Schaffhauser Nachrichten: Ständerat treibt den Bundesrat an

bern – Der Ständerat hat gestern Druck gemacht zur Beseitigung der Heiratsstrafe und zur Revision der Familiensteuer. So nahm er oppositionslos vier Motionen an. Mit der einen fordert die Wirtschaftskommission (WAK) Sofortmassahmen gegen die Heiratsstrafe. Zwei Motionen des Nationalrates verlangen nach dem Scheitern des Steuerpakets vom 16. Mai 2004 eine neue Vorlage zur Familiensteuer, eine dritte den Übergang zur individuellen Besteuerung.
Gemäss Kommissionssprecher Franz Wicki (CVP/LU) geht es der Kleinen Kammer vor allem darum, dem Bundesrat einen Anstoss zur dringend notwendigen Modernisierung des Steuersystems zu geben.
In einer kurzen Debatte wurden allerdings die unterschiedlichen Positionen sichtbar. Unbestritten blieb dabei einzig, dass die verfassungswidrige Benachteiligung der Ehe- gegenüber den Konkubinatspaaren umgehend gemildert werden müsse. Der heutige Zustand sei unerträglich, sagte WAK-Präsident Eugen David (CVP/SG). Die vom Bundesrat letzten Freitag in die Vernehmlassung geschickten Sofortmassnahmen, die wie die WAK-Motion mit einem erhöhten Zweiverdienerabzug operieren, gerieten allerdings unter Beschuss. Mit der Entlastung gutgestellter Doppelverdiener-Ehepaare sei der Bundesrat auf Abwegen, hiess es.
CVP und SVP machten auch keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen eine individuelle Besteuerung. So glaubt Hannes Germann (SVP/SH) etwa, der Bundesrat könne zwar damit alles machen, aber nicht wirklich viel damit anfangen. Besser zum Ziel führen würde seiner Ansicht nach, die Individualbesteuerung als Modelländerung zurückzustellen; diese diene den Familien nicht. Mit David und Urs Schwaller (CVP/FR) machte er sich deshalb für ein pfannenfertig vorliegendes Teilsplitting stark.
Demgegenüber bekannte sich Simonetta Sommaruga (SP/BE) klar zur Individualbesteuerung, die allein der gesellschaftlichen Realität Rechnung trage. Auch Fritz Schiesser (FDP/GL) widersprach Germann. WAK-Sprecher Wicki hielt diese Debatte für verfrüht. Er wies darauf hin, dass der Systemwechsel bei den Kantonen auf Widerstand stosse und ohnehin rund zehn Jahre dauern würde.
Bundesrat Hans-Rudolf Merz nahm die Debatte als das, was damit gemeint war, «als Auftrag an den Bundesrat, die Vereinfachung und Verwesentlichung des Steuersystems voranzutreiben». Priorität habe jetzt die Milderung der Heiratsstrafe, wobei man über Korrekturen am bundesrätlichen Modell noch diskutieren könne. Laut Merz will der Bundesrat nächstes Jahr entscheiden, ob neue Modelle wie eine duale Einkommenssteuer nach nordischem Vorbild oder eine Flate Rate Tax weiterverfolgt werden sollen. In das gewählte System könnte dann ein Splitting oder eine individuelle Besteuerung eingebaut werden. (wic)