Hannes Germann weilt auf Einladung des Vorsitzenden des Nationalen Volkskongresses der Volksrepublik China vom 3. bis zum 12. Juli im Reich der Mitte. Der Ständeratspräsident schildert Erlebtes und Eindrücke.
Von Hannes Germann
Die offizielle Reise der Ständeratsdelegation erfolgt auf Einladung des Vorsitzenden des Nationalen Volkskongresses der Volksrepublik China. Zhang Dejiang gehört nebst dem Staatspräsidenten und dem Premierminister zum Führungstriumvirat der aufstrebenden Volkswirtschaft. Die hohe diplomatische Einordnung des Besuches des Ständeratspräsidenten ist nur ein Indiz für die grosse Anerkennung, welche die Schweiz in China geniesst. So hat die Schweiz die Volksrepublik China bereits 1950 als einer der ersten westlichen Staaten anerkannt, als erster Staat auch die von China propagierte Marktwirtschaft (Joint-Venture Schindler 1980), und seit dem ersten Juli haben wir nun auch als erster Staat auf dem europäischen Festland ein rechtskräftiges Freihandelsabkommen.
Gespräche auf höchster Ebene ziehen sich wie ein roter Faden durch den Besuch. Zur Delegation gehören der erste Vizepräsident Claude Hêche (SP/JU), der zweite Vizepräsident Raphaël Comte (FDP/NE), Ständerat René Imoberdorf (CSPO/VS) und Nationalrat Hansruedi Wandfluh (SVP, BE). Ständiger Begleiter ist Botschafter Jean-Jacques de Dardel, der starke Arbeit für unser Land leistet.
Empfang als Staatsgäste
In Peking sind gleich mehrere offizielle Treffen angesagt: Höhepunkt ist ein Arbeitstreffen mit Zhang Dejiang, dem Vorsitzenden des Nationalen Volkskongresses, gefolgt von einem gemeinsamen Abendessen. Offen und freundlich ist der Empfang, ja geradezu herzlich. In China weiss man die Vorzüge unseres Landes zu schätzen. Dies nicht nur touristisch, sondern auch wegen unserer hohen Qualität. Dass unsere Delegation wie ein Staatsbesuch behandelt wird, zeigt die Wertschätzung gegenüber unserem Land und unseren Institutionen. Darauf dürfen wir stolz sein. Daneben findet ein Gedankenaustausch mit der Stellvertretenden Justizministerin Chinas Zhang Yanzhen statt. Hauptthema dieses Gespräches ist die Rolle des chinesischen Justizministeriums bei der Umsetzung der aktuellen Justizreform sowie Fragen zur besseren Wiedereingliederung von Straffälligen. Dies mit dem Ziel, die Rückfälligkeit massiv zu reduzieren. Man hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt, um die Qualität der Gerichte und des Vollzuges auf allen Ebenen zu verbessern. Bereits stellen sich laut den Ausführungen der Justizministerin erstaunliche Erfolge ein.
Priorität von Wirtschaft und Umwelt
Umweltschutzminister Zhou Shengxian informiert offen über die chinesische Herausforderung im Bereich Umweltschutz. Das Ziel besteht darin, die prekäre Situation in Bezug auf die Luftverschmutzung und die Belastung von Gewässern dramatisch zu verbessern. Die Gesetze sind verschärft worden, und produzierende Unternehmen sollen bald westliche Standards erreichen. Die bereits enge Zusammenarbeit mit Schweizer Hochschulen im Bereich der Umwelttechnologien soll weiter intensiviert werden. Man will in China punkto Umwelt dorthin, wo die Schweiz heute steht. Aufschlussreich ist auch das Gespräch mit dem für auswärtige Angelegenheiten zuständigen Minister in der Kommunistischen Partei Chinas, Wang Jiarui. Beide Seiten präsentieren ihre jeweiligen politischen Systeme und tauschen sich über Chancen und Herausforderungen aus. Zudem werden die brennendsten internationalen Krisenherde (Irak, Ukraine, Korea usw.) erörtert. Geradezu freundschaftlich verläuft das Treffen mit Wang Ashun, dem Bürgermeister und Gouverneur von Peking. Im Mittelpunkt dieses Gesprächs stehen die Prioritäten und Vorstellungen der Gemeinde bei der wirtschaftlichen, kulturellen, ökologischen und finanziellen Entwicklung der Stadt Peking. Auch er legt grössten Wert darauf, dass vor allem die Luft- und damit auch die Lebensqualität möglichst rasch verbessert werden kann. Dabei hofft man auf eine Intensivierung des Wissensaustausches mit den Schweizer Hochschulen.
Schnellzug statt Flug
Bei der Reise von Peking nach Schanghai haben wir uns anstelle eines Fluges für eine Fahrt mit dem topmodernen Schnellzug entschieden. Sowohl was die Bahnhöfe als auch das Wagenmaterial und die Servicequalität angeht, könnten sich die SBB ein grosses Stück von den Chinesen abschneiden. Der Empfang durch ranghohe Vertreter der 24-Millionen-Metropole wie auch durch Generalkonsul Heinrich Schellenberg ist herzlich. In Schanghai stehen aufschlussreiche Besuche von Schweizer Firmen und ein Austausch mit hochrangigen Wirtschaftsvertretern sowie Provinz- und Stadtvertretern im Vordergrund. Beim Empfang durch den Bürgermeister zeigt sich wiederum die hohe Wertschätzung. Beim Besuch der Tongji-Universität wird klar, dass uns die Deutschen im Wissensaustausch um einen Schritt voraus sind. Tief beeindruckt von der unglaublichen Dynamik und Aufbruchstimmung kehrt das Gros der Delegation aus dem Reich der Mitte in die Schweiz zurück.
Guiyang – der Schweiz ähnlich
Für mich geht es nach Guiyang weiter, um als offizieller Schweizer Vertreter und Redner am ECO Forum Global (EFG) teilzunehmen. Das EFG wurde im Jahr 2009 als Thinktank gegründet und verfolgt das Ziel, mit internationaler Unterstützung Modelle für die zukünftige nachhaltige Entwicklung Chinas zu liefern. Dies in einer Binnenregion im Südwesten Chinas, in der das BIP ungleich kleiner ist als in den boomenden Zentren dem Meer entlang. Die hügelige, grüne und stark bewaldete Provinz Guizhou (ca. 50 Millionen Einwohner) erinnert mit vielem an die Schweiz, von der man sich im Tourismus viel erhofft. Im Sino-Swiss-Forum sind die Erwartungen an unser Land denn auch hoch. Man darf gespannt sein. Jetzt schon darf die Delegationsreise als voller Erfolg gewertet werden. China setzt auf die Schweiz, wir setzen auf das enorme Potenzial unseres inzwischen drittstärksten Handelspartners. Das Freihandelsabkommen setzt neue Kräfte frei und schafft neue Chancen, die es zu packen gilt!