Beim Abstimmungskampf um das Steuerpaket fehlen verlässliche Zahlen. Das führt hüben und drüben zu Spekulationen.
Von Walter Joos
Am 16. Mai haben die Stimmberechtigten unseres Landes unter anderem zum Steuerpaket des Bundes Stellung zu nehmen. Bei der am 20. Juni des letzten Jahres von den eidgenössischen Räten verabschiedeten Vorlage geht es um die Änderung der Bestimmungen über die Besteuerung der Ehepaare, der Familien und des Wohneigentums. Zudem sollen die provisorisch erlassenen Vorschriften über die Stempelabgaben in das ordentliche Recht überführt werden. Nachdem im vergangenen Herbst 57 658 Stimmberechtigte sowie elf Kantone das Referendum gegen die Vorlage ergriffen hatten, erhält nun das Volks das letzte Wort.
«Überrissene Schätzungen»
Bei der ungewöhnlich früh ausgebrochenen öffentlichen Auseinandersetzung um die Vorlage stehen sich vor allem die Vertreter der Wirtschaft und der Kantonsregierungen gegenüber. So plädierte Harald Jenny als Präsident der Industrie- und Wirtschaftsvereinigung der Region Schaffhausen am vergangenen Freitag an der Generalversammlung im Hombergerhaus für eine Annahme der Vorlage (siehe SN vom 20. März), während Regierungspräsident Erhard Meister in seiner Grussbotschaft deren Ablehnung empfahl. Während sich die Wirtschaft durch die Entlastung der Steuerpflichtigen einen dringend benötigten Impuls verspricht, befürchten die Behörden einen zu grossen Einnahmenausfall. Über die Höhe der zu erwartenden Steuerausfälle gehen die Meinungen allerdings auseinander. Die am vergangenen Samstag publizierte Tabelle über die steuerlichen Auswirkungen auf die einzelnen Gemeinden – sie basiert auf den Berechnungen der Steuerverwaltung des Kantons – wurde von Peter Briner, Gerold Bührer und Hannes Germann – sie vertreten zusammen mit Hans-Jürg Fehr den Kanton Schaffhausen in den eidgenössischen Räten – als völlig «überrissen» bezeichnet (siehe SN vom 22. März).
«Realistische Annahmen»
Operieren die Gegner bewusst mit falschen Zahlen? Finanzdirektor Hermann Keller verwahrt sich gegen diesen Vorwurf. Die Bundesbehörden seien für das in der Öffentlichkeit angerichtete «Gnuesch» selbst verantwortlich. Die von der Regierung publizierten Zahlen stellen nach Hermann Keller auf Grund einer Grössenordnung der ab 2009 im Vergleich zu 2002 zu erwartenden Mindererträge bei den Steuern dar. «Unsere Berechnungen beruhen auf realistischen Annahmen», erklärt Alfred Streule. Nach Aussage des Chefs der Steuerverwaltung des Kantons hat sich an den bereits im Zusammenhang mit dem Kantonsreferendum im August des letzten Jahres publizierten Zahlen wenig geändert. Demnach führen die den Steuerpflichtigen im Bereich der Ehegatten- und der Familienbesteuerung gewährten Erleichterungen beim Kanton und bei den Gemeinden zu Mindereinnahmen von je 7,5 Millionen Franken. Dazu kommen die mutmasslichen Steuerausfälle durch die neue Mietwertbesteuerung und Vergünstigungen für das Bausparen.
Positive Impulse missachtet
Aus der Sicht der Befürworter des Steuerpaketes beruhen die von der Regierung publizierten Zahlen zum grossen Teil auf willkürlichen Annahmen über die künftige Ausgestaltung des kantonalen Steuerrechtes. Aus der Sicht von Gerold Bührer ist höchstens die Hälfte der angegebenen Minder- erträge zwingend. Der von der Regierung beim Teilsplittingmodell zu Grunde gelagte Faktor ist nach seiner Überzeugung absolut utopisch. «Die Exekutive will mit ihren überrissenen Zahlen dem Volk Angst machen», erklärt der freisinnige Volksvertreter. Zudem lasse die Regierung durch die Vorlage ausgelösten Impulse bewusst ausser Acht.
Alfred Streule: Der Chef der Steuerverwaltung erachtet die publizierten Annahmen als realistisch.
Auswirkungen des Steuerpaketes
- Die ab 2005 zu erwartenden Mindereinnahmen des Kantons beim Anteil an der Direkten Bundessteuer betragen nach Schätzung der Regierung 3,7 Millionen Franken. Diese Zahl wird auch von den Befürwortern der Vorlage als realistisch anerkannt.
- Die spätestens ab 2010 zu erwartenden Mindereinnahmen des Kantons und der Gemeinden bei der Ehegatten- und Familienbesteuerung betragen nach Schätzung der Regierung je 7,5 Millionen Franken. Diese Zahl wird von den Befürwortern der Vorlage bestritten.
- Die ab 2009 zu erwartenden Mindereinnahmen des Kantons und der Gemeinden durch die neue Mietwertbesteuerung und das Bausparen betragen nach Schätzung der Regierung je fünf Millionen Franken. Diese Zahl wird von den Befürwortern der Vorlage als realistisch anerkannt.
- Die Regierung rechnet bei Annahme des Steuerpaketes spätestens ab 2010 mit Mindereinnahmen für Kanton und Gemeinden von insgesamt 30,2 Millionen Franken. Die Befürworter gehen von Mindereinnahmen von höchstens 15 Millionen Franken aus.