Interview: Sidonia Küpfer
Die Schweiz soll nach dem 19. April «schrittweise eine funktionierende Wirtschaft» wiederherstellen. Das verlangt die SVP. Der Bundesrat will erst nächste Woche entscheiden. Warum wartet
die SVP nicht, wie sich die Lage entwickelt?
Hannes Germann: Natürlich weiss heute niemand, wie sich die Lage entwickelt. Aber wenn wir davon ausgehen, dass sich die Situation weiter verbessert, dann sollten wir ab dem 19. April schrittweise zurück zur Normalität kehren. Das heisst: Schulschliessungen aufheben, Lehr- und Maturaabschlüsse ermöglichen. Die Wirtschaft gezielt, aber so schnell als möglich wieder hochfahren. Und der Bundesrat muss nächste Woche dringend eine Exitstrategie vorlegen.
Eine der zentralen Forderungen der SVP ist es, so schnell als möglich vom Notrecht wegzukommen und künftige Ausgaben wieder vom Parlament absegnen zu lassen. Ist das auch Kritik an der bisherigen Politik des Bundesrates?
Germann: Im Gegenteil, Notrecht ist im Epidemiegesetz so vorgesehen. Das ist in Ordnung. Aber es gibt keinen Grund, das Notrecht auch nur einen Tag länger als absolut nötig beizubehalten. Es ist ein sehr starkes Instrument, und der Bundesrat greift enorm weit in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger ein – und die sechsköpfige Finanzdelegation spricht Kredite in zweistelliger Milliardenhöhe.
Insbesondere soll der Bundesrat dann keine Kredite mehr per Notrecht vergeben. Hat er zu viel Geld verteilt?
Germann: Aus heutiger Sicht nicht, aber bis Ende April sollte das Gros der Überbrückungskredite gesprochen und Notrecht nicht mehr nötig sein. Der Bund rechnet damit, dass von den bereitgestellten 40 Milliarden Franken rund 90 Prozent zurückfliessen. Doch es wäre auch mit 4 Milliarden Verlust ein gros-ser Wurf – aber ein verkraftbarer. Dank Schuldenbremse, Ausgabendisziplin und super Abschlüssen der letzten Jahre kann unsere Nation dies stemmen.
Welches sind für Sie die wichtigen Eckpfeiler einer schrittweisen Rückkehr zur Normalität?
Germann: Sicherlich, dass die ältere und die besonders vulnerablen Teile der Bevölkerung besonders geschützt werden. Ich plädiere da aber auch für Eigenverantwortung. Wenn ältere Menschen unter Einhaltung der Regeln einen Spaziergang machen wollen, ist das sogar zu begrüssen.
Kinderkrippen müssen offen bleiben, haben aber nur wenige Kinder zum Hüten. Gestern forderte die Kommission für Wirtschaft und Abgaben, der Sie angehören, Bundesgelder. Unterstützen Sie das?
Germann: Nein, in dieser Form habe ich grösste Mühe mit solch einer Forderung. Im Grundsatz ist dies Sache der Kantone und Gemeinden. Ich bin ge-gen eine Regelung, die dazu führt, dass man künftig von Bundeskinderkrippen spricht.
Die WAK schlägt vor, man könnte den Zins bei den Solidarbürgschaften je nach Marktentwicklung nach einem Jahr erhöhen.
Germann: Die Solidarbürgschaften helfen Liquiditätsengpässe zu überbrücken. Es gibt Stimmen, die finden, es würden zu viele und auch marode Unternehmen gerettet. Aber da muss man jetzt pragmatisch sein und das Prinzip von Treu und Glauben aufrecht halten. Ich bin gar kein Fan von Krediten zum Nullzins. Aber es wäre nun gegenüber denjenigen, die unter dieser Annahme einen Kredit aufgenommen haben, nicht fair, im Nachhinein die Spielregeln zu ändern.
Was braucht es noch, um diese Krise zu meistern?
Germann: Es gibt Menschen, die indirekt von den Restriktionen betroffen sind und die uns durch die Maschen fallen. Für sie braucht es Lösungen. Ich denke an Physiotherapeuten, die nur noch Notfälle behandeln dürfen, aber auch an Gärtnereien, die auf ihren Setzlingen sitzen bleiben, oder an Einzelunternehmen, die nicht als GmbH oder AG strukturiert sind.