magazin» des «Tages-Anzeigers» erschütternde Berichte von mehreren jungen Kaderathletinnen aus dem Kunstturnen und der rhythmischen Sportgymnastik. Infolge des medialen Drucks entliess der Schweizerische Turnverband führende Personen. Wenige Tage später reagierte auch die Politik auf Bundesebene: Die Kommission für Wissenschaft, Bildung, und Kultur des Ständerats reichte eine Motion ein. Die Kommission unter der Leitung des Schaffhauser Vertreters in der kleinen Kammer, Hannes Germann (SVP), forderte den Bundesrat darin auf, eine unabhängige nationale Anlauf- und Meldestelle aufzubauen. Dort sollen Athletinnen und Athleten Missstände im Sport – etwa physische und psychische Gewalt – melden können. Der Ständerat war gestern aber alles andere als einig in der Frage.
Kommissionspräsident Germann hielt fest: «Das kulturbedingte Systemversagen soll minimiert werden.» Der nationale Dachverband aller olympischen Sportarten, Swiss Olympic, habe sich zwar um die Aufarbeitung von Missständen bemüht, aber es habe nicht gereicht.
Stark: «Arbeiten laufen»
Eine Kommissionsminderheit beurteilte das diametral anders. Der Thurgauer Ständerat Jakob Stark (SVP) empfahl, die Motion nicht zu überweisen. «Die Arbeiten zur Schaffung einer zentralen Stelle wurden von Swiss Olympic bereits aufgenommen», sagte er. «Der Bund muss hier als Partner agieren und nicht als Lokomotive.» Die Subsidiarität sei zu wahren.
Der Zürcher Ständerat Ruedi Noser (FDP) stützte Starks Argumentation. Er erinnerte daran, auch die Eltern in die Pflicht zu nehmen. Er bezweifelte zudem, dass sich Jugendliche mit ihren Problemen an eine entsprechende Stelle wenden würden, wenn das schon Erwachsene in anderen Fällen von Missbräuchen nicht getan hätten. «Wollen wir mit dieser Motion Betroffenheit zeigen oder helfen?», fragte Noser in die Runde.
Müller: «Verbandelter Sport»
Der Luzerner Ständerat Damian Müller (FDP), der Präsident des Schweizerischen Verbandes für Pferdesport ist, beurteilte die Motion ebenfalls kritisch. Er stellte seine Argumentation ebenfalls auf den Druck seitens Eltern ab. Wichtig sei eine solide Trainerausbildung.
Müllers zentraler Punkt war aber die Kleinräumigkeit im Sportbusiness, welche bei der Unabhängigkeit der Stelle zu einem Problem werden könne. «Personen, welche die Sportart kennen, werden schnell als nicht unabhängig taxiert», vermutete der FDP-Politiker.
Für die Überweisung sprach sich derweil Eva Herzog (SP) aus dem Kanton Basel-Stadt aus. «Die Verbände brauchen Unterstützung. Das Parlament muss jetzt Druck aufsetzen.» Und Germann ergänzte: «Welches Signal senden wir aus, wenn wir die Motion jetzt ablehnen?»
CVP-Bundesrätin und Sportministerin Viola Amherd wehrte sich nicht gegen die Überweisung. «Es ist klar, dass es eine Meldestelle braucht», sagte sie. Die Motion lasse den nötigen Spielraum offen, damit Swiss Olympic an der bisherigen Arbeit anknüpfen könne.
In der Schlussabstimmung sagte der Ständerat mit 26 zu 17 Stimmen Ja. Die Motion geht nun an den Nationalrat.
Das geschah bisher
■ 31. Oktober: Der «Tages-Anzeiger» veröffentlicht im «Magazin» den Bericht über die Missstände im Turnverband.
■ 9. November: Die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur überweist eine Motion, die eine unabhängige Anlauf- und Meldestelle fordert.
■ 8. Dezember: Der Ständerat überweist die Motion. Als Nächstes entscheidet der Nationalrat über den Vorstoss der ständerätlichen Kommission.