Zur Halbzeit der Legislatur präsentieren die vier Schaffhauser Parlamentarier ihre Ziele für die nächsten zwei Jahre.
von Michael Brunner
Bern – Im Oktober 2003 waren die letzten Wahlen – und in zwei Jahren sind die Wählerinnen und Wähler bereits dazu aufgerufen, den National- und den Ständerat neu zu wählen. Es ist also Halbzeit der Legislatur. Aus diesem Anlass sprachen die «Schaffhauser Nachrichten» mit den je zwei Schaffhauser Stände- und Nationalräten. Für einmal wird aber nicht Bilanz gezogen. Vielmehr waren die vier Politiker angehalten, ihr wichtigstes politisches Projekt für die zweite Hälfte der Legislatur vorzustellen.
Erwartungsgemäss wählten sie sehr unterschiedliche Schwerpunkte: FDP-Ständerat Peter Briner hofft, dass in den kommenden zwei Jahren auf der Basis eines Berichts des Bundesrates eine sachliche Diskussion über die Europapolitik der Schweiz möglich wird. SP-Nationalrat Hans-Jürg Fehr will die Kopfprämien bei den Krankenkassen beseitigen. Ersetzt werden sollen sie durch einkommensabhängige Prämien.
Die Steuerreformen vorantreiben, das wollen SVP-Ständerat Hannes Germann und FDP-Nationalrat Gerold Bührer. Dabei sind sich die beiden bürgerlichen Politiker allerdings nicht in allen Punkten einig: Gerold Bührer will die so genannte Heiratsstrafe mit einem Wahlmodell für Ehepaare beseitigen. Hannes Germann hingegen favorisiert das Splittingmodell.
Peter Briner: Weichen zu Europa stellen
In der zweiten Legislaturhälfte stehen für FDP-Ständerat Peter Briner für die Schweiz Fragen der Sozialversicherungen im Mittelpunkt. «Aber klar, für mich als Aussenpolitiker bleibt auch das Verhältnis der Schweiz zur EU zentral.» Daher wartet er gespannt auf den Bericht des Bundesrates, der aussenpolitische Optionen aufzeigen und im Sommer 2006 erscheinen soll. Danach, so Briner, werde erstmals eine auf Fakten gestützte grosse nationale Debatte über die Europapolitik möglich. Er freut sich auf diese Debatte, auch wenn er die Gefahr sieht, dass einfach auf Grund alter (Vor-)Urteile gestritten werden wird.
Briner vermutet, dass das Ergebnis des Berichtes des Bundesrates sein wird, dass der heutige bilaterale Weg für die Schweiz das Beste ist. Für diesen Weg hatte er in den Abstimmungen über Schengen und die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit engagiert gekämpft. «Aber man muss auch offen sein, wenn die erarbeiteten Fakten Neues bringen.» Briner kann sich vorstellen, dass sich neben Bilateralismus und EU-Beitritt vielleicht noch eine andere Möglichkeit ergibt.
Briner ist zwar in den kommenden beiden Jahren nicht mehr Präsident der Aussenpolitischen Kommission des Ständerates, als einfaches Mitglied dieser Kommission wird er aber weiterhin an vorderster Front dabei sein, wenn es um die Schweizer Aussenpolitik geht.
Gerold Bührer: Heiratsstrafe abschaffen
FDP-Nationalrat Gerold Bührer will sich in der zweiten Legislaturhälfte dafür einsetzen, dass sich bei den Steuern etwas tut. «Mein Ziel ist es, dass die Schweiz konkurrenzfähiger wird, die Wirtschaft wächst und Arbeitsplätze geschaffen werden», sagt Bührer. Daneben geht es ihm um die Steuergerechtigkeit. Konkret will Bührer sich als Mitglied der Kommission für Wirtschaft und Abgaben in drei Teilbereichen einsetzen: bei der Unternehmenssteuerreform II, der Familienbesteuerung und der Mehrwertsteuer. Die Unternehmenssteuerreform soll vor allem zu einer Entlastung der KMU führen, indem insbesondere die Unternehmernachfolge steuerlich erleichtert werden soll. Alle Unternehmen sollen davon profitieren, dass der Staat bei der Gewinnausschüttung nicht mehr wie heute zweimal – beim Unternehmen und beim Aktionär – zugreift.
