[Schaffhauser Nachrichten] Wenig Verständnis für Verschärfung

Sollen Geimpfte und Genesene noch stärker bevorzugt werden? Ja, findet die Schaffhauser Regierung. Faktisch läuft diese Forderung auf einen Ausschluss von Getesteten hinaus. Das geht den meisten Politikern zu weit.

Dario Muffler und Gian Schäppi

Dass gewisse Bereiche des Lebens nur Geimpften und Genesenen zur Verfügung stehen, stösst auf Widerstand. BILD MDU

Heftige Reaktionen von Parteien und Politikern auf Forderungen oder Vorlagen von Regierungen sind zwar häufig. Doch diese Woche gab es ziemlich geharnischte Kritik für den Schaffhauser Regierungsrat. Nachdem er sich für klare Vorteile von Geimpften und Genesenen ausgesprochen hatte (SN vom 7. Oktober), veröffentlichte die Junge SVP Schaffhausen am Donnerstag eine Medienmitteilung, in der sie sich gegen eine allfällige 2G-Regel äusserte. Regierungsrat Walter Vogelsanger wolle mit der Kantonsregierung nach dem Entscheid des Bundesrates, dass Testen kostenpflichtig werden solle, «die Gesellschaft noch weiter spalten und die Kontrolle weiter zu ihren Gunsten ausnutzen». Konkretisieren wolle er die Forderung jedoch nicht, sondern verstecke sich hinter dem Bundesrat, so die Medienmitteilung.

Die Auffassung der Jungen SVP zu einer allfälligen 2G-Regel teilt die Präsidentin der Mutterpartei, Andrea Müller. «Für mich kommt das nicht infrage.» Die letzten Monate hätten bewiesen, dass repetitives Testen eine gute Option sei. «Wenn man den Jungen diese Möglichkeit auch noch nimmt, schränkt man ihre Grundrechte ein», sagt Müller. Es seien 40 Prozent der Schweizer ungeimpft; diese könne man nicht einfach «entrechten» und diskriminieren.

Gespaltene Linke

Ganz anders sieht es Christoph Hak, Präsident der Grünliberalen Schaffhausen. «Ich persönlich finde eine 2G-Regel super.» Man müsse an den Schutz der gesamten Bevölkerung denken. Wenn mehr Menschen entweder geimpft oder genesen seien, wäre dies besser gewährleistet.

Werner Bächtold, Präsident der SP Schaffhausen, ist zwiegespalten. Wenn man mit einer 2G-Regel diejenigen, die sich eigentlich impfen könnten, dazu motivieren würde, wäre das grundsätzlich gut, sagt Bächtold. Er wisse jedoch nicht, ob diese Strategie klug sei. «Man muss aufpassen, dass die Gesellschaft dadurch nicht gespalten wird.» Seine Befürchtung sei, dass dies passieren könne, wenn eine 2G-Strategie verfolgt würde.

Bundesparlamentarier winken ab

Etwas Verständnis zeigt auch die Schaffhauser SP-Nationalrätin Martina Munz. «Ich kann die Schaffhauser Regierung verstehen, wenn sie die Situation vermeiden möchte, nochmals mit einer vollen Intensivstation konfrontiert zu sein.» Dass Getestete aus gewissen Bereichen des öffentlichen Lebens ganz ausgeschlossen werden, hält sie aber für den falschen Weg. «Wir dürfen die Leute nicht zum Impfen zwingen», sagt Munz. «Denn eine Impfung ist noch immer ein Eingriff in den Körper.»

Viel eher würde es die SP-Nationalrätin begrüssen, wenn die noch nicht geimpfte Be­völkerung weiter aufgeklärt werde. «Es sollte beispielsweise die Möglichkeit geben, sich mit Personen aus dem Gesundheitswesen zu unterhalten, um zu sehen, wie sehr diese Leute gefordert sind.» Und dann brauche es niederschwellige Angebote, um sich impfen lassen zu können. «In diesem Bereich haben die Kantone ja auch schon viel gemacht», sagt Munz.

In eine ähnliche Richtung argumentiert einer aus der gegenüberliegenden politischen Ecke: der Schaffhauser Ständerat Hannes Germann (SVP). «Testen muss weiterhin möglich bleiben», hält er fest. «Ein indirekter Impfzwang ist falsch.»

Germann betont, dass es ihm als Standesvertreter fern liege, die Regierung zu kritisieren. Aber er sagt dann doch: «Die Bundesstrategie ist schon restriktiv genug. Es braucht keine weiteren Einschränkungen.»

Weitere Umsatzeinbussen befürchtet

Sowohl Munz als auch Germann befürchten bei weiteren Einschränkungen eine tiefere Spaltung der Gesellschaft. Für Germann ist klar, dass der Bundesrat daran eine Mitschuld trägt: «Er hat eine Ausstiegsstrategie skizziert, aber davon ist aktuell noch nichts zu sehen, obwohl der Zeitpunkt gekommen wäre.»

