Schaffhauser Nachrichten: Vernunft statt Goldrausch

Hannes Germann zur Goldverteilung

Nach jahrelangem Tauziehen sind die wichtigsten Weichen bei der Goldverteilung gestellt. Die Kantone erhalten zwei Drittel aus dem Erlös der nicht mehr benötigten Währungsreserven. Die ominösen 1300 Tonnen Gold sind übrigens auch physisch nicht mehr im Besitz der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Diese hat über die letzten Jahre täglich jeweils eine Tonne des kostbaren Edelmetalls veräussert. Gerade so viel, wie offenbar der Weltmarkt absorbieren konnte, ohne dass es zu Kurseinbrüchen gekommen wäre. Der Verkauf wird in diesem Frühjahr definitiv abgeschlossen und einen Gegenwert von 21,1 Milliarden Franken einbringen. Ab kommendem Mai – darauf haben sich die SNB und das zuständige Finanzdepartement geeinigt – werden die ersten beiden Drittel des Volksvermögens nun verteilt. Freilich nicht ans Volk, sondern an die Kantone. Ohne Zweckbindung, wie wir das im Ständerat durchgesetzt haben. Die einen Kantone haben bereits entschieden, dass auch der dritten Föderativebene ein Anteil zukommen soll. Die Gemeinden sollen damit ebenfalls Schuldenabbau betreiben können, wie die Kantone es selbst zu tun gedenken. Diese Lösung hat den Vorteil, dass künftige Generationen wieder mehr Spielraum für Investitionen erhalten. Schuldenabbau wirkt sich nachhaltig positiv aus und kommt vor allem auch den künftigen Generationen zugute. Bleibt zu hoffen, dass die übrigen Kantone bei den Diskussionen um die Verteilung des Geldsegens nicht in einen Goldrausch verfallen, sondern nüchtern bleiben. Denn ausgegeben ist das Geld schnell. Und vernichtet möglicherweise auch, wie uns das Beispiel Swiss schmerzlich vor Augen führt.
Was aber soll mit dem dritten Drittel passieren, also jenen sieben Milliarden, die in den Besitz des Bundes übergehen? Möglichkeiten für eine sinnvolle Verwendung liegen auf der Hand. Man könnte sie der AHV gutschreiben und damit sicherstellen, dass letztlich alle irgendwie davon profitieren. Würden die Mittel für den Schuldenabbau eingesetzt, liessen sich bei einem durchschnittlichen Zinssatz von drei Prozent mittelfristig Entlastungen von rund 200 Millionen Franken pro Jahr realisieren. Keine schlechte Option, wenn man sich die Schwierigkeiten vor Augen führt, im Entlastungsprogramm 2004 auch nur geringe Summen einzusparen.
Doch noch ist das Ei des Kolumbus nicht gefunden. Die Mehrheit des Ständerates wollte den Bundesanteil zur Entschuldung der Invalidenversicherung (IV) verwenden. Technisch hätte man die sieben Milliarden dann dem AHV-Fonds gutgeschrieben, aus dem die IV ihre Defizite deckt. Derzeit belaufen sich die kumulierten Defizite der IV auf fast sieben Milliarden Franken. Da drängte sich dieser Schritt für eine Mehrheit im Ständerat geradezu auf, zumal man sich darin einig ist, dass die IV dringend saniert werden muss. Doch allein im letzten Jahr belief sich das Betriebsdefizit der IV auf rund 1,5 Milliarden Franken. Die Ausweitung von körperlichen auf psychische Gründe hat die Möglichkeiten dieses Versicherungswerkes endgültig gesprengt. Dazu kommt ein erhebliches Missbrauchspotenzial. Der Fall jenes IV-Bezügers, der partout keinen Chef ertragen kann und deshalb IV bezieht, ist möglicherweise ein Einzelfall. Er zeigt aber das Dilemma auf, in dem sich die IV befindet. Ohnehin steht fest, dass sich mit der Zuweisung der sieben Goldmilliarden zu Gunsten der IV lediglich ein in der Vergangenheit erwirtschaftetes Loch stopfen liesse. Und das fatale Signal nach aussen: Wer in diesem Land Schulden anhäuft, über den ergiesst sich irgendwann ein staatlicher Goldsegen. Darum ist zu begrüssen, dass der Nationalrat auf diesen Vorschlag nicht eingetreten ist. Was allerdings heisst, dass das Tauziehen um die sieben Milliarden weitergeht.