Schaffhauser Nachrichten: SVP bei Ausschaffungen uneinig

Ständerat Hannes Germann (SVP/SH) spricht sich für eine massvolle Umsetzung der Durchsetzungs-Initiative aus. Für Nationalrätin Martina Munz (SP/SH) ist selbst das noch mutlos.

Von Anna Kappeler

Schaffhausen:Die SVP verstrickt sich in Widersprüche. Da die Ausschaffungs-Initiative ihrer Meinung nach vom Parlament nicht nach dem Willen des Volkes umgesetzt wurde, bringt sie nun die Durchsetzungs-Initiative an die Urne. Diese soll die konsequente Umsetzung ihrer ersten Initiative garantieren. Am Sonntag hat Jurist und SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt (ZH) jedoch gesagt, dass die Durchsetzungs-Initiative für in der Schweiz ­geborene Ausländer nicht gelten solle. Vogt will die Initiative damit abschwächen. Entsprechend scharf reagierte die SVP-Führung. Chefstratege Christoph Blocher sagte im «Tages-Anzeiger», dass eine Auslegung à la Vogt «der Initiative klar widersprechen und gar hinter die bisherige Praxis zurückfallen» würde.

«Ein gewisser Spielraum»

Unterstützung hingegen erhält Vogt vom Schaffhauser Ständerat Hannes Germann. «Secondos gehören zu unserer Rechts- und Sozialgemeinschaft. Diese Fälle muss man speziell anschauen», sagt er. Es könne nicht sein, dass diese Menschen wegen Bagatellfällen ausgeschafft würden. Zwar haben die Initianten bereits eine Ausführungsgesetzgebung ausgearbeitet, die direkt in die Bundesverfassung geschrieben würde. Für Germann gibt es «dennoch einen gewissen Spielraum für das Parlament und vor allem für die Justiz». «Auch wenn einige meiner Parteikollegen jetzt sagen, dass es null Spielraum gebe. Eine Initiative kann niemals einen absoluten Rechtsanspruch haben.» Im Rechtsstaat Schweiz könnten die Justiz und das Parlament nicht einfach ausgehebelt werden. «Die Richter müssen ihren Ermessensspielraum im Sinne des Verhältnismässigkeitsprinzips anwenden können. Sie fällen ja letztlich die Urteile – und nicht etwa die Politik.» Den Einwand der Gegner, dass die Durchsetzungs-Initiative genau dies zu verhindern versuche, lässt Germannnicht gelten.

Interessant: Germann sitzt im Initiativkomitee. Als Grund sagt er: «Weil das Parlament den Volkswillen unterlaufen hat, habe ich die jetzige Initiative mitgetragen.» Er habe im Ständerat die Härtefallklausel im Sinne eines Kompromisses zwar unterstützt. Bei so weitreichenden Entscheiden wie einer Ausschaffung müsse aber der persönlichen Situation eines Menschen immer Rechnung getragen werden. Für ihn gab es zu viele «weiche» Passagen, mit denen der Volksentscheid hätte ausgehebelt werden können. «Volksentscheide müssen konsequent umgesetzt werden», sagt er.

«Mutlose SVPler»

Harsch kritisiert wird Germann von der Schaffhauser SP-Nationalrätin Martina Munz. «Nun haben auch einige SVPler gemerkt, dass ihre Initiative menschenrechtsverletzend ist. Und dass sie damit die Demokratie und die Verfassung mit Füssen treten. Es ist gut, dass sie immerhin das realisieren», sagt sie. Allerdings sei es lächerlich, nun zurückzukrebsen. «Entweder ist man für oder gegen diese Initiative, halbe Sachen sind hier nicht möglich.» Konsequenterweise müssten diese SVPler laut Munz nun hinstehen und die Initiative klar ablehnen. «Dazu aber fehlt ihnen offenbar der Mut.» Die Taktik der SVP sei, dem Volk zu suggerieren, dass es immer Spielraum gebe. Das stimme aber nicht und sei das Gegenteil von dem, was die SVP sonst propagiere. «Die Initiative will die Gerichte und das Parlament aushebeln», sagt Munz.

Germann kontert: «Wenn die Gegner jetzt so tun, als sei die Initiative nicht mit der Verfassung in Übereinstimmung zu bringen, ist das etwas gar scheinheilig.» Er erinnert an für ihn vergleichbare Fälle wie etwa die Rotenthurm-, die Alpenschutz- oder die Abzocker-Initiative. Das Parlament hätte zudem «die Durchsetzungs-Initiative ja einfach für ungültig erklären können». Das aber habe es nicht gemacht. «Und jetzt führen sich die anderen Parteien auf, als ginge mit dieser Initiative die Welt unter», sagt Germann. Den Landesverweis aber habe es im Schweizer Recht bereits früher gegeben.

Eine massvolle Unterstützung der Durchsetzungs-Initiative fordern neben Germann gemäss «Tages-Anzeiger» auch die Ständeräte Alex Kuprecht (SZ) und Roland Eberle (TG). Die Schaffhauser Bundesparlamen- tarier Thomas Minder und Thomas Hurter konnten gestern nicht erreicht werden.

Mehr Einbürgerungen 2015: Experte sieht die Politik der SVP mit als Ursache

bernDie Zahl der Einbürgerungen ist in der Schweiz gestiegen: Von Januar bis November 2015 liessen sich laut Bund 34 900 Personen einbürgern – mehr als im ganzen Jahr 2014. Eine Ursache für den Anstieg sieht ein Mi­grationsexperte auch in der Politik der SVP.

Die Unsicherheit, welche die Masseneinwanderungs-Initiative und die Durchsetzungs-Initiative geschaffen hätten, bewege Ausländer und Ausländerinnen dazu, sich einbürgern zu lassen, sagte der Neuenburger Professor und Migrationsexperte Etienne Piguet gestern dem Westschweizer Radio RTS. Zuvor sei der Trend rückläufig gewesen. Das sei jedoch nur eine Hypothese unter anderen, schränkte Piguet auf Anfrage der SDA ein.

Im Jahr 2014 hatten sich rund 33 300 Personen einbürgern lassen, 2015 waren es von Januar bis November bereits über 1600 mehr. Das geht aus den Statistiken des Staatssekretariats für Migration hervor. Auf das ganze Jahr 2015 hochgerechnet dürften es rund 38 000 Einbürgerungen und damit 15 Prozent mehr als im Vorjahr sein, wie Radio RTS berichtete.(sda)