Verliert die SVP das Vertrauen in die FDP, könnte sie versuchen, den bürgerlichen Sitz selbst zu sichern.
von Zeno Geisseler
Am 13. November muss Schaffhausen nochmals an die Urne. Das Volk soll bestimmen, wer neben dem gestern gewählten Hannes Germann als Kantonsvertreter in den Ständerat nach Bern einziehen soll.
Die besten Karten dürfte Thomas Minder haben. Der Unternehmer aus Neuhausen hat im ersten Wahlgang das beste Resultat der Nichtgewählten erzielt. Er hat das absolute Mehr und damit den Sitzgewinn um nur rund 1000 Stimmen verpasst. Kann er diesen Schwung in den nächsten drei Wochen aufrechterhalten und seine Wähler mobilisieren, zweite Wahlgänge sind in dieser Beziehung etwas diffizil, stehen seine Chancen gut. Die grosse Frage ist, was mit dem Kandidatenfeld sonst noch passiert. Klar scheint die Situation bei SP-Mann Matthias Freivogel. Obwohl er Zweitletzter wurde, hat er bereits bei der Wahlfeier seiner Partei am Sonntag klargemacht, dass er nochmals antreten werde (siehe auch Seite 21). Freivogels Chancen würden natürlich steigen, wenn der Kandidat mit den wenigsten Stimmen, Herbert Bühl von der ÖBS, auf einen zweiten Wahlgang verzichten würde. Ein Teil der ökoliberalen Stimmen würde mit Sicherheit Freivogel zugute kommen. Gestärkt würde allerdings auch Minder, der ebenfalls viele ökologisch Interessierte anspricht. Ob die ÖBS nochmals antritt, liess ihr Kandidat gestern offen. Klar scheint die Situation auch bei der FDP. Als zweitbester Nichtgewählter werden Christian Heydecker und seine Partei kaum auf eine neue Chance verzichten wollen und nochmals antreten. Offen ist hingegen, ob die SVP der FDP das Vertrauen schenkt, die bisherige bürgerliche Doppelvertretung im Schaffhauser Ständerat zu bewahren. Zweifler werden ins Feld führen, dass Heydecker im ersten Wahlgang nur zwei Drittel der Stimmen von Thomas Minder erzielt hat. Noch krasser ist der Vergleich mit Hannes Germann: Heydecker hat nur gut die Hälfte der Stimmen des SVP-Ständerats gemacht. Und längstens nicht jeder, der im ersten Wahlgang SVP gewählt hat, wird im zweiten FDP wählen.
Die Varianten der SVP
Welche Möglichkeiten hat also die SVP? Erste Variante: Sie unterstützt offiziell weiterhin Heydecker, im Wissen darum, dass es für ihn knapp werden wird. Schafft es Heydecker doch noch, ist alles in Butter. Geht hingegen der FDP-Sitz an Minder, könnte die SVP den Verlust der FDP in die Schuhe schieben, gleichzeitig aber die Fühler nach Minder ausstrecken. Denn seine Wahl wäre für die SVP kein Weltuntergang. Mit Minder könnte sich die SVP in vielen Bereichen finden, etwa in Zuwanderungsfragen. Der Neuhauser Unternehmer ist hier eher noch restriktiver als die nicht gerade ausländerfreundliche SVP, wenn auch nicht unbedingt aus den gleichen Gründen. Die SVP könnte zweitens aber auch von der FDP verlangen, einen Kandidaten aufzustellen, welcher bessere Chancen hätte als Heydecker. Diese Forderung wäre für die FDP natürlich unannehmbar. Sie würde sich kaum von der SVP erpressen lassen. Selbst wenn sie wollte, könnte die Schaffhauser FDP nicht einfach so einen neuen, valablen Kandidaten aus dem Hut zaubern – es gibt nicht viele Mitglieder mit Ständeratsformat in der kleinen Partei.
Erhard Meister? Drittens könnte die SVP entscheiden, die bürgerliche Doppelvertretung im Alleingang zu retten. Sprich: Sie könnte selbst einen Kandidaten stellen. Zu verlieren hat sie nichts, sie hat ja ihren ersten Ständeratssitz und den Nationalratssitz im Trockenen. Denkbar wäre etwa, dass Nationalrat Thomas Hurter für den Ständerat kandidiert. Seine Bekanntheit und sein Netzwerk in Bern sprechen für ihn, und bei seiner Wahl könnte Dino Tamagni im Nationalrat bequem nachrutschen. Doch Hurter sagte gestern deutlich, dass er für diese Variante nicht zur Verfügung stehe. Dies, weil er seinen Beruf als Pilot nicht aufgeben wolle. Die SVP hat noch andere Kandidaten im Köcher. Gestern geisterte unter anderem der Name Erhard Meister im Raum herum. Der Merishauser alt Regierungsrat könnte die Rolle des Elder Statesman perfekt verkörpern, mit Jahrgang 1948 wäre er allerdings keine langfristige Lösung. Und ganz grundsätzlich muss die SVP bedenken, dass eine bürgerliche Doppelkandidatur vielleicht einfach die Stimmen teilt. Zudem würden viele Wähler wohl nicht goutieren, dass die SVP drei von vier Schaffhauser Sitzen hielte. Min-der könnte erst recht der lachende Dritte sein. Was die SVP entscheiden wird, werden wir spätestens morgen Dienstag erfahren. Dann kommt die Volkspartei zusammen. Für den Abend ist eine Medienmitteilung angekündigt.