
In kaum einem Monat wird gewählt. Wir schauen zurück: Wer von den Schaffhauserinnen und Schaffhausern war in den vergangenen vier Jahren in Bern besonders aktiv und einflussreich? Welcher Misserfolg schmerzt? Welche Genugtuung bleibt?
Von Andrea Tedeschi

Seit 2013 ist Martina Munz im Nationalrat. 2015 schaffte sie die Wiederwahl mit über 10000 Stimmen nur knapp. Bis zum Schluss hatte es so ausgesehen, dass die SVP beide Nationalratssitze gewinnen könnte. Doch die Sozialdemokratin hat sich in Bern rasch eingelebt. Davon zeugen die über hundert Vorstösse, die sie seit Beginn der Legislatur eingereicht hat; 28 allein im laufenden Jahr. «Reden, Voten und Vorstösse sind sehr öffentlichkeitswirksam», sagt Marc Bühlmann, Politikwissenschaftler an der Universität Bern. Doch die Politik entscheide sich besonders in den Kommissionen und abends wohl auch in den Beizen. Dass sich Munz zumindest dort aufhält, zeigte sie letzte Woche in einem Video auf Twitter singend in der SVP-Fraktion. Doch was hat sie tatsächlich erreicht?
Tiefenlager und Gleichstellung
Seit Beginn sitzt sie im Nationalrat für die SP in der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK), als Berufsschullehrerin und Agronomin ihre Wunschkommission, wie sie sagt. Im Vergleich zur Wirtschaftskommission zum Beispiel gilt die WBK nach aussen als weniger prestigeträchtig. Die Frage ist jedoch, welche Anliegen und die Interessen sie als Parlamentarierin vertritt und durchbringt. Hauptthema der Sozialdemokratin ist die Bildung. Als Bildungspolitikerin hat sie sich innerhalb der Partei einen Namen gemacht, steht in Rankings wie etwas der «Sonntagszeitung» oder «der NZZ am Sonntag» im Mittelfeld. Sie setzt sich für den Erhalt des dualen Bildungssystems ein, macht sich auch für Umwelt und für Chancengleichheit stark, ist für den Vaterschaftsurlaub und gegen Gentechnik. Munz präsidiert die Schweizerische Allianz Gentechfrei, die Schweizerische Gesellschaft für angewandte Berufsbildungsforschung und sitzt als einzige nationale Politikerin in der Regionalkonferenz Zürich Nordost, der diesen Standort für ein allfälliges Tiefenlager evaluiert. Und setzt sich generell mit der Atommüllentsorgung auseinander. Nach den drei grössten Errungenschaften in den vergangenen vier Jahren in Bern gefragt, betont die Sozialdemokratin besonders einen angenommenen Vorstoss im ersten Jahr der laufenden Legislatur: dass vorläufig anerkannte Flüchtlinge mit einer entsprechenden Ausbildung nachhaltig in den Arbeitsmarkt integriert werden. Darauf haben Kantone die Flüchtlingsvorlehre eingeführt. Am meisten schmerzt sie der Stillstand bei Umweltthemen und dass die Schweiz in Sachen Gleichstellung hinter dem europäischen Durchschnitt zurückliegt. Ihre Flut an Vorstössen hat sich indes in der Summe ausbezahlt. Durchgebracht hat sie mindestens deren drei, darunter auch eine Motion, welche die Tierhaltungskontrolle effizienter gestalten will.

Hannes Germann ist seit fast zwei Jahrzehnten im Ständerat. Bei den letzten Wahlen im 2015 wurde er mit einem Glanzresultat wiedergewählt. Obwohl er in der kommenden Amtszeit das Pensionsalter erreicht, will er es nochmals wissen. «Ich will mich für das Erfolgsmodell Schweiz engagieren», sagt er. Und sich als Aussenpolitiker starkmachen. «Das EU-Rahmenabkommen in der vorliegenden Form lehne ich ab.» Im Ständerat gilt Germann als beliebter Kompromisspolitiker, der als gemässigter SVP-Politiker nicht immer die durchschlagende Meinung der Parteileitung teilt. Er scheut sich auch nicht, gegenteilige Kritik zu äussern. Doch was hat Germann in der laufenden Legislatur tatsächlich erreicht?