Im Bereich der Familienbesteuerung soll die so genannte Heiratsstrafe verschwinden. Das heisst, Konkubinatspaare und Ehepaare sollen steuerlich gleichgestellt werden. Bührer schwebt ein Wahlmodell vor: Ehepaare könnten selbst entscheiden, ob sie ihre Steuern individuell abrechnen (Individualbesteuerung) oder ob sie ihr Einkommen gemeinsam, dafür durch einen Faktor geteilt, versteuern (Teilsplitting). Bei der Mehrwertsteuer wünscht sich Bührer den von Bundesrat Hans-Rudolf Merz vorgeschlagenen Einheitssatz.
Hans-Jürg Fehr: Kopfprämien abschaffen
«Die Kopfprämie bei den Krankenkassen ist der grösste soziale Missstand, den es heute in der Schweiz noch gibt», sagt SP-Nationalrat Hans-Jürg Fehr. Deshalb will er sich in der zweiten Hälfte der Legislatur für die Abschaffung der Kopfprämie einsetzen. Einmal tut er das im Rahmen einer SP-Volksinitiative, welche unter anderem einkommensabhängige Krankenkassenprämien vorsieht. Die SP wird laut Fehr hier demnächst ihre konkreten Vorstellungen einbringen, wie ein solches Prämiensystem aussehen könnte. Dann kann er sich aber auch ein Modell vorstellen, in dem die Gesundheitskosten über zusätzliche 5,5 Mehrwertsteuerprozente finanziert würden. Die Prämien und das ganze Prämienverbilligungssystem könnten damit abgeschafft werden. Fehr räumt ein, dass die Mehrwertsteuer eine relativ unsoziale Abgabe ist. «Aber im Vergleich mit der Kopfprämie ist sie doch sehr gerecht.»
Der Präsident der SP Schweiz lässt sich auch nicht dadurch entmutigen, dass die SP mit einem ähnlichen Vorschlag 2003 vor dem Stimmvolk deutlich gescheitert war: «Das ist kein Grund, es nicht noch einmal zu versuchen – und wir haben aus den damals gemachten Fehlern unsere Lehren gezogen.» Fehr verspricht sich von der Abschaffung der Kopfprämie einen enormen sozialen Effekt. Vor allem die Mittelschicht, welche kaum von Prämienverbilligungen profitiert, und Familien würden entlastet.
Hannes Germann: Steuerpolitik reformieren
«Im Steuerbereich müssen wir in den kommenden zwei Jahren einige Pflöcke einschlagen», sagt SVP-Ständerat Hannes Germann. Damit macht er klar, wo er sich in der zweiten Hälfte der Legislatur primär einbringen will. Im Mittelpunkt steht vorerst die Unternehmenssteuerreform II. Neben anderen Mängeln will Germann vor allem erreichen, dass die Doppelbesteuerung bei Gewinnausschüttung – beim Unternehmen und beim Aktionär – gemildert wird. Denn heute sei die Versuchung gross, Gewinne unproduktiv in Unternehmen zu belassen, um Steuern zu sparen. «Das hilft weder der Wirtschaft noch der Staatskasse.»
Weniger weit sind die Reformbemühungen für die anderen beiden Steuerbereiche, in denen für Germann dringender Handlungsbedarf besteht: die Mehrwertsteuer und die Familienbesteuerung. Bei der Mehrwertsteuer kämpft Germann für einen Einheitssatz, wobei er sich vorstellen kann, die heute steuerbefreiten Leistungen so zu belassen. Bei der Familienbesteuerung will Germann weiter für die Abschaffung der Heiratsstrafe kämpfen. Allerdings findet er den Weg, den Bundesrat Hans-Rudolf Merz im Sinne einer Sofortmassnahme via Doppelverdienerabzüge eingeschlagen hat, falsch. «Da würden Einverdiener-Familien benachteiligt.» Der Staat mische sich damit in etwas ein, was ihn nun wirklich nichts angehe. Germann favorisiert daher eine Teilsplittinglösung.