Also doch: Hannes Germann will nochmals für die SVP in den Ständerat, wie er im Interview mit den SN offenlegt. Das wäre seine letzte Legislatur, sagt der 66-Jährige und legt dar, weshalb er weder kategorisch gegen neue AKW noch gegen Waffenlieferungen an befreundete Staaten ist – und das trotz Neutralität.
Im Gespräch mit: Hannes Germann
Robin Blanck
Während sich die Kandidaten der SP bereits wacker in Stellung gebracht haben und der Freisinn ebenfalls ankündigt, bei den Wahlen für den Ständeund den Nationalrat mitzumischen, blieb es bei der SVP als grösste Partei vergleichsweise ruhig. Wer sich nach den Kandidaten erkundigte, wurde vertröstet. Bis jetzt. Denn nun sagt der amtsälteste Schaffhauser Bundesparlamentarier: Ich trete an.
Herr Germann, treten Sie im Oktober 2023 wieder an für den Ständerat?
Hannes Germann: Ich bin für diese Aufgabe noch immer voll motiviert und fühle mich auch gesundheitlich topfit. Wenn dazukommt, dass die Bürgerinnen und Bürger mir das Amt weiterhin zutrauen, dann stehe ich zur Verfügung.
Länger wurde schon gemutmasst, dass Sie eine weitere Legislatur anstreben, nun melden Sie sich zu Wort. Wieso gerade – oder auch: erst – jetzt?
Germann: In diesen Tagen werden die Parteimitglieder darüber informiert, dass sowohl ich als auch Thomas Hurter nochmals antreten wollen – deshalb will ich das auch öffentlich machen.
Haben Sie mit dem Entscheid gerungen?
Germann: Weil ich schon seit 2002 im Ständerat sitze, überlegt man sich einen solchen Entscheid genau. Ich darf aber feststellen, dass mir das Amt sehr grosse Freude bereitet, dass ich hervorragend vernetzt bin und die Dossiers kenne. Ich gehöre schwergewichtigen Kommissionen an. Das für 202425 bevorstehende Präsidium der Gerichtskommission wäre zudem eine sehr spannende Herausforderung. In meinen Augen stimmen die Voraussetzungen.
Sie sind jetzt 66 Jahre alt, im Oktober 2023 werden Sie seit 21 Jahre im Ständerat sitzen, länger waren dort nur Albert Ammann (32 Jahre), gefolgt von Heinrich Bolli und Johannes Müller (beide 27 Jahre). Deshalb hört man immer mal wieder den Einwurf, dass jetzt jüngere Kräfte nachrücken müssen. Was sagen Sie zu diesem Anliegen?
Germann: Am Schluss müssen die Stimm- berechtigten entscheiden, von wem sie sich die beste Vertretung der Kantonsinteressen im Ständerat versprechen. Bei mir wissen die Leute, woran sie sind, und ich spüre nach wie vor grossen Rückhalt – das verstehe ich auch als Verpflichtung, nochmals anzutreten. Was aber auch klar ist: Das wäre definitiv die letzte Legislatur.
Hans-Jürg Fehr hat sich einstmals wiederwählen lassen, und er hatte im Vorfeld erklärt, nicht vorzeitig zurücktreten zu wollen – was er dann doch tat und Martina Munz nachrücken liess. Aus der SP wird bereits jetzt deutlich gemacht, dass Martina Munz nach einer möglichen Wiederwahl auch vorzeitig zurücktreten könnte, um den Sitz für die Partei zu sichern. Muss man damit rechnen, dass auch Sie sich während der Legislatur zurückziehen und dann Thomas Hurter probiert, den Sitz zu übernehmen?
Germann: Nein, anders als beim Nationalrat kommt es im Ständerat bei einem Rücktritt während der Legislatur ja zu einer Zwischenwahl. Das erachte ich nicht als vorteilhaft, und vor allem ist es mit grossen Kosten verbunden.
Es wird also nach einer Wiederwahl im Oktober 2023 keinen vorzeitigen Rücktritt von Hannes Germann geben?
Germann: Wenn ich antrete, dann für vier Jahre. Alles andere wird sich weisen: Man muss gesund, motiviert und überzeugt sein, der Richtige für die Aufgabe zu sein. Solange das stimmt, werde ich bleiben.
Dann gibt es auch keine Absprache mit Thomas Hurter in dieser Hinsicht?
Germann: Nein.
Wie beurteilen Sie das Feld der Herausforderer: Ist es für Sie schwieriger geworden, den Sitz zu verteidigen?
Germann: Es war offengestanden nie leicht, weil immer ein sehr gutes Kandidatenfeld ins Rennen geschickt wurde. Bei den letzten Wahlen hat etwa Paddy Portmann ein sehr gutes Resultat erzielt.
