Gut ein Jahr nach dem Scheitern der Steuerreform wagt der Bundesrat den zweiten Anlauf. Die Vorlage sei nun transparent und ausgewogen, sagt Finanzminister Ueli Maurer. Ganz anders sieht das jedoch die SP, welche die letzte Reform gebodigt hat.
Von Maja Briner
Der Druck ist hoch: Die Steuerreform müsse gelingen, sagte Finanzminister Ueli Maurer gestern. Sonst säge die Schweiz nicht nur am Ast, auf dem sie sitze, sondern fälle gleich den ganzen Baum. Die Auswirkungen eines Scheiterns wären «dramatisch», warnte er. Mit der Reform will die Schweiz gewisse international verpönte Steuerprivilegien für Firmen abschaffen, da ihr sonst Sanktionen drohen. Damit die betroffenen Firmen der Schweiz nicht den Rücken kehren, sollen neue Instrumente wie die Patentbox eingeführt werden. Zudem wollen die meisten Kantone die Gewinnsteuern generell senken, um attraktiv zu bleiben.
Eine erste Vorlage mit demselben Ziel, die Unternehmenssteuerreform III, ist vor gut einem Jahr an der Urne gescheitert. Gestern nun legte Maurer die Botschaft für die Neuauflage der Reform vor, die unter dem Namen Steuervorlage 17 läuft. Diese ist etwas schlanker als die alte Vorlage – weggefallen ist etwa die umstrittene zinsbereinigte Gewinnsteuer. Durch eine höhere Dividendenbesteuerung sollen zudem die Kosten der Reform sinken. Quasi als Zückerchen will der Bund die Untergrenze für Kinderzulagen um 30 Franken erhöhen.
Keine «Katze im Sack»
Und Maurer will mehr Transparenz schaffen. Bei der gescheiterten Reform hatten die Gegner kritisiert, das Stimmvolk kaufe die «Katze im Sack»: Es sei unklar, wie die Kantone die Reform umsetzen und wie hoch die Kosten sein würden. Nun haben die Kantone den Bund über ihre Pläne informiert. Insgesamt, so zeigt sich, wird die Gewinnsteuerbelastung von durchschnittlich 19,6 auf 14,5 Prozent sinken. Die Kosten der Reform belaufen sich auf 1,8 Milliarden Franken. Der Bund geht aber davon aus, dass die Bilanz auf lange Sicht positiv ausfiele, da Firmen hierzulande investieren würden. Gemäss einem mittleren Szenario würden längerfristig Mehreinnahmen von 1,4 Milliarden Franken pro Jahr resultieren.
Trotz der Zugeständnisse an die Kritiker: Die SP, welche die letzte Reform erfolgreich bekämpft hat, ist gar nicht zufrieden. Die neue Vorlage sei kaum besser als die Unternehmenssteuerreform III, moniert sie. «Die Steuervorlage 17 verursacht grosse Steuerausfälle», sagt die Luzerner SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo. Die Schätzungen, wonach die Bilanz längerfristig positiv ausfallen soll, bezeichnet sie als Mutmassungen. Die Gegenfinanzierung sei nach wie vor ungenügend, sagt sie. Die SP fordert insbesondere eine höhere Dividendenbesteuerung und eine Korrektur der 2008 beschlossenen Unternehmenssteuerreform II. «Wenn es schon grosse Ausfälle gibt, dann sollen dafür jene bezahlen, die profitieren – und nicht wir Bürgerinnen und Bürger», sagt Birrer-Heimo.
Maurer schien mit dieser Kritik gerechnet zu haben. Er gab zu bedenken, die Einnahmen aus der Unternehmensbesteuerung seien in den letzten Jahren überdurchschnittlich gestiegen. «Dadurch ist es gelungen, die natürlichen Personen zu entlasten, vor allem jene mit tieferem Einkommen», sagt er. Birrer-Heimo widerspricht: Zwar seien teilweise die Steuern etwas gesunken, aber gleichzeitig seien Gebühren erhöht und Prämienverbilligungen gesenkt worden. «Unter dem Strich haben gerade jene mit kleinem Einkommen nicht profitiert, im Gegenteil.» Noch nicht gross in die Karten blicken lassen wollten sich gestern die bürgerlichen Parteien. «Wir wollen im Moment inhaltlich nicht zu einzelnen Punkten Stellung nehmen», sagt etwa FDP-Fraktionschef Beat Walti. Es sei klar, dass es noch Kompromisse brauchen werde, um eine Lösung zu finden. «Wir wollen offen in diese Diskussion hineingehen, ohne harte Bedingungen», sagt er. «Am Schluss werden wir das Gesamtpaket beurteilen.» Stellung beziehen müssen die Parteien schon bald: Das Parlament soll die Reform spätestens im Dezember unter Dach und Fach bringen.
Die wichtigsten Vorschläge des Bundesrats
Steuerprivilegien: Die international nicht mehr akzeptierten Steuerprivilegien für Statusgesellschaften werden abgeschafft.
Bundessteuer: Der Anteil der Kantone an der direkten Bundessteuer wird von 17 Prozent auf 21,2 Prozent erhöht. Das verschafft den Kantonen den Spielraum für die Senkung der Gewinnsteuersätze.