Ein Wirtschaftsmann
Im Parlamentarier-Rating der «Sonntagszeitung» belegt er die vorderen Ränge, wenn es um seinen Einfluss im Parlament geht. Sicher ist, dass Germann neun Mandate hat, die er in den Kommissionen vertreten kann. Man fragt sich ob den vielen Aufgaben, wie er sich Ständerat noch einbringen kann. Der 63-Jährige ist im Verwaltungsrat der Ersparniskasse Schaffhausen AG und im Elektrizitätswerk des Kantons Schaffhausen. Er präsidiert den Verband der Schweizer Gemüseproduzenten und den Schweizerischen Gemeindeverband in Bern. Dass Beobachter ihm Einfluss attestieren, kommt auch daher, dass er in mehr als sechs Kommissionen sitzt, zum Beispiel in der Wirtschaftskommission und als Präsident in der Finanzkommission. Er sagt, dort sei jede Persönlichkeit wichtig. «Ich profitiere sicher von meiner Erfahrung und gefestigter Position als lösungsorientierter Sachpolitiker.»
Nach seinen drei wichtigsten Errungenschaften gefragt, nennt Germann als erstes die Steuerreform und AHV-Finanzierung (STAF). Eine unternehmens- und wirtschaftsfreundliche Lösung, wie er sagt. Er sei von Beginn an direkt involviert gewesen. «Für die Schweiz und insbesondere den Kanton Schaffhausen ist damit ein Durchbruch erzielt worden.» Die Unternehmen seien nun kompatibel mit dem internationalen Steuerregime. Ebenfalls als Erfolg wertet er einer seiner wenigen Vorstösse; die bewährten Krankenkassenprämien für die Region so zu erhalten, dass sie deutlich günstiger ausfallen als im Nachbarkanton Zürich und im Landesdurchschnitt. Als Misserfolg in dieser Legislatur nennt er die Sanierung der Altersvorsorge (AHV 2020). Ärgerlich fand er auch, dass der Bundesrat seinen Vorstoss zu Gunsten von Plus-Energie-Bauten bekämpft hat und sich Gegner der Vorlage als «Klimaretter» inszenierten, indem sie Wirtschaft und Bürgern höhere Abgaben aufbürdeten.

Die Millionenabfindung an Konzernchef Corti nach dem Swissair-Grounding hatte Thomas Minder zur Abzockerinitiative bewogen. Im 2011 wurde er zulasten der FDP in den Ständerat gewählt und schaffte 2015 die Wiederwahl auf Anhieb. Er profitiert davon, dass die Leute ihn als Vater dieser Initiative sehen, die er vor sechs Jahren gegen Widerstände in Politik und Wirtschaft gewonnen hatte. Seitdem ist es ruhiger um ihn geworden. Das erstaunt Hans-Peter Schaub, Politikwissenschaftler an der Universität Bern, wenig. «Es ist eine besondere Leistung und sehr selten, dass Initiativen so klar gewonnen werden.» Als Ständerat habe Minder aber eine andere Rolle. Im Ständerat sei die Debatte weniger öffentlichkeitswirksam als im Abstimmungskampf. Zentral sei vor allem, wie er in den Kommissionen mitwirke. Minder gewichtet seine politische Kommissionsarbeit ebenfalls mehr als die Vorstösse. Doch die Kommissionsarbeit ist geheim. Der Unternehmer sagt: «95 Prozent des Einflusses auf die Gesetzgebung findet in den Kommissionen statt.» Schon bald soll einer seiner Vorstösse erlauben, dass Papiere aus Kommissionen öffentlich gemacht werden und mehr Transparenz geschaffen wird. Doch was hat Minder tatsächlich erreicht?