Sie haben Ihre Stärken angesprochen: Wie sieht denn Ihre Bilanz nach 21 Jahren im Amt aus?
Germann: Als einer von 46 Ständeratsmitgliedern darf man sich nicht überschätzen, aber ich konnte schon einiges mitbewegen, etwa dazu beitragen, dass verschiedene Steuervorlagen angenommen wurden, von denen der Kanton Schaffhausen deutlich profitieren kann. Das gilt generell für die wirtschaftlichen Themen, aber auch den Bildungs- und Forschungsbereich. Speziell mit Blick auf Schaffhausen konnte ich mithelfen, die Digitalisierung der wissenschaftlichen Sammlungen auf Bundesebene zu verankern, nun kann das Museum zu Allerheiligen das umsetzen – und äusserst wertvolle Schätze für die Forschung zugänglich machen. Diese Sammlungen können gerade für Artenvielfalt und Klimaforschung entscheidende Erkenntnisse bringen.
Wo sind Sie noch nicht zufrieden?
Germann: Bei der sicheren Versorgung mit genügend CO2-freiem Strom. Es braucht eine Korrektur der Energiestrategie und vor allem Investitionen. Das wird entscheidend sein dafür, dass die Schweiz ihre starke Position in Europa und der Welt halten kann.
Gutes Stichwort: Die Debatte um den Bau neuer Atomkraftwerke flammt wieder auf. Wie stehen Sie dazu?
Germann: Ich konnte den Ausstieg nach dem Schock von Fukushima mittragen, jetzt sehen wir, dass in diesem Bereich eine technische Entwicklung stattfindet und ich glaube, dass wir uns für die Zukunft nicht blind stellen dürfen. Wir haben die Frage des Tiefenlagers zwar noch nicht gelöst, sind dabei aber einen Schritt weitergekommen. Oder anders ausgedrückt: Es fehlen langsam Argumente gegen die friedliche Nutzung der Kernkraft. Wenn wir diese Technologie auf einer weniger gefährlichen Basis nutzen könnten, wäre das ein Befreiungsschlag für den Westen und das Klima der Welt.
Schauen wir auf das Verhältnis Schweiz-EU: Wie kommen wir da vorwärts?
Germann: Die Schweiz hat ein sehr hohes Mass an Weltoffenheit, wie man beispielhaft an der starken Stellung der ETH und der grossen Bedeutung unserer Pharma- Forschung erkennen kann. Das heisst: Wir haben viel zu bieten. Was wir mit Europa zusammen lösen können, sollten wir angehen, aber ich glaube nicht, dass wir uns den techno- und bürokratischen Ideen der EU unterwerfen sollten.
Aber es geht um konkrete Anliegen im Handel. Wie lösen wir das?
Germann: Indem wir besser sind und über- zeugende Lösungen anbieten können. Man konnte es im Bereich der Medizinaltechnik verfolgen: Um auch weiterhin mit wichtiger Technologie aus der Schweiz arbeiten zu können, wurden praktikable Lösungen gefunden. Das ist unser Weg. Ob man das über Bilaterale Plus oder einen EWR 2 ohne Autonomieverlust erreicht, ist nicht entscheidend.
Und wie halten Sie es mit dem Stellenwert der Neutralität?
Germann: Die Neutralität war in der Vergangenheit eine grosse Stärke der Schweiz, wenn wir diese auch künftig richtig auslegen, dann wird sie das auch in Zukunft sein – da müssen wir beharrlich bleiben. Beim Export von Kriegsmaterial erachte ich die Schweizer Regeln als zu restriktiv.
Was heisst das konkret?
Germann: Bisher sind wir mit unserer klaren Haltung, die übrigens auch andere Staaten anwenden, gut gefahren. Aber wenn wir befreundeten Staaten wie Deutschland Waffensysteme und Munition liefern, dann muss es für die deutsche Regierung möglich sein, diese im Notfall auch weiterzugeben. Sonst werden wir über kurz oder lang als Lieferant einfach ersetzt.
Gehört die Schweiz in die Nato?
Germann: Nein, wir sind bündnisfrei und sollten das auch bleiben, gleichzeitig haben wir eine pragmatische Nähe zur Nato, die aus befreundeten Ländern besteht. Wir kaufen Waffensysteme, die kompatibel sind – das muss reichen.
Hannes Germann
Seit 2002 sitzt Germann für den Kanton im Ständerat, er wurde im August 2001 als Nachfolger des im Amt verstorbenen Rico E. Wenger gewählt. Der ausgebildete Betriebsökonom hat als ersten Beruf die Lehrerausbildung absolviert und arbeitete nach seiner Lehrtätigkeit als Wirtschaftsredaktor. Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter. (rob)