Aus Sicht des Chefökonomen von Economiesuisse, Rudolf Minsch, käme es mit einer 2G-Regel zu weiteren Umsatzeinbussen in der Gastronomie. «Doch viel wichtiger ist die Frage, wie wir die Impfquote steigern können», sagt Minsch. «Aus demokratiepolitischer Sicht ist eine 2G-Regel keine gute Idee. Alle Leute sollen am öffentlichen Leben partizipieren können.»

Wie man die Ungeimpften dazu bringen könne, sich impfen zu lassen, sei aktuell aber die Millionenfrage. «Das geht am Ende nur mit Überzeugungsarbeit», sagt Minsch. «Denn die Schweizer hassen es, wenn sie zu etwas gezwungen werden.»

Nachgefragt

Walter Vogelsanger ist Gesundheitsdirektor des Kantons Schaffhausen. Der SP-Regierungsrat ist seit 2016 im Amt.

«Der Fokus sollte auf den bereits Geimpften liegen»

Nachdem diverse Medien die Berichter­stattung der SN aufgenommen hatten, sah sich der Schaffhauser Regierungsrat dazu veranlasst, eine Medienmitteilung zu versenden, in der eine Richtig­stellung gefordert wurde. Gesundheitsdirektor Walter Vogelsanger nimmt Stellung.

Herr Vogelsanger, Sie verneinen, eine 2-G-Regel gefordert zu haben. Was ­bedeutet die folgende Aussage in den SN vom 7. Oktober, auf die explizite Frage, ob sie eine 2G-Regel fordern, anderes: «In einem ersten Schritt werden nun die Tests kostenpflichtig, konsequenterweise wäre der nächste Schritt, dass man diese nicht mehr ­akzeptieren würde.»

Walter Vogelsanger: Unsere Aussage war es, dass der Fokus mit der geplanten Impfoffensive des Bundes aktuell auf den Nicht-Geimpften liegt. Die Schaffhauser Regierung ist aber der Ansicht, dass der Fokus nun auf die bereits ­Geimpften gelegt werden sollte. Es ist weder die Haltung der Regierung noch von mir persönlich, dass jetzt eine 2G-Regel eingeführt werden sollte.

Sie sprechen in der Medienmitteilung vom 8. Oktober eindeutig von einer «gewissen Priorisierung beziehungsweise Vorteilen für Geimpfte und Genesene, die geschaffen werden sollten». Auch in der Konsultationsantwort an den Bund findet sich die 2G-Gruppe. Es heisst: «Der Bund sollte mit klaren Vorteilen für die 2G-Gruppe die Impfbereitschaft der nicht Genesenen beziehungsweise Nicht-Geimpften erhöhen.» Was heisst das dann, wenn keine 2G-Regel?

Vogelsanger: Es geht um die Lockerung der Einschränkungen, die für die Gesellschaft aktuell gelten. All jene, die sich impfen liessen, haben etwas auf sich ­genommen, um zurück in die Normalität zu kommen. Diesen Schritt sollte man wertschätzen. Darum sollte der ­Fokus verändert werden. Wir haben eben gerade nicht gefordert, den Nicht-Geimpften etwas wegzunehmen und ­ihnen den Zugang zu Veranstaltungen oder Örtlichkeiten zu verunmöglichen.

Nochmals: Was schwebt Ihnen vor?

Vogelsanger: Wir haben keine konkreten Vorschläge. Wir regen beim Bund aber an, in diese Richtung innovativ zu werden.

Wollten Sie mittels der Ausweitung der Zertifikatspflicht weitere Vorteile für Geimpfte und Genesene schaffen?

Vogelsanger: Es geht nicht um die Ausweitung der Zertifikatspflicht. Es gibt beispielsweise am Flughafen die Businessline, wo man schneller an der Reihe ist. Solche kleinen Vorteile könnte ich mir vorstellen. Eine 2G-Regel zu fordern, lag und liegt uns fern. Das hätten wir ganz anders kommuniziert.

Sie haben aber gesagt: «In welchen ­Bereichen eine 2G-Regel angewendet werden könnte, soll der Bundesrat entscheiden.» Hat die Schaffhauser Regierung denn ein übergeordnetes Ziel, das Sie in den Konsultations­antworten an den Bund verfolgt?

Vogelsanger: In der Konsultation ging es um die Impfoffensive. Die Hauptfrage ist, wie wir zurück in die Normalität kommen und es egal ist, ob jemand ­geimpft ist oder nicht. An diesem Punkt sind wir gemäss Modellrechnungen noch nicht. Natürlich könnte man auch mehr Risiko eingehen und jetzt bereits Öffnungsschritte wagen. Das ist aber ein politischer Entscheid.

Diese Öffnung wäre schneller möglich, wenn sich mehr Leute impfen liessen. Welche andere Massnahmen gibt es denn jetzt noch, als den Impfdruck auf die Bevölkerung weiter zu erhöhen?

Vogelsanger: Wir müssen den Leuten weiterhin klar machen, dass die Impfung nach wie vor das wirksamste Instrument ist, um aus den Massnahmen zur Eindämmung dieser Pandemie herauszukommen. Dafür haben wir im Kanton Schaffhausen schon einiges gemacht. Und nun sollten wir darüber nach­denken, den bereits Geimpften etwas ­zurückgeben zu können, ohne den Nicht-Geimpften etwas wegzunehmen.