Ökologie und Ökonomie aufs Mal
Als Parteiloser gehört er der SVP-Fraktion an, ist laut NZZ-Rating dem rechten Flügel der Partei zuzuordnen und in fünf Kommissionen vertreten. Darunter jene für Rechtsfragen, die Staatspolitische oder die Aussenpolitische Kommission. Seine Hauptthemen sind Umwelt und Wirtschaft. Er ist für die Einheit der Materie und war gegen den AVH-Steuer-Deal. Er ist für Nachhaltigkeit in der Umwelt und gegen das neue Jagdgesetz. Als grösste Errungenschaft nennt Minder, dass er erstens als Mitglied der Aussenpolitischen Kommission Bundesrat Cassis und seine fragwürdige Aussenpolitik beaufsichtige. Er habe sich weiter dagegen gewehrt, dass der Bundesrat den EU-Rahmenvertrag voreilig ratifiziert und die Kohäsionsmilliarde nach Brüssel überwiesen habe. Seine grösste Niederlage der vergangenen vier Jahre sei gewesen, dass seine Motionen «Einheit der Materie bei Gesetzen» und den «Schweizerpsalm als Nationalhymne» am Ständerat gescheitert seien. Neben der «Nicht-Durchsetzung» gewisser Initiativen wie seine Abzockerinitiative. Er hebt eine Studie hervor, die ihn als unabhängigsten Parlamentarier der letzten vier Jahre einstuft. «Das wird so bleiben, weil ich keine Mandate annehme», sagt Minder. Politologe Schaub gibt zu bedenken, dass Mandate eine wichtige, aber nicht die einzige Form von Einflussnahme sei: «Es ist illusorisch, dass ein Parlamentarier total unabhängig ist.» Auch sei er selbst als Parteiloser in eine Fraktion eingebunden. Minder ist bekannt, dass er seine Linie hält.

Thomas Hurter ist seit 2007 für die SVP im Nationalrat und laut NZZ-Rating dem linkeren Flügel der Partei zuzuordnen. In zentralen Fragen politisiert er sachlich meist auf Parteilinie, geht aber auch zugunsten eigener Überzeugungen auch auf Distanz. Er gilt als kollegial, umgänglich, diskussionsbereit und als sehr gut vernetzt. Von Hurter spricht man, wenn es um Kampfjets, die Luftfahrt und den Verkehr geht. Vor vier Jahren wurde er zuerst problemlos als Nationalrat wiedergewählt, später ging er als Bundesratskandidat um die Nachfolge von Eveline Widmer-Schlumpf kurz ins Rennen. Langjährige Beobachter sagen, dass sich damals zeigte, wie sein Kredit bei der Parteileitung wirklich sei. Seitdem ist jedoch wieder viel Zeit vergangen. Was hat Hurter in dieser Legislatur tatsächlich erreicht?
Verkehrspolitiker durch und durch
Im Nationalrat hat sich Hurter als Sicherheitspolitiker einen Namen gemacht und sitzt auch in der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen. Seinen Stammthemen bleibt Hurter auch bei Vorstössen und den zahlreichen Mandaten treu. Neue Themen wie zum Beispiel durch sein ACS-Präsidium sind kaum auszumachen. Die Frage ist jedoch, welche Anliegen und Interessen er als Parlamentarier vertritt und durchbringt. Mit dem Schwerpunkt Wirtschaft, Sicherheit und Verkehr sowohl in den Kommissionen als auch bei den Mandaten bleibt sein Einfluss intakt. Hurter ist im Verwaltungsrat des Argenius Risk Experts, präsidiert den Zentralvorstandes Automobil Club der Schweiz (ACS) und den Vorstand der Aerosuisse. Er ist Mitglied der Wirtschaftskommission der Industrie- und Wirtschafts-Vereinigung in Schaffhausen.
Auf seine Errungenschaften angesprochen, nennt Hurter als erstes in der Wirtschaft seinen Vorstoss, der Forschungs- und Entwicklungsbemühungen steuerlich berücksichtigt und inzwischen umgesetzt worden ist. «Das ist für unser innovatives Land ein wichtiges Anliegen», sagt er. Nachdem seine Motion über den Ausbau der Bahnlinie von Schaffhausen nach Basel am Ständerat gescheitert war, konnte er das Anliegen in der Verkehrskommission wieder einbringen und durchbringen. Ebenfalls für Verkehrsanliegen in Schaffhausen setzte er sich zum Beispiel für eine bessere Losaufteilung Galgenbucktunnel, damit auch Schaffhauser Unternehmen mitbieten können.
Ausserdem machte er sich stark für eine Priorisierung der zweiten Röhre Fäsenstaub oder den Strassen- und Bahnausbau nach Zürich ein. Punkto Sicherheit nennt er etwa die erfolgreiche Einführung des neuen Nachrichtengesetzes, der Rahmenkredit für die Armee über vier Jahre und die Aufstockung des Grenzwachtkorps.