[Schaffhauser Nachrichten] Strittige Eile bei der Kohäsionsmilliarde

Der Bundesrat will, dass das Parlament die 1,2 Milliarden Franken in der Herbstsession im Eilverfahren beschliesst. Ständeräte sind jedoch gespalten.

Andrea Tedeschi


«Nicht zu entscheiden, macht die Situation in diesem Fall nicht besser.» Hannes Germann Schaffhauser Ständerat (SVP)

BERN/SCHAFFHAUSEN. Nach dem gescheiterten EU-Rahmenabkommen will der Bundesrat die EU besänftigen und rasch den zweiten Beitrag der sogenannten Kohäsionsmilliarde überweisen. Schon in der Herbstsession sollen National- und Ständerat die 1,2 Milliarden Franken freigeben. Im Interview mit den SN sagte Bundespräsident Guy Parmelin letzte Woche: «Wenn sich das Parlament für den zweiten Schweizer Beitrag ausspricht, ist das für die EU ein wichtiges Signal.» Nachhaltige Lösungen mit der EU beim Forschungsprogramm «Horizon Europe» hingen auch davon ab, ob die Schweiz den zweiten Beitrag überweise. Dieser Plan könnte jedoch schiefgehen.

Denn das fünfköpfige Büro des Ständerats hat sich bereits im Juni gegen ein Eilverfahren entschieden, wie Radio SRF gestern berichtete. «Wir lassen diese Vorlage nicht in der gleichen Session durch beide Kammern bestätigen», sagte der Schwyzer Ständeratspräsident Alex Kuprecht (SVP). In der Herbstsession soll das Geschäft vom Nationalrat beraten werden, vom Ständerat in der Wintersession. Bei einer so wesentlichen Frage brauche es fundierte Dis­kussionen, sagte Kuprecht. Ausserdem habe die EU die Schweiz wieder diskriminiert, etwa bei Medizinalprodukten und in der Forschung.

Das Parlament hatte den zweiten Beitrag der Kohäsionsmilliarde unter der Bedingung genehmigt, dass die EU auf diskriminierende Massnahmen gegen die Schweiz verzichtet. Weil Brüssel die Gleichwertigkeit der Schweiz hat auslaufen lassen, ist der zweite Kohäsionsbeitrag blockiert. Für die EU ist die Überweisung jedoch überfällig und ­sichert der Schweiz den Zugang zur EU-Binnenmarkt, wie die EU-Kommission unlängst zu verstehen gab.

Keine Sonderbehandlung, aber …

Kein Verständnis für den Entscheid des Büros des Ständerats hat die Mitte-Nationalrätin und Aussenpolitikerin Elisabeth Schneider-Schneiter. «Jetzt ist der Zeitpunkt, um mit der Über­weisung ein deutliches Zeichen an die EU zu senden», sagt sie. Andernfalls ­befürchtet die Baselländerin, dass die Schweiz als Drittstaat weiter benachteiligt werden, gleichzeitig aber Vorteile nicht nutzen könnte. «Die Überweisung der Kohäsionsmilliarde an die Ost-Staaten generiert auch neue und attraktive Märkte für die Schweizer Wirtschaft.» Für sie ist klar: Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats werde Ende August empfehlen, das Geschäft in der Herbstsession zu beraten und zu genehmigen.

Auch im Ständerat gibt man sich hoffnungsvoll. Denn der Ständerat ist Erstrat, entscheidet also vor dem Nationalrat über den zweiten Kohäsionsbeitrag. «Das Büro des Ständerats will zwar keine Sonderbehandlung des Geschäfts», sagt der Zuger Nationalrat Matthias ­Michel (FDP). «Das heisst aber nicht, dass der Ständerat nicht doch in der Herbstsession entscheiden wird.» Ähnlich sieht das der Schaffhauser Ständerat Hannes Germann (SVP). Er glaubt, dass die Bildungskommission und die Aus­senpolitische Kommission darauf drängen werden, dass das Parlament noch im Herbst entscheidet. «Es ist zwar unschön, wenn ein Geschäft in derselben Session durch beide Räte durchgepaukt werden muss», sagt er. «Nicht zu entscheiden, macht die Situation in diesem Fall aber nicht besser.»

Was die Schweiz gewinnt

Die Aussenpolitische Kommission des Ständerats diskutiert das Geschäft Mitte August. Auch der Bundesrat nimmt teil. Damian Müller, Luzerner Ständerat (FDP) und Kommissionspräsident, sagt: «Der Bundesrat muss plausibel machen, dass die Schweiz nicht diskriminiert wird und den zweiten Beitrag bezahlen muss.» Offen sei auch die Frage, was die Schweiz gewinnt, wenn das Parlament drei Monate früher entscheide.