Schaffhauser Nachrichten: Weibeln in der Wandelhalle

Nächste Woche wird im Ständerat einmal mehr die Rolle der Lobbyisten debattiert. Die Parlamentarier sind sich nicht einig: Freund oder Feind?

Von Anna Kappeler

Bern «Der Lobbyismus bestimmt das politische Geschäft», sagt Thomas Minder (parteilos/SH) gegenüber den SN im Vorzimmer des Ständerates. «Der ganze Ratsbetrieb ist so geregelt, dass die Parlamentarier von 13 Uhr bis 15 Uhr Mittagspause haben.» Dieser Zeitpunkt sei sicher nicht bestimmt worden, weil alle Politiker um 13 Uhr Hunger hätten, sondern damit sie in Ruhe mit den Lobbyisten essen gehen könnten, ist Minder überzeugt. Und: «Jeder von uns ist bestechlich, wenn man ihn lange genug bearbeitet.» Es könne doch nicht angehen, dass mehr Lobbyisten als Parlamentarier in Bundesbern ein und aus gingen. Deshalb legt Minder dem Ständerat nächste Woche eine parlamentarische Initiative mit der Forderung nach «Weniger Lobbyismus im Bundeshaus» vor. Darin fordert er, den Lobbyisten keine dauerhaften Zutrittskarten mehr auszustellen. Momentan verfügt jeder Parlamentarier nebst seiner eigenen Karte über zwei weitere. Minder will, dass diese Badges nur noch an persönliche Mitarbeitende oder an erweiterte Familienmitglieder ausgestellt werden dürfen.

Gut 300 Lobbyisten haben laut der Verwaltungsdelegation der Bundesversammlung momentan Zutritt zum Parlamentsgebäude. Deren genaue Zahl lässt sich nur schwer ausfindig machen, weil nicht immer alle Lobbyisten als solche erkennbar sind. Auch ist es nicht immer offensichtlich, in welchem Auftrag jemand unterwegs ist.

Lobbyismus ist Teil der Demokratie

Doch stören sich die Parlamentarier wirklich an den vielen Interessenvertretern in den Vorhallen der beiden Ratskammern? Verena Diener (GL/ZH) verneint. «Ich finde, in einer Demokratie, in der man sich eine Meinung muss bilden können, ist es sinnvoll, auch verschiedene Überzeugungen zu hören.» Es komme darauf an, so Diener, ob man sich vom Gehörten beeindrucken lasse oder die Aussagen nicht einfach dafür brauche, seine Meinung zu festigen. Schliesslich seien die Parlamentarier alle mündig und von der Bevölkerung gewählt – was ein gewisses Attest für ihre Fähigkeit sei. Wenn sich jemand dem Lobbyismus beuge und Meinungen vertrete, die nicht dem persönlichen Empfinden entsprächen, habe das weniger mit den Lobbyisten als mit der eigenen Schwäche zu tun. Auch für Hannes Germann (SVP/SH) «gehören die Lobbyisten im Grunde genommen dazu». Manchmal habe es im Bundeshaus zwar «schon etwas viele Interessenvertreter», doch sei er als Parlamentarier ja nicht ihnen, sondern sich selber und dem Volk verpflichtet. Wie Diener ist auch Germann der Auffassung, dass die Lobbyisten zur Meinungsbildung beitragen können. Einen seiner beiden Badges habe denn auch die Kommunikationsberaterin Renate Hotz, die Frau des in Schaffhausen und im Bundeshaus bestens bekannten Martin Schläpfer. Schläpfer ist Leiter der Direktion Wirtschaftspolitik bei der Migros und folglich wie seine Frau Lobbyist. Bei der Vergabe seines Badges sieht Germann kein Problem, die Badgeliste sei ja öffentlich und einsehbar.

Lobbyisten mit Akkreditierung?

Bereits in der Frühlingssession hatte der Ständerat über eine ähnliche parlamentarische Initiative, wie sie Minder nun vorlegt, zu entscheiden. Darin forderte Didier Berberat (SP/NE), dass sich die Lobbyisten analog den Journalisten für einen Bundeshauszutritt akkreditieren müssen. Der Vorschlag scheiterte mit 19 zu 17 Stimmen. Aufgrund dieser Vorgeschichte räumt Berberat Minders Initiative geringe Chancen ein: «Der Ausgang ist zwar schwierig vorauszusagen, aber ich gehe davon aus, dass die Initiative abgelehnt wird. Herr Minders Antrag geht ja noch weiter als meiner. Ich glaube nicht, dass in der kurzen Zeit seit dem Frühjahr ein grosses Umdenken im Rat stattgefunden hat.»

Minder mit schwerem Stand

Deutliche Worte zu Minders Idee findet Diener: «Den Lobbyismus hier im Bundeshaus plötzlich zu einer Schreckensprojektion zu machen, finde ich völlig übertrieben. Deshalb unterstütze ich die parlamentarische Initiative von Herr Minder nicht.» Germann steht der Initiative ebenfalls skeptisch gegenüber, will seine definitive Entscheidung aber erst nach Anhörung der Kommission treffen. Selbst Minder räumt ein, dass er wahrscheinlich keine Mehrheit erreichen wird. Er selber habe zwar noch nie Probleme mit Lobbyisten gehabt, da diese wüssten, dass er das Heu nicht auf derselben Bühne wie sie habe. Ihm gehe es aber darum, mit der Initiative zu zeigen, dass gegen den Lobbyismus im Bundeshaus Handlungsbedarf bestehe. Diese Auffassung teilt auch Berberat, der das Thema nicht ruhen lassen will: «Ich warte vielleicht noch ein Jahr und kehre dann mit einem anderen Vorschlag zurück.»