Umstrittene Entscheide sind bereits gefallen bei der IV-Revision, dem Ärztestopp, beim Gripen und beim elektronischen Abstimmungssystem. Agrarpolitik, Alkoholgesetz und Kartellrecht sind die drei grossen Brocken, die der Ständerat in der dritten Sessionswoche zu bewältigen hat.
Von Hannes Germann
Eine bewegte Frühjahrssession geht in die Schlussphase. Das gilt auch für die Agrarpolitik 2014–16. Die Differenzbereinigung läuft auf vollen Touren, das Dossier kommt in die Schlussabstimmung. Der Ständerat hat sich mit der Aufstockung des Rahmenkredits um 160 Millionen Franken dem Nationalrat angeschlossen. Die grösste verbleibende Differenz mit dem Nationalrat betrifft den Milchmarkt. Die kleine Kammer hält daran fest, die Verantwortung für Milchverträge der Branche zu überlassen – und nicht dem Bundesrat und der Verwaltung. Mal sehen, ob sich der Nationalrat ebenfalls für Eigenverantwortung statt Staat ausspricht.
Das neue Alkohol- und Spirituosengesetz bringt vor allem eine Verteuerung der inländischen Produktion. Es sollen wohl primär die Kassen des Bundes für teure Präventionskampagnen geäufnet werden. Paradox: Da werden Hochstammbäume subventioniert – um dann die Verarbeitung von Äpfeln, Birnen, Pflaumen oder Zwetschgen so zu verteuern, dass man die Obstüberschüsse besser gleich verrotten lässt. Dafür decken sich die Jungen dann mit billigem Importfusel ein. Verkehrte Welt! Beim Kartellrecht muss sich weisen, ob das Parlament einen zahnlosen Tiger oder griffige Verbesserungen will. Ob es gelingt, endlich auch ein Zeichen dafür zu setzen, dass sich die Schweiz bei Importen nicht vom Ausland ausnehmen lässt? Dies wäre für unsere KMU wie auch für den Detailhandel wünschbar und als Zeichen gegen den wachsenden Einkaufstourismus nötig. Bei der IV-Revision pocht der Ständerat auf Sparmassnahmen, wogegen grundsätzlich nichts einzuwenden ist. Eine volle IV-Rente soll künftig nur noch erhalten, wer zu mindestens 80 Prozent invalid ist (bisher ab 70 Prozent). Aus meiner Sicht ist das in doppelter Hinsicht ein Fehlentscheid. Erstens findet dadurch lediglich eine Kostenverschiebung vom Bund zu den Kantonen und vor allem zu den Gemeinden statt, denn sie sind für Ergänzungsleistungen oder Sozialhilfe zuständig. Bereits heute sind 40 Prozent der IV-Bezüger auf Ergänzungsleistungen angewiesen. Und zweitens müssen, weil für die heutigen IV-Rentner der Besitzstand gewahrt bleibt, während 50 und mehr Jahren zwei Systeme parallel geführt werden. Fazit: unwürdig, ungerecht und inakzeptabel. Ich hoffe, dass hier die Mehrheit im Nationalrat hart bleibt. Schwer verständlich ist für mich auch der Entscheid für den Ärztestopp. Dass der Entscheid nur mit Stichentscheid des Ratspräsidenten zustande kam, macht die Sache nicht besser. Berufsverbote sind aus meiner Sicht grundsätzlich fragwürdig und falsch. Dabei wäre es doch längst überfällig, die Hausarztmedizin nachhaltig zu stärken. Unser Land braucht eine angemessene, aber flächendeckende ärztliche Grundversorgung. Ja zum Gripen, Nein zum Geld dafür. Das Volk schüttelt verständnislos den Kopf. Aber so will es die Schuldenbremse. Schade, dass dieses sinnvolle Instrument nicht überall gilt. Die gleichen Armeekritiker verteilen andernorts jährlich wachsende Milliardenbe-träge – ohne Schuldenbremse und ohne Referendumsmöglichkeit für das Volk. Mit dem Ja zum elektronischen Abstimmungssystem wird einem unwürdigen Theater ein Ende bereitet. Vollständige Transparenz haben gewisse Medien und Lobbyisten unaufhörlich und letztlich mit Erfolg gefordert. Und dabei selbstverständlich keinerlei persönliche oder unternehmerische Interessen offengelegt. Aber sorry, man soll ja nur Gleiches mit Gleichem vergleichen.
Hannes Germann (SVP) ist Schaffhauser Ständerat.