Wahlkampfzeiten versetzen die Betroffenen (also die Kandidaten, die Medienleute und die Wählerschaft) in einen Ausnahmezustand, es geht ja um nichts Geringeres als persönliche Schicksale und den Kampf der Weltanschauungen, also um die (politische) Wurst. Und auch darum, welchen Kurs Regierung und Parlament in den kommenden vier Jahren steuern werden.
von Norbert Neininger
Worin nun unterscheidet sich der Wahlherbst 2011 von den vorhergehenden, die wir überblicken können? Zuerst einmal: Vieles ist gleich, gleich ist das grosse Engagement der Supporter der Kandidatinnen und Kandidaten, nicht verändert hat sich die Leidenschaft, mit der an den Stamm- und anderen Tischen versucht wird, das Resultat vorauszusagen. Hier und im Nachbarkanton Zürich wird beispielsweise gewettet, ob es bei den Ständeratswahlen zu einem zweiten Wahlgang kommen wird; wer den Blick auf die Eidgenossenschaft richtet, stellt sich die grundsätzlichere Frage: Welche Wähleranteile erreichen die einzelnen Parteien am Wochenende des 23. Oktobers? Und wie wird – in der Folge – der Bundesrat zusammengesetzt sein, sprich: Kann die FDP ihren zweiten Sitz halten, und wird die Splitterpartei BDP noch in der Regierung vertreten sein?
Verliert die FDP, wächst die Gefahr, dass sie einen Sessel räumen muss
Man braucht kein Prophet zu sein, um vorauszusagen, dass die SVP auch nach der Wahl den berechtigten Anspruch auf zwei Sitze im Bundesrat haben wird, das gilt – wenn auch in geringerem Masse – wohl auch für die SP. Danach wird es spannend: FDP-Parteipräsident Pelli macht den Anspruch auf den zweiten FDP-Sitz vom Wahlausgang abhängig. Sollte die FDP wirklich, wie Prognosen lauten, Wähleranteile verlieren, läuft sie Gefahr, einen ihrer Sessel räumen zu müssen.
Auch Germann gehört zum Kreis der Bundesratskandidaten
Mehr als andere Jahre beeinflussen die Parlamentswahlen diesmal die Zusammensetzung der Regierung, nicht nur in parteipolitischer, sondern auch in personeller Hinsicht. So wird es beispielsweise vom Ausgang der Ständeratswahlen im Kanton Zürich abhängen, ob Christoph Blocher – den inzwischen sogar die SVP-kritische «Neue Zürcher Zeitung» zur Wahl empfiehlt – mit einem guten Resultat ins Stöckli einziehen oder in den Nationalrat gewählt werden wird. Neben Caspar Baader und Adrian Amstutz gehört der alt Bundesrat nach einer allfälligen guten Wahl in den Ständerat zum kleinen Kreis der aussichtsreichen Kandidaten. Je nach der dannzumaligen Konstellation scheint auch der Schaffhauser Ständerat Hannes Germann – dessen Wiederwahl kaum gefährdet sein dürfte – keineswegs chancenlos. Auffällig bleibt in diesem Wahlherbst, dass die Themen, welchen sich die Kandidatinnen und Kandidaten widmen sollen, schnell wechseln. Auf die Debatte um die Kernenergie nach dem Atomunfall in Japan folgte die Diskussion um den starken Franken, welche um die Sorge wegen der Bankenkrise erweitert wurde. Und erst jetzt, kurz vor den Wahlen, reden alle sehr oft und gerne über die Zuwanderung. Den Takt schlagen die Umfrageergebnisse und die Medien; gut dran ist auch diesmal, wer sein politisches Programm langfristig angelegt hat und es nicht dem gerade herrschenden Trend anpassen muss.
Wer sich einem Wahlkampf aussetzt, soll Wertschätzung erfahren
Jetzt, noch drei Wochen vor den Wahlen, wird der Ton härter, die Angriffe werden persönlicher. Davon sind wir in Schaffhausen bis anhin einigermassen verschont geblieben: Die Kandidatinnen und Kandidaten gehen respektvoll miteinander um. Dies und die Anerkennung der Öffentlichkeit haben sie alle auch verdient: Wer sich einem Wahlkampf mit all seinen Konsequenzen aussetzt, soll – unabhängig von seiner politischen Einstellung – Wertschätzung erfahren, sogar dann, wenn das Engagement für die Gemeinschaft nicht völlig uneigennützig sein mag. Auf einem der zahlreichen Podien war man sich unter den Kandidaten kürzlich einig, dass es angesichts der Herausforderungen für das Land gerade diesmal sehr wichtig sei, dass die Stimmbeteiligung hoch sei. Bleibt anzufügen: Darüber hinaus ist entscheidend, wen man wählt.