
Vor den Wahlen empfehlen viele Verbände Kandidaten. Wie die Empfehlungen zustande kommen, ist aber oft unklar. Wir haben nachgefragt.
von Zeno Geisseler
Welche Nationalratsliste soll man am 25. Oktober in die Urne werfen, welche Ständerate auf den Zettel schreiben? Kaum einer kann sich die Zeit nehmen, um alle Kandidaten auf ihre Vor- und Nachteile abzuklopfen oder im offiziellen Protokoll des Bundesparlaments nachlesen, wie die bisherigen Vertreter in Bern so abgestimmt haben.
Diverse Vereinigungen springen gerne in die Lücke und publizieren vor der Wahl ihre Empfehlungen. In Schaffhausen haben zum Beispiel die Gewerbeverbände von Stadt und Kanton, der Hauseigentümerverband oder der WWF die Kandidaten geprüft. Auch der Autogewerbeverband Schweiz hat für Schaffhausen eine Empfehlung publiziert. Doch wie kommen diese Empfehlungen eigentlich zustande?
WWF legt alles offen
Sehr transparent ging der WWF (zusammen mit anderen Umweltverbänden) vor. Die Kandidierenden erhielten einen Bogen mit 25 Fragen zu Umweltthemen, etwa «Soll die Schweiz ihre Treibhausgase mindestens um 30 Prozent bis 2020 senken?». Bei den bisherigen Nationalräten wurde zu-dem ihr Abstimmungsverhalten in Umweltfragen analysiert. Daraus ergibt sich eine Einschätzung, die auf www. umweltrating.ch eingesehen werden kann. «Wir verzichten darauf, eine eigentliche Empfehlung auszusprechen», sagt Barbara Gehring vom WWF Schaffhausen. «Die Wähler sind mündig genug, ihr eigenes Urteil zu fällen.» Das Rating soll aber eine Entscheidungsgrundlage sein. Das Verfahren der Umweltverbände ist sehr transparent, die Fragebögen sind samt Antworten online abrufbar. Das Umweltranking hat aber auch Nachteile. Erstens sind von den 21 Kandidierenden für den Nationalrat im Kanton Schaffhausen nur gerade vier Personen vertreten: Hans-Jürg Fehr und Martina Munz von der SP, Patrick Portmann von der CVP und Thomas Hurter von der SVP. Bei den Ständeräten finden sich immerhin vier der fünf Kandidaten. «An uns liegt es nicht», sagt Gehring. «Wir haben alle Kandidierenden zur Teilnahme eingeladen, einige wollten aber nicht mitmachen.» Zweitens deckt das Ranking, wie sein Name sagt, nur Umweltthemen ab – was aus Verbandssicht zwar legitim ist, aus Wählersicht aber Fragen offenlässt.
Gewerbe: Vorstand entscheidet
Weniger transparent küren die Gewerbeverbände ihre Kandidaten. «Der Vorstand entscheidet, sofern die Empfehlung unbestritten ist respektive die Kandidaten einen entsprechenden Leistungsausweis vorzuweisen haben und das Gewerbe/KMU entsprechend unterstützen», schreibt der Gewerbeverband der Stadt Schaffhausen auf Anfrage. Entscheidungsgrundlagen seien Kompetenz, Leistungsausweis und Verbandszugehörigkeit. Ähnlich tönt es beim Kantonalen Gewerbeverband: «Verbundenheit mit dem Gewerbe und den KMU, bisheriger Leistungsausweis, Mitgliedschaft im Verband, potenzielle Wahlchancen, Art und Weise der bisherigen Zusammenarbeit» seien die Kriterien. Hier nimmt eine Arbeitsgruppe eine Vorauswahl vor und unterbreitet sie dem Vorstand, der den finalen Entscheid fällt. Beide Verbände unterstützen bei den Ständeratswahlen Hannes Germann von der SVP (bisher) und Christian Heydecker von der FDP, also einen Berufspolitiker und einen Rechtsanwalt. Diese Wahl erstaunt Thomas Minder aus Neuhausen, der als Parteiloser kandidiert: «Ich bin langjähriger Geschäftsführer eines KMU, wurde aber nicht berücksichtigt.» Er sei nicht einmal zu einem Hearing vorgeladen worden, auch einen Fragebogen habe es nicht gegeben. Der Kantonale Gewerbeverband bestätigt dies. Eine Befragung gebe es nicht, «wir kennen die Kandidatinnen und Kandidaten, die wir unterstützen», schreibt Renato Brunetti, der Geschäftsführer. Hearings gebe es eher selten und nur, wenn die Unterstützung eines Kandidaten umstritten sei.
HEV entschied sehr früh
Auch der Hauseigentümerverband Schaffhausen (HEV) hat im Vorfeld nicht mit den Kandidaten gesprochen. Es gebe keine Befragung per Frage- bogen und auch keine Hearings, sagt Renato Brunetti, der auch in diesem Verband Geschäftsführer ist. Die Empfehlung erfolge nach Verbandszugehörigkeit und der Bereitschaft, für eigentumspolitische Anliegen einzutreten. Pikant ist beim HEV, dass er bereits am 16. Juni die Wahlempfehlung beschloss, also mehr als vier Monate vor der Wahl. Zu diesem Zeitpunkt war es noch möglich, Listen für den Nationalrat einzureichen. Beim Ständerat gibt es gar keine Deadline, Kandidaturen sind jederzeit möglich. Thomas Minder, der am 13. August, also immerhin auch noch mehr als zwei Monate vor dem Wahltermin, seine Kandidatur bekannt gegeben hatte, wurde vom Hauseigentümerverband gar nicht mehr berücksichtigt – aus terminlichen Gründen: «Der Gesamtvorstand hat bereits beschlossen, bevor Sie sich zur Kandidatur entschieden haben», schrieb der HEV in einer Mail an Minder. Auf Anfrage erklärt Brunetti: «Die Kandidatur für ein solches Mandat ist in der Regel gut überlegt und von langer Hand geplant. Hopphopp-Entscheide kommen ‹verdächtig› daher und wirken wenig überzeugend.» Zur Wahl empfiehlt der Hauseigentümerverband Germann und Heydecker für den Ständerat. Für die zwei Nationalratssitze empfiehlt er die vier Kandidaten Thomas Hurter und Dino Tamagni von der SVP, Roger Paillard von der FDP und Erwin Sutter von der EDU.