Im neuen Alkoholgesetz will der Bundesrat eine nächtliche Verkaufssperre festlegen. Vor allem im Sommer könnte ein solches Verbot Wirkung zeigen, sagt der Schaffhauser Beauftragte für Jugendfragen.
Von Sidonia Küpfer
Zwischen 22 Uhr und 6 Uhr früh sollen Schweizer Geschäfte keine alkoholischen Getränke mehr verkaufen dürfen. Diese Änderung schlägt der Bundesrat in der Totalrevision des Alkoholgesetzes vor, die heute im Ständerat behandelt wird. Damit soll die Jugend besser geschützt und gleichzeitig etwas gegen den problematischen Alkoholkonsum getan werden, wie es in der bundesrätlichen Botschaft heisst. Mit dem sogenannten Nachtregime «werden Billigstpreisangebote in Zeiten verunmöglicht, in denen sich der problematische Alkoholkonsum vor allem abspielt».
Das nächtliche Verkaufsverbot ist allerdings umstritten: In der vorberatenden Kommission des Ständerates will eine Minderheit die Verkaufssperre aus dem Gesetz kippen. Würde eine solche Verkaufssperre überhaupt etwas nützen? Rolf Schertenleib, Beauftragter für Jugendfragen in der Stadt Schaffhausen, ist zuversichtlich: «In den Sommermonaten könnte ein solches Verbot tatsächlich eine leichte Entspannung bringen.» In der warmen Jahreszeit könne man zwischen 22 und 23 Uhr regelmässig einen «Sixpack-Tourismus» zu den noch offenen Geschäften erleben, die Alkohol verkauften. «Diese eine Runde mehr, die sich die Jugendlichen dann gönnen, ist nicht selten die eine Runde zu viel – die Folgen zeigen sich jeweils am Morgen den Putzequipen», sagt Schertenleib. Im Winter falle das «günstige Vortrinken», damit die Jugendlichen in den Clubs nur noch einen der teureren Drinks kaufen müssen, weniger auf. Obwohl Schertenleib Vorteile bei einem nächtlichen Verkaufsverbot sieht, Wunder erwartet er davon nicht: «Man betreibt natürlich immer auch ein Stück weit Symptombekämpfung.»
Mittel gegen spontane Besäufnisse
Grundsätzlich sieht aber auch Patrik Dörflinger, Leiter Suchtberatung des Schaffhauser Vereins für Jugendfragen, Prävention und Suchthilfe (VJPS), Vorteile bei einer nächtlichen Alkoholverkaufssperre: «Eine Eingrenzung der Verfügbarkeit von Alkohol löst das Problem zwar nicht, aber es kann helfen.» Würden die Jugendlichen dann den Alkohol nicht einfach schon am Nachmittag kaufen? «Das ist möglich, aber zumindest spontane Besäufnisse aus Langeweile würden nicht stattfinden», sagt Dörflinger. In der Tat sind es vor allem Junge, die ausserhalb der üblichen Ladenzeiten Alkohol kaufen – insbesondere in Tankstellen, Kiosken und Bahnhofsshops, wie Suchtmonitoring Schweiz festhält: «Jugendliche und junge Erwachsene kaufen etwas häufiger und somit spontaner ein (…).» Vieles spreche für häufigere Spontankäufe bei Jungen, «wogegen mit zunehmendem Alter Alkohol ‹eher auf Vorrat› und dann zu üblichen Ladenzeiten gekauft» werde. Nebst der Verfügbarkeit von Alkohol spielt aber auch der Preis eine Rolle: Mehrere Verbände, die in der Alkoholprävention tätig sind, kritisierten diese Woche, dass das neue Alkohol-gesetz keine einzige preisgestaltende Massnahme mehr enthalte – nachdem diese im ersten Entwurf zur Totalrevision noch vorgesehen waren. Dabei sei erwiesen, dass der problematische Alkoholkonsum über den Preis gezielt beeinflusst werden könne, schreibt Sucht Schweiz. Die Interessen der Industrie würden über die Interessen der öffentlichen Gesundheit gestellt. Dass der Preis einen Einfluss auf das Trinkverhalten gerade auch von Jugendlichen habe, bestätigt auch Patrik Dörflinger: «Alkohol ist zu billig, das kann man klar so sagen. Man kann sich auf billigste Art und Weise einen Rausch antrinken.»
Germann kritisiert Testkäufe
Im Ständerat wird zudem auch diskutiert, ob Zugaben und Vergünstigungen auf Spirituosen – wie sie zum Beispiel bei «Happy Hours» üblich sind – verboten werden sollen. Der Schaffhauser Ständerat Hannes Germann (SVP) kritisiert, dass die Gesetzesrevision die Destillate der einheimischen Hochstammbäume verteuern wolle. Das seien nun wirklich nicht die Produkte, mit denen sich Jugendliche betrinken würden. Und die neue Gesetzesgrundlage für Alkoholtestkäufe hält Germann für übertrieben: «Da schiesst man mit Kanonen auf Spatzen», sagt er den SN. Auf eine Verkäuferin oder eine gestresste Serviceangestellte zu zielen, die einem Jugendlichen versehentlich Alkohol verkaufe, anstatt sich den Jugendlichen selbst vorzuknöpfen, sei doch heuchlerisch. «Verdeckte Ermittlung sollte nur bei schweren Delikten zum Einsatz kommen. Bei Alkoholverkäufen ist das unverhältnismässig», sagt Germann. Das Alkoholgesetz stammt aus dem Jahr 1932. Es soll neu durch ein Spirituosengesetz und ein Alkoholhandelsgesetz ersetzt werden.