Gemeindeklausel: Im Zusammenhang mit dem höheren Kantonsanteil müssen neu auch Städte und Gemeinden berücksichtigt werden. Diese Bestimmung hat keine rechtsverbindliche Wirkung.
Dividenden: Die Besteuerung von Dividenden wird auf mindestens 70 Prozent erhöht. Die Teilbesteuerung gilt für Beteiligungen von mindestens 10 Prozent.
Familienzulage: Familienzulagen werden um 30 Franken erhöht. Das Minimum für Kinderzulagen liegt bei 230 Franken, jenes für Ausbildungszulagen bei 280 Franken.
Forschung: Der Aufwand für Forschung und Entwicklung im Inland soll zu 150 Prozent von den Steuern abgezogen werden können.
Patentbox: In einer Patentbox können die Kantone Erträge aus Patenten und vergleichbaren Rechten ermässigt besteuern. Die Entlastung darf aber höchstens 90 Prozent betragen.
Mindestbesteuerung: Die gesamte Entlastung durch Patentbox, Forschungsabzüge und gesonderte Besteuerung stiller Reserven ist auf 70 Prozent begrenzt.
Finanzausgleich: Auch der Finanzausgleich zwischen den Kantonen wird angepasst. Geändert wird die Gewichtung der Unternehmensgewinne im Ressourcenpotenzial. Das könnte dazu führen, dass einige Kantone ressourcenstärker werden und mehr in den Finanzausgleich einzahlen müssen. (sda)
Schaffhausen würde neu zum Geberkanton – Einschätzungen von Germann und Munz
Gut ein Jahr nach der Abstimmung über die Unternehmenssteuerreform III (USR III) präsentiert der Bundesrat einen neuen Vorschlag. Was halten Schaffhauser Parlamentarier davon? Bevor der Präsident der Finanzkommission des Stöckli, Ständerat Hannes Germann (SVP/SH), ins Detail geht, betont er: «Klar ist: Keine Lösung wäre für alle die schlechteste Lösung.» Nach dem Volksnein zur USR III sei es jetzt wichtig, dass der zweite Versuch an der Urne durchkomme. Nun müssten mehrheitsfähige Lösungen aufgezeigt werden. Das sei mit der Steuervorlage 17 (SV17) gelungen, weshalb er sie begrüsse. «Sie ist ausgewogen und viel transparenter als die USR III.» Germann lobt insbesondere, dass der Kantonsanteil aus den Einnahmen der direkten Bundessteuer von 17 auf 21,2 Prozent erhöht wurde. Und dass eine angemessene Beteiligung der Gemeinden erreicht wurde.
Störend hingegen ist für Germann die Erhöhung der Dividendenbesteuerung auf mindestens 70 Prozent. «Die ist schmerzhaft», sagt er. «Weiter sind die angedachten sozialen Ausgleichsmassnahmen ein Fremdkörper. Sie sind eine unnötige Mehrbelastung für die Wirtschaft.» Im Parlament werde darüber noch ein Tauziehen entbrennen. Er hofft auf eine «schlauere Lösung». «Ich könnte mir beispielsweise eine Prämienverbilligung vorstellen.»
Enttäuscht dagegen ist Nationalrätin Martina Munz (SP/SH). Für sie geht die SV17 zu wenig weit. Sie sagt: «Wir verlangen eine höhere Besteuerung der Dividenden, eine Korrektur des Kapitaleinlageprinzips und mehr soziale Kompensationen.» Die Entlastung der Unternehmen dürfe beim Bund nicht zu riesigen Einnahmeausfällen führen, unter de-nen dann die natürlichen Personen zu leiden hätten. Ob ihre Partei das Referendum gegen die SV17 ergreife, hänge von den politischen Verhandlungen ab, die jetzt im Schnellzug stattfinden würden.
«Müssen Kröte schlucken»
Änderungen gibt es auch beim Finanzausgleich. Schaffhausen würde aufgrund der SV17 als ressourcenstark angeschaut und deshalb neu zum Geberkanton. Dazu Germann: «Diese Kröte müssen wir schlucken, da der Kanton überdurchschnittlich von der Vorlage profitiert.» Zudem gäbe es eine Übergangsfrist von zehn Jahren. Bis 2029 könne sich viel ändern. «Über zwei Drittel der Steuereinnahmen juristischer Personen kommen – Irrtum vorbehalten – von bisher privilegierten Gesellschaften. Deswegen wird sich Schaffhausen hüten, hier zu opponieren», sagt Germann. Und finanziell wäre das laut Germann für Schaffhausen verkraftbar, «zumindest gemäss denjenigen Modellrechnungen, die ich gesehen habe».
Auch für Munz ist das kein Drama. «Schaffhausen ist ein Wechselkanton. Einmal gehören wir zu den Geber-, dann wieder zu den Empfängerkantonen.» In der Regel handle es sich aber nie um grosse Geldbeträge. Und: «Wenn wir zu den Geberkantonen gehören, geht es uns grundsätzlich finanziell gut.» (aka/